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FORTBILDUNG
Testosteronbehandlung beim Mann – sinnvoll oder nur Lifestyle?
Ein Update für die Praxis
Testosteron gilt als das männliche Sexualhormon schlechthin. Insbesondere in Laienkreisen und Massenmedien werden dem Hormon viele positive Eigenschaften wie Energie, Muskelkraft und sexuelle Leistungsfähigkeit zugeschrieben. Entsprechend sind die Erwartungen an eine Behandlung mit einem Testosteronpräparat oft sehr gross, die Grenzen zur Lifestylemedizin oder sogar zum Doping scheinen zu verschwimmen. Im Folgenden werden medizinische Indikationen und der Nutzen einer Substitution differenziert beleuchtet.
Bernd Schultes
Auch wenn das Thema Testosteronbehandlung mit vielen Mythen und falschen Erwartungen behaftet ist, gibt es klare medizinische Indikationen, bei denen eine Testosteronsubstitution sinnvoll ist. Voraussetzung für die Indikationsstellung ist eine differenzierte Diagnostik, durch welche das Ausmass sowie die Ursache des Testosteronmangels geklärt werden. Besonders wichtig ist es, behandelbare Ursachen aufzudecken, um betroffene Patienten nicht über einen längeren Zeitraum mit einer Substitution falsch zu behandeln und andere Gesundheitsprobleme zu verpassen. Bei der Behandlung mit einem Testosteronpräparat gibt es ebenfalls einige Punkte zu beachten, um Enttäuschungen und Verwirrungen aufseiten des Behandlers sowie des Patienten zu vermeiden. In diesem Artikel soll eine praxisorientierte Übersicht über die Diagnostik und Differenzialdiagnostik des Testosteronmangels sowie über die Indikationsstellung zur Substitution, die
MERKSÄTZE
Das Hauptsymptom des Testosteronmangels ist der Libidomangel. Weitere Symptome sind unspezifisch.
Ein Testosteronmangel liegt vor, wenn das morgendlich, zwischen 08:00 und 11:00 Uhr, gemessene Gesamttestosteron weniger als 8 nmol/l beträgt. Auch im Bereich von 8 bis 12 nmol/l kann ein Testosteronmangel vorliegen und eine Substitutionsbehandlung sinnvoll sein.
Das freie Testosteron sollte mittels einer SHBG- und Albuminbestimmung errechnet und in die Abwägung einer Substitutionsbehandlung miteinbezogen werden.
Unter einer Substitutionsbehandlung sollten das Blutbild sowie von Zeit zu Zeit auch der Testosteronwert kontrolliert werden.
Der subjektive Behandlungserfolg einer Substitutionsbehandlung sollte mindestens alle 6 Monate gemeinsam mit dem Patienten evaluiert werden.
Durchführung der Testosteronbehandlung und die zu erwartenden Effekte gegeben werden.
