Transkript
Psoriasistherapie – Erfolg dank guter interdisziplinärer Zusammenarbeit
Interview mit Dr. med. Tobias Plaza, Uster
INTERVIEW
Trotz relevanter Fortschritte in der Therapie der Psoriasis geht mit der Erkrankung immer noch ein grosser Leidensdruck einher. Aufgrund der häufig vorhandenen Komorbiditäten ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Experten und Hausärzten eine essenzielle Vorraussetzung für die erfolgreiche Betreuung dieser Patienten, wie Dr. med. Tobias Plaza im Interview unterstreicht. Der Präsident des Psoriasis Netzwerks PsoriNet berichtet über die Netzwerkprojekte PsoInsight und PARIS.
Zur Person
Dr. med. Tobias Plaza, FMH Dermatologie, Allergologie aus Uster, ist Präsident des PsoriNet – des Kompetenznetzes Psoriasis niedergelassener Dermatologen in der Schweiz.
Ars Medici: Was sind für Sie heute die grössten Herausforderungen bei der Therapie von Patienten mit Psoriasis? Dr. med. Tobias Plaza: Rund 50 Prozent der Patienten mit Psoriasis sind von Komorbiditäten betroffen. Diese gilt es erfolgreich zu managen, was häufig ausserhalb der Kernkompetenz der Dermatologie liegt. Der interdisziplinären Zusammenarbeit mit dem Hausarzt kommt somit eine grosse Bedeutung zu, weil die Qualität dieser Partnerschaft den Therapieerfolg massgeblich mitbeeinflusst. Im Hinblick auf die diesbezügliche Kooperation gibt es jedoch keine formalen Strukturen. Deshalb ist es an uns, die notwendigen Prozesse jeweils bilateral zu etablieren. Je besser dies gelingt, desto zielgerichteter können wir uns um die Probleme unserer Patienten kümmern. Eine weitere Herausforderung besteht darin, die individuell beste Therapie zu finden. Während es bis vor wenigen Jahren für Patienten mit Psoriasis einige wenige Medikamente gab, verfügen wir heute über ein beachtliches Arsenal, was sehr erfreulich ist. Gleichzeitig ist es aber auch schwierig geworden, für den einzelnen Patienten die beste Lösung zu finden. Gerade auf die neuen, sehr wirksamen Medikamente sprechen die Patienten individuell unterschiedlich gut an. Leider fehlen uns die notwendigen Biomarker, um zielgerichtet die wirksamste Therapie zu identifizieren. Häufig braucht es mehrere Anläufe dazu. Abgesehen von der isolierten Wirkungsbetrachtung geht es aber auch darum, die Balance zwischen Wirksamkeit, Nebenwirkung und der Vereinbarkeit der Therapie mit dem Alltagrhythmus zu finden. Die Gewichtung dieser Parameter ist sehr individuell und im Verlauf der Zeit auch nicht konstant, was angesichts der Chronizität der Krankheit von grosser Bedeutung ist. Vor diesem Hintergrund ist es natürlich entscheidend, dass sich Arzt und Patient jeweils über die Prioritäten der verschiedenen Behandlungsziele einig sind.
In Ihrem Projekt PsoInsight wurden zum ersten Mal Daten von Schweizer Patientinnen und Patienten mit Psoriasis und deren behandelnden Dermatologen zur Situation der Psoriasistherapie in der Schweiz erhoben. Inwiefern können diese Daten helfen, die individuellen Patientenbedürfnisse besser zu verstehen? Plaza: Es ist immer schwierig, etwas Individuelles statistisch abzubilden. Ein spannender Aspekt der Resultate ist, dass der Juckreiz nicht nur häufig vorkommt, sondern meist auch mit einem starken Leidensdruck verbunden ist. Der Punkt ist deshalb interessant, weil bis vor wenigen Jahren die Lehrmeinung war, dass Psoriasis nicht juckt. Was wir dank PsoInsight ebenfalls feststellen konnten, ist, dass rund 70 Prozent der Schweizer Psoriasispatientinnen und -patienten unerfüllte Therapiebedürfnisse in Verbindung mit ihrer Krankheit angeben. Dem gegenüber steht die Erkenntnis aus den Daten, dass das therapeutische Arsenal bei einem Grossteil dieser Patienten nicht ausgeschöpft worden ist.