Symptome des Testosteronmangels
Die Symptome des Testosteronmangels sind mannigfaltig (1). Dabei ist zu berücksichtigen, dass Testosteron selbst nur einen Teil seiner Effekte vermittelt. Ein Teil des Testosterons wird organspezifisch durch das Enzym 5-Alpha-Reduktase in 5-Alpha-Dihydrotestosteron umgewandelt, welches zum Beispiel spezifische Effekte an der Prostata oder den Kopfhaarwurzeln ausübt. Ein weiterer Teil des Testosterons wird durch insbesondere im Fettgewebe lokalisierte Aromatasen in Estradiol umgewandelt, was für die Effekte auf die Sexualfunktionen ganz entscheidend ist. Der Einfluss auf die Körperzusammensetzung im Sinne eines Fettabbaus sowie Muskelzuwachses hingegen wird direkt durch Testosteron vermittelt (2). Abbildung 1 gibt eine Übersicht über diese unterschiedlichen Wirkungswege und Effekte des Testosterons. Das Kardinalsymptom des Testosteronmangels ist die reduzierte oder mangelnde Libido. Bei der Anamnese sollte klar differenziert werden, ob eine erektile Dysfunktion vorliegt oder der betroffene Mann ein reduziertes sexuelles Interesse aufweist. Selbstverständlich können auch andere Faktoren als ein Testosteronmangel, wie insbesondere psychische Belastungen, zu einem Libidoverlust beitragen. Nicht selten besteht ein Testosteronmangel schon über einen sehr langen Zeitraum, sodass die reduzierte Libido nicht als abnormal und unerwünscht wahrgenommen wird. Alle anderen Symptome des Testosteronmangels sind sehr unspezifisch wie beispielsweise verminderte Energie, schnellere Erschöpfbarkeit oder Depressivität. Auch körperliche Veränderungen wie eine verminderte Muskelkraft oder eine vermehrte Fettakkumulation können Hinweise auf einen Testosteronmangel sein. Diesbezüglich ist die differenzialdiagnostische Beurteilung jedoch besonders schwierig, da ein Testosteronmangel einerseits für die Adipositasentwicklung in gewissem Masse fördernd sein kann, andererseits die Adipositas selbst häufig sekundär über verschiedene Mechanismen zu einem Testos-
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Abbildung 1: Übersicht über die unterschiedlichen Wirkungswege und Effekte von Testosteron.
niedrigen Konzentrationen nur sehr ungenaue Werte liefern (3). Goldstandard zur Bestimmung des freien Testosterons ist die Massenspektroskopie, welche jedoch nur in wenigen Laboratorien zur Verfügung steht. Empfohlen wird die Berechnung des freien Testosterons nach einer Standardformel (5), was die meisten Laboranbieter bei Auftragserteilung auch problemlos direkt machen. Neben dem freien Testosteron wird dabei auch das bioverfügbare Testosteron berechnet. Hierbei handelt es sich um das Albumin-gebundene Testosteron, welches von diesem Protein sehr viel leichter dissoziiert als vom SHBG. Allgemein sollte die morgendliche Testosteronbestimmung mindestens an zwei verschiedenen Tagen erfolgen, um diagnostische Fehler mit langfristigen Konsequenzen für den Patienten zu vermeiden.
Abbildung 2: Verteilung des Testosterons im Blut
teronmangel führt. Eine Gewichtsabnahme hingegen führt bei adipösen Männern meist zu einem Anstieg des Testosterons, sofern keine weitergehende testikuläre oder hypothalamisch-hypophysäre Schädigung vorliegt.
Gezielte Laboranalytik ist ein wesentlicher Bestandteil der Diagnostik
Vermutet man aufgrund des Beschwerdebildes bei einem Patienten einen Testosteronmangel, so ist der nächste Schritt nach ausführlicher Erhebung der Anamnese die gezielte Laboranalytik (3). Gemessen werden sollte die Konzentration des Gesamttestosterons im Blut am Morgen zwischen 08:00 und 11:00 Uhr, da das Hormon eine ausgeprägte zirkadiane Rhythmik aufweist. Es ist zudem darauf zu achten, dass vor der Blutabnahme der betroffene Mann einen regulären Schlaf-Wach-Rhythmus hatte, da es sonst zu einer Phasenverschiebung des zirkadianen Rhythmus des Hormons kommen kann – und damit zu niedrigen Werten (4). Neben der Messung des Gesamttestosterons ist das Sexualhormon-bindende Globulin (SHBG) zu bestimmen, an welches etwa 68 bis 69 Prozent des Testosterons gebunden sind. Auch Albumin sollte zusätzlich bestimmt werden, da weitere 30 Prozent des Testosterons an Albumin gebunden im Blut zirkulieren. Letztlich liegen nur 1 bis 2 Prozent des Gesamttestosterons als freies Testosteron im Blut vor (Abbildung 2). Es wird explizit davon abgeraten, das freie Testosteron direkt zu messen, da die verfügbaren Essays aufgrund der extrem
Die möglichen Ursachen eines Testosteronmangels erkennen
Hat man einen Testosteronmangel diagnostiziert, geht es im nächsten Schritt darum zu untersuchen, ob es sich um einen primären Hypogonadismus im Sinne einer testikulären Fehlfunktion handelt oder um einen sekundären Hypogonadismus im Sinne eines hypogonadotropen Hypogonadismus. Um diese Frage zu beantworten, benötigt man die gleichzeitige Bestimmung des luteinisierenden Hormons (LH). Bei einem primären Hypogonadismus ist die LH-Konzentration erhöht, während sie bei einem sekundären Hypogonadismus erniedrigt oder inadäquat normal ist. Findet sich die Konstellation eines primären Hypogonadismus, ist eine manuelle oder sonografische Untersuchung des Hodens obligat. Gegebenenfalls kann auch eine Überweisung des Patienten an einen Urologen sinnvoll sein. Beim sekundären Hypogonadismus ist das weitere Vorgehen schwieriger, da man oftmals Werte im Grenzbereich findet, beispielsweise im Rahmen des normalen Alterungsprozesses oder im Rahmen einer Adipositas. Bei der Adipositas wird unter anderem durch eine erhöhte Aromataseaktivität im Fettgewebe vermehrt Testosteron zu Estradiol umgewandelt, was dann zu einer Feedbackhemmung der gonadotropen Achse auf hypothalamischer beziehungsweise hypophysärer Ebene und damit zu einer verminderten LH-Sekretion führt.
Unkritische Anfertigung eines MRI problematisch
Bevor eine bildgebende Diagnostik im Sinne eines Hypophysen-MRI in Erwägung gezogen wird, sollten die anderen hypophysären Hormonachsen wie die Schilddrüsen-Achse, die Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse sowie die somatotrope Achse getestet werden. Problematisch ist die unkritische Anfertigung eines MRI, da etwa 10 Prozent der Bevölkerung kleine Hypopyhsenadenome aufweisen, welche auch im Langzeitverlauf keinerlei gesundheitliche Konsequenzen haben. Diese oft als Zufallsbefund entdeckten Inzidentalome können dann zu einer ausufernden Diagnostik und insbesondere zur Verunsicherung von Patienten führen, was unbedingt vermieden werden sollte (6). Von besonderer Bedeutung ist die Bestimmung des Prolaktins, da Prolaktinome nicht nur die häufigsten endokrin aktiven Hypophysentumore darstellen, sondern weil es dabei auch durch die direkte Wirkung des Prolaktins zu einer verminderten Testosteronsekretion kommt. Prolaktinome sprechen zudem fast immer auf eine medikamentöse Therapie mit
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einem Dopaminagonisten an, wodurch es oft zu einer raschen Normalisierung der Testosteronkonzentration kommt. Bei Vorliegen einer Hyperprolaktinämie sind wiederum einige wichtige Punkte zu beachten. Einerseits handelt es sich hierbei um ein Stresshormon, sodass bereits die Angst vor der Blutentnahme zu einer leichten Prolaktinerhöhung führen kann. Andererseits können eine Reihe von Medikamenten wie insbesondere Neuroleptika oder Antiemetika durch ihre antidopaminerge Wirkung zu einer vermehrten Prolaktinsekretion führen. Psychische Störungen wie insbesondere eine Anorexia nervosa können ebenfalls zu einem funktionellen hypogonadotropen Hypogonadismus führen. Man sollte jedoch auch an die Möglichkeit einer hypothalamisch-hypophysären Schädigung, beispielsweise durch ein Schädel-Hirn-Trauma, Tumore oder vorausgehende Bestrahlungen, denken. Letzlich ist auch immer eine Überprüfung des Eisenstatus sinnvoll, um das Vorliegen einer Hämochromatose nicht zu übersehen, welche ebenfalls zu einem Testosteronmangel führen und therapeutisch mittels Aderlass angegangen werden kann.