Sehen Sie Möglichkeiten, diese Situation zu verbessern? Plaza: Wir alle sind bemüht darum, die Bedürfnisse der Patienten möglichst optimal abzudecken. Dies kann auf unserer Seite dadurch erreicht werden, dass man die Patienten gut informiert und Entscheide gemeinsam fällt. Auf der anderen Seite ist in den vergangenen paar Jahren eine Vielzahl neuer potenter Medikamente verfügbar geworden. Viele Patienten werden im Langzeitverlauf durch ihre Hausärzte medizinisch betreut. Diese sehen die Patienten regelmässig und haben die Möglichkeit, sie über neue Optionen aufzuklären und gegebenenfalls an den Dermatologen zu überweisen. Damit gewinnt der Patient die Chance auf eine bessere Lebensqualität. Auch dieser Umstand unterstreicht, wie wichtig die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit unseren Kollegen aus der Grundversorgung ist.
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INTERVIEW
Wird heute das Gesundheitswesen erwähnt, dann meistens in Zusammenhang mit den Kosten. Gerade die neuen Medikamente sind deutlich teurer. Befürchten Sie nicht einen Kostenschub, wenn bei jedem Patienten die Möglichkeiten voll ausgeschöpft werden? Plaza: Die Preisgestaltung obliegt dem BAG und damit der Politik. Als Arzt setze ich mich primär dafür ein, das Optimum für meinen Patienten herauszuholen. Das Bestmögliche ist nicht gleichzusetzen mit dem neuesten Medikament. Auch neue Medikamente haben Nebenwirkungen, die man als Patient nur dann in Kauf nimmt, wenn der Leidensdruck entsprechend gross ist. Wenn wir jedoch über die Kosten sprechen wollen, dann gibt es sehr schöne Daten von Prof. Augustin, die klar demonstrieren, dass die Folgekosten einer schlecht behandelten Psoriasis deutlich höher sind als diejenigen einer Psoriasis, die mit neuen Medikamenten gut kontrolliert ist (1). Somit scheint es mir vorteilhaft, summarisch betrachtet weniger zu bezahlen als mehr. Vor allem dann, wenn wir gleichzeitig noch den Leidensdruck sowie die Arbeitsunfähigkeit erheblich verringern können.
Geben Ihre Daten Aufschluss darüber, in welchen Bereichen heute die Beeinträchtigungen respektive Unzufriedenheiten liegen? Wenn wir von den wahrgenommenen Beeinträchtigungen sprechen, sind dies vor allem – wenig überraschend – die sichtbaren Manifestationen und die damit verbundene Stigmatisierung. Dann die Schuppung, der Juckreiz und die Behinderung im Alltagsablauf. Ferner natürlich auch die Nagelpsoriasis, welche die Funktionalität der Motorik stark beeinträchtigen kann. Schaut man, weshalb die Patienten die Therapie wechseln, ist der Grund in mehr als 50 Prozent der Fälle eine zu geringe Wirksamkeit. Bei rund 20 Prozent der Patienten ist es der Aufwand, der mit der Therapie in Zusammenhang steht beziehungsweise der sich nicht mit der Arbeit vereinbaren lässt. Wir wissen aus unseren Daten auch, dass die Zeit, die mit der Therapie zugebracht wird, nicht nur faktisch, sondern auch emotional der Freizeit abgeht und dass die Applikation jeweils einen Moment darstellt, in dem die Patienten wieder an ihr Schicksal erinnert werden und sich krank fühlen. Nimmt man all dies zusammen, liegen die Unzufriedenheiten an erster Stelle in der Belastung durch eine ungenügend wirksame Behandlung und dann – je nach individueller Konstellation – aufwendigere Therapieformen an und für sich. Spannend ist auch, dass die aus dem Aufwand resultierende subjektive Belastung nicht direkt mit dem objektiven Aufwand korreliert. So können Patienten, die gefühlt viel Zeit mit
Cremen verbringen, dies als belastender empfinden als jemand, der regelmässig zur Psoralen/UV-Therapie kommt.