Indikation zur Substitutionsbehandlung
Hat man einen nicht anderweitig behandelbaren Testosteronmangel diagnostiziert, stellt sich die Frage nach einer entsprechenden Substitution. Hierbei handelt es sich immer um eine individuelle Entscheidung, welche gemeinsam mit dem Patienten unter Berücksichtigung seines Leidensdrucks gefällt werden sollte. Bei einem sehr ausgeprägten Hypogonadismus empfiehlt sich die Durchführung einer Osteodensitometrie, da das Vorliegen einer sekundären Osteoporose eigentlich die einzige klare Indikation zur Durchführung einer Testosteronsubstitution darstellt. Liegt eine Symptomatik, insbesondere eine Störung der Sexualfunktion, vor, sollte bei einem Gesamttestosteron von < 8 nmol/l sicher eine Substitutionsbehandlung erfolgen. Auch bei Werten, die im Graubereich von 8 bis 12 nmol/l liegen, kann eine Behandlung erfolgen (3).
Wie vorgehen bei Prostatakarzinom, Kinderwunsch und LUTS?
Klare Kontraindikationen für die Einleitung einer Testosteronbehandlung sind das Vorliegen eines nicht in toto resezierten Prostatakarzinoms, eines deutlich erhöhten PSA-Wertes (ggf. nach Durchführung einer urologischen Evaluation doch möglich) oder eines beim Mann selten vorliegenden Mammakarzinoms. Erwähnenswert ist jedoch, dass in gross angelegten Beobachtungsstudien mittlerweile ganz klar gezeigt wurde, dass eine Testosteronbehandlung nicht die Denovo-Entstehung eines Prostatakarzinoms fördert. Die in diese Richtung geäusserten Sorgen sind nach heutigem Kenntnisstand daher nicht berechtigt. Auch ein bestehender Kinderwunsch stellt eine klare Kontraindikation dar, da die Testosterongabe zu einer Suppression der hypophysären FSH-Sekretion und damit zu einer Verminderung der Spermatogenese führt. Nach Absetzen der Testosteronsubstitution kommt es jedoch meistens zur Wiederherstellung der Fertilität, sofern kein anderes Problem auf testikulärer oder hypophysärer Ebene vorliegt. Letztlich stellt auch ein Hämatokritwert über 50 Prozent eine Kontraindi-
kation dar, da Testosteron zu einer Steigerung der Hämatopoese führt. Nicht selten haben Männer mit ausgeprägtem Testosteronmangel vor der Behandlung eine leichtgradige Anämie, welche sich unter der Substitutionsbehandlung normalisiert. Keine Kontraindikationen stellen die benigne Prostatahyperplasie und die mit dem Überbegriff «Lower Urinary Tract Symptoms» (LUTS) zusammengefassten Probleme dar. Neue Studien haben gezeigt, dass es sogar eher zu einer Verbesserung der LUTS unter einer Testosteronbehandlung kommt. Letztlich ist auch die Evidenz für eine lange vermutete Verschlechterung eines etwaig vorliegenden Schlafapnoesyndroms durch eine Testosteronbehandlung sehr gering, sodass ein unbehandeltes Schlafapnoesyndrom derzeit nicht mehr als Kontraindikation für die Einleitung einer Testosteronsubstitution gilt (7).
Was ist bei der Testosteronsubstitution zu beachten?
In der Schweiz ist derzeit zur Testosteronsubstitution ausschliesslich Testosteronundecanoat – sowohl zur oralen Einnahme (Andriol) als auch zur intramuskulären Injektion (Nebido) – in der Spezialitätenliste (SL) aufgeführt. Die Durchführung einer oralen Substitution wird unter anderem aufgrund der schlechten Bioverfügbarkeit von nur 7 Prozent nicht empfohlen. Bei dem intramuskulär applizierbaren Präparat handelt es sich um eine 4 ml messende, ölige Lösung, welche möglichst langsam injiziert werden sollte. Es besteht die Gefahr einer Fettlungenembolie, welche unter anderem zu einem passageren Hustenreiz führt. Üblicherweise erfolgt nach der ersten Injektion eine zweite bereits nach 6 Wochen. Danach sollten die Injektionsintervalle etwa 12 Wochen betragen. Es ist anzuraten, vor einer neuen Injektion eine Bestimmung des Gesamttestosterons durchzuführen, da bei niedrigen Werten die Dosisintervalle entsprechend verkürzt und bei sehr hohen Werten verlängert werden sollten. Die üblichen Injektionsintervalle liegen zwischen 10 und 14 Wochen. Gemäss internationalen Empfehlungen sollte eine Testosteronsubstitutionsbehandlung jedoch mit einem kurz wirksamen Präparat begonnen werden. Hierfür bieten sich insbesondere auf die Haut aufzutragende Gele an. Entsprechende Präparate sind unter den Namen Testogel und Tostran in der Schweiz zugelassen, jedoch muss jeweils eine Kostengutsprache bei der Krankenkasse eingeholt werden. Es ist bedauerlich und unverständlich, dass die entsprechenden Präparate nicht in der SL gelistet sind, da es sehr viele hochwertige Studien zur Wirksamkeit entsprechender Gelpräparate gibt. Während der Testosteronbehandlung sollte man regelmässig den subjektiven Therapieerfolg des Patienten evaluieren. Zudem sollte man regelmässig das Blutbild kontrollieren, um nicht die Entwicklung einer Polyglobulie zu verpassen. Bei einem Hämatokrit von > 54 Prozent wird empfohlen, die Behandlung zu pausieren (3). Auch wird empfohlen, einmal im Jahr den PSA-Wert zu bestimmen und eine rektale Untersuchung durchzuführen. Diese Empfehlung erscheint etwas paradox, da es wie bereits erwähnt keine Evidenz für eine vermehrte Entstehung von Prostatakarzinomen unter einer Testosteronsubstitution gibt.
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Effekte der Testosteronsubstitution
Es gibt eine grosse Zahl relativ kleiner, randomisierter, plazebokontrollierter Studien zu den Effekten der Testosteronsubstitution. Dabei wurden jeweils unterschiedliche Testosteronpräparate eingesetzt und unterschiedliche Patientenkollektive behandelt. 2016 wurde im «New England Journal of Medicine» eine zusammenfassende Datenauswertung von sieben plazebokontrollierten Studien bei Männern in einem Alter von über 65 Jahren mit verschiedenen Symptomen eines Testosteronmangels und einer Gesamttestosteronkonzentration von < 9 mmol/ml veröffentlicht (8). Dabei hatten die einzelnen Studien jeweils ihren Fokus auf unterschiedlichen Zielvariablen. Die zusammenfassende Datenanalyse zeigte eindeutig, dass sich die sexuelle Funktion (bei vorbestehender Beeinträchtigung!) durch eine Testosteronsubstitution klar verbessern lässt. Die Verbesserung bezieht sich dabei insbesondere auf die sexuelle Appetenz, jedoch auch auf die erektile Funktion. Auch die körperliche Leistungsfähigkeit wurde seitens der behandelten Männer als etwas verbessert eingeschätzt, jedoch nicht das Vitalitätsgefühl. Die objektiv gemessenen körperlichen Funktionen scheinen sich kaum zu verbessern. Gleiches gilt auch für die Stimmung sowie Symptome wie Depressivität. Auch die Ergebnisse zu kognitiven Funktionen waren in vielen Studien enttäuschend, da sich keine Verbesserung unter der Testosteronsubstitution fand. Konsistent wurde hingegen in vielen Studien eine Verbesserung der Körperzusammensetzung beobachtet, charakterisiert durch eine Zunahme der Muskelmasse und eine Abnahme der Fettmasse, während sich das Körpergewicht allenfalls nur sehr diskret reduzierte. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass sich bei Patienten mit metabolischem Syndrom Insulinsensitivität und Glukosestoffwechsel etwas verbessern (9).