Wäre somit die ideale Therapie möglichst einfach und schnell in der Applikation und möglichst wirksam? Plaza: Ja, auf jeden Fall. Obwohl dies eigentlich praktisch für jede Therapie und Erkrankung zutrifft. Aber man muss schon sehen, dass gerade bei Psoriasis gewisse wirksame Therapieformen doch recht aufwendig in der Applikation sind. So gesehen ist eine subkutane Selbstinjektion oder Tablette bei guter Wirksamkeit sicher ein Vorteil, wie das unsere Daten auch zeigen.
Mit PARIS haben Sie nun Anfang dieses Jahres ein neues Projekt gestartet. Weshalb? Plaza: Zum einen möchten wir damit die in PsoInsight erhobenen Daten validieren. Dann möchten wir gewisse spezifische Aspekte, wie zum Beispiel die Gründe für einen Regimewechsel, vertieft untersuchen. Ausserdem haben wir bei PsoInsight festgestellt, dass die Psoriasisarthritis in der Schweiz vermutlich unterdiagnostiziert wird, und möchten dieses Phänomen deshalb durch das zusätzliche Abbilden primär rheumatologischer Patienten genauer untersuchen. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, bis zum Jahresende 300 Patientinnen und Patienten zu befragen. Bis jetzt haben wir rund drei Viertel der notwendigen Feedbacks erhalten.
Wie kann ein solches Projekt finanziert werden? Plaza: Solche Projekte sind extrem aufwendig. Dies ist auch der Grund, weshalb Real-life Daten in der Schweiz eher Seltenheitswert haben. Es ist bekannt, dass bei Modellrechnungen häufig Daten aus den nordischen Ländern herangezogen werden, da entsprechende Schweizer Daten fehlen. Daten aus andern Ländern sind jedoch immer nur bedingt übertragbar. Um uns laufend zu verbessern, ist es somit unser ureigenes Interesse, diese Daten spezifisch für die Schweiz zu kennen. Dies ist eine der wichtigen Zielsetzungen, die wir – neben anderen – mit PsoriNet verfolgen. Celgene hat sich anerboten, die Umsetzung des Projekts über eine unabhängige Agentur zu unterstützen, welche die Arbeiten unter unserer Leitung abarbeitet, wodurch die Unabhängigkeit gegeben ist. Im Gegenzug erhält Celgene Zugang zu den aggregierten und anonymisierten Daten und kann damit einen Teil der eigenen Informationsbedürfnisse abdecken. In diesem Sinne ist es eine der wenigen echten Win-win Situationen und für uns ein echter Glücksfall.
Vielen Dank für dieses Gespräch, wir wünschen Ihnen viel
Erfolg mit Ihrem Projekt PARIS und sind gespannt auf die
Resultate.
O
www.psorinet.ch
Das Netzwerk PsoriNet dient der Gewährleistung der leitliniengerechten Psoriasistherapie entsprechend aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen auf höchstem Niveau durch die niedergelassenen Dermatologen. Auf der Homepage finden Sie weitere Informationen zu Psoriasis sowie regionale Ansprechpartner.
Das Interview führte Christine Mücke.
Referenz: 1. Schmitt-Rau K et al.: Cost-effectiveness of biological therapy in remission induction
of moderate to severe plaque psoriasis. Dermatology 2010; 221: 236–242.
Interessenlage: Die Durchführung der Projekte PsoInsight und PARIS kann mit freundlicher Unterstützung der Firma Celgene erfolgen.
Mehr über das Projekt PsoInsight erfahren Sie online unter: www.rosenfluh.ch/qr/psoinsight-2016
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