Kardiovaskuläre Effekte viel diskutiert
International hatte es in den letzten Jahren aufgrund widersprüchlicher Studiendaten eine intensive Diskussion um die kardiovaskulären Effekte der Testosteronbehandlung gegeben (10). Dies hatte sogar dazu geführt, dass die amerikanische Zulassungsbehörde FDA im Jahr 2014 eine Warnung herausgab, wonach eine Testosteronbehandlung das kardiovaskuläre Risiko erhöhen könnte. Hierzu muss festgehalten werden, dass in den USA Testosteronpräparate viel häufiger und viel unkritischer eingesetzt werden als in europäischen Ländern. Bislang liegen zum Thema kardiovaskuläre Effekte ausschliesslich Beobachtungsstudien vor, wobei einige sogar positive Effekte einer Testosteronbehandlung im Sinne einer kardiovaskulären Protektion suggerieren. Als gesichert kann hingegen angesehen werden, dass ein niedriger Testosteronwert ein Marker für ein hohes kardiovaskuläres Risiko darstellt. Dies lässt jedoch nicht den Schluss einer kausalen Verknüpfung zu.
behandlung obligat. Im Verlauf der Substitutionsbehandlung
sollten die Patienten monitorisiert werden und der Behand-
lungserfolg regelmässig reevaluiert werden. Sowohl für die
Indikationsstellung als auch gegebenenfalls die Beendigung
der Substitutionsbehandlung ist das ausführliche Gespräch
mit dem Patienten entscheidend.
L
Prof. Dr. med. Bernd Schultes Facharzt für Innere Medizin Facharzt für Endokrinologie & Diabetologie Leiter Innere Medizin eSwiss Medical & Surgical Center Brauerstr. 97 9016 St. Gallen E-Mail: eswiss@eswiss.center www.eswiss.center
Interessenkonflikte: Der Autor war Mitglied mehrerer Advisory Boards der Bayer AG (Hersteller von Testosteronpräparaten) und hat hierfür sowie für Referate Honorare erhalten.
Referenzen: 1. Finkelstein JS et al.: Gonadal steroids and body composition, strength,
and sexual function in men. N Engl J Med 2013; 369: 1011–1022. 2. Bhasin S et al.: Effect of testosterone supplementation with and with-
out a dual 5alpha-reductase inhibitor on fat-free mass in men with suppressed testosterone production: a randomized controlled trial. JAMA 2012; 307: 931–939. 3. Bhasin S et al.: Testosterone therapy in men with androgen deficiency syndromes: an endocrine society clinical practice guideline. J Clin Endocrinol Metab 2010; 95: 2536–2559. 4. Schmid SM et al.: Sleep timing may modulate the effect of sleep loss on testosterone. Clin Endocrinol (Oxf) 2012; 77: 749–754. 5. Vermeulen A et al.: A critical evaluation of simple methods for the estimation of free testosterone in serum. J Clin Endocrinol Metab 1999; 84: 3666–3672. 6. Freda PU et al.: Pituitary incidentaloma: an endocrine society clinical practice guideline. J Clin Endocrinol Metab 2011; 96: 894–904. 7. Seftel AD et al.: Critical update of the 2010 endocrine society clinical practice guidelines for male hypogonadism: A systematic analysis. Mayo Clin Proc 2015; 90: 1104–1115. 8. Snyder PJ et al.: Effects of testosterone treatment in older men. N Engl J Med 2016; 374: 611–624. 9. Jones TH et al.: Testosterone replacement in hypogonadal men with type 2 diabetes and/or metabolic syndrome (the TIMES2 study). Diabetes Care 2011; 34: 828–837. 10. Onasanya O et al.: Association between exogenous testosterone and cardiovascular events: an overview of systematic reviews. Lancet Diabetes Endocrinol 2016; 4: 943–956.
Zusammenfassung
Eine Testosteronbehandlung kann bei Patienten mit klar nachgewiesenem Testosteronmangel einen Nutzen bieten, welcher sich insbesondere im Bereich der Sexualfunktion manifestiert. Eine saubere Diagnostik sowie Differenzialdiagnostik ist vor Einleitung einer längerfristigen Substitutions-
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