Transkript
BERICHT
Die therapeutische Palette bei Warzen ist breit
Säure, Kälte, Kräuter, Kurioses – oder einfach abwarten?
Prof. Dr. med. Thomas Kündig, Leiter der Poliklinik und Forschung an der Dermatologischen Klinik des Universitätsspitals Zürich, nahm für seinen Vortrag anlässlich der Fortbildung «Dermatologie – anwendbares Wissen für Grundversorger» in Zürich die verschiedenen Therapieoptionen bei Warzen unter die Lupe.
Susanna Steimer Miller
Warzen sind ein Problem, mit dem der Hausarzt oft konfrontiert wird. Am häufigsten davon betroffen sind Kinder ab Schuleintritt. Eine australische Studie zeigte auf, dass die Prävalenz von Warzen bei Schulkindern je nach Alter bei 12 (4- bis 6-Jährige) beziehungsweise bei 24 Prozent (16- bis 18-Jährige) liegt (1). An vulgären Warzen litten 16 Prozent der Studienteilnehmer und an Plantarwarzen 6 Prozent. In
Rund zwei Drittel aller Warzen heilen innerhalb von drei Jahren spontan ab.
einer britischen Studie waren 3,9 Prozent der 11-Jährigen und 4,9 Prozent der 16-Jährigen von Warzen betroffen (2). Das Geschlecht spielte in beiden Studien keine Rolle. Mit dem Alter nimmt die Anfälligkeit für Warzen deutlich ab. Rund zwei Drittel aller Warzen heilen innerhalb von drei Jahren spontan ab (3). Deshalb stellt sich die Frage, ob man Warzen überhaupt behandeln soll oder nicht.
Die Risikofaktoren Am häufigsten werden Warzen durch Papillomaviren verursacht. Die Ansteckung erfolgt durch den direkten Kontakt mit Infizierten oder durch den Kontakt mit Viren, die sich auf Gegenständen oder auf dem Boden befinden. Interessant dabei ist, dass das Risiko
der Übertragung in nasser Umgebung besonders hoch ist. Wenn die Haut aufgeweicht ist, können die Viren sie leichter durchdringen. Eine amerikanische Studie belegte, dass 27 Prozent der Kinder, die nach dem Turnen jeweils duschten, an Warzen litten, während bei den Kindern, die nur die Garderobe nutzten, aber nicht duschten, lediglich 1,25 Prozent davon betroffen waren (4). Kinder, die viel schwitzen, haben ebenfalls häufiger Warzen. Bei Kindern werden Warzen meist durch HPV-(humanes Papillomavirus-)2 verursacht. Doch auch bestimmte Berufe bergen ein erhöhtes Warzenrisiko: Eine britische Studie zeigte, dass 33 Prozent der Schlachthofmitarbeitenden und 34 Prozent der Metzger, die an der Studie teilnahmen, Warzen haben, für die jedoch HPV-7 verantwortlich ist. Bei Büroangestellten waren nur rund 15 Prozent betroffen (5).
Die Behandlungsoptionen
Heute gibt es eine sehr breite Palette an medikamentösen und alternativen Therapiemöglichkeiten, die teilweise auch bizarr anmuten. Salicylsäure, die in manchen Fällen auch mit Milchsäure gemischt wird, steht als Lösung oder in Form von Warzenpflastern zur Verfügung. Sie löst das Keratin auf und kann in die Hornhaut dringen. Gegenüber Plazebo erhöht die topische Anwendung die Abheilungsrate um 50 Prozent (6).
Die Wirkung von Monochloressigsäure, die als Lösung und als Pen erhältlich ist, wurde in einer holländischen Studie untersucht und mit derjenigen von Salicylsäure und Kryotherapie verglichen (7). Nach einer 13-wöchigen Anwendung von Monochloressigsäure heilten 43 Prozent der gewöhnlichen Warzen und 46 Prozent der Plantarwarzen ab. Die Kryotherapie, kombiniert mit Salicylsäure, führte über die gleiche Zeitspanne bei 39 Prozent der Patienten mit Plantarwarzen zu einer Abheilung. Bei den gewöhnlichen Warzen lag die Abheilungsrate allein mit der Kryotherapie bei 54 Prozent. Die Studie kam zum Schluss, dass Monochloressigsäure bei gewöhnlichen Warzen eine gute Alternative zur Kryotherapie ist, da während der Anwendung weniger Schmerzen auftreten. Die Schmerzen nach der Behandlung waren jedoch bei beiden Anwendungen vergleichbar. Ameisensäure, die als Lösung oder Pen einmal pro Woche appliziert wird, wirkt noch stärker als Salicylsäure und Monochloressigsäure. Studien aus dem Iran und aus Indien sprechen von einer Abheilungsrate von 91 beziehungsweise 92 Prozent (8, 9). Kündig hat mit der Ameisensäure gute Erfahrungen gemacht. Allerdings gibt er zu bedenken, dass diese potente und ätzende Säure,
«Je mehr ich eine Warze quäle,
desto eher wird sie abheilen.»
die als Medizinalprodukt registriert ist, nur gemäss den Empfehlungen in der Gebrauchsanweisung eingesetzt werden darf. Bei unsachgemässer Verwendung, wie zum Beispiel bei grossflächiger oder zu häufiger Applikation oder durch zusätzliches Abdecken mit einem Pflaster können Verätzungen entstehen.
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BERICHT
SO MACHE ICH DAS
Dr. med. Hansjörg Lang, Praxis «Ärzte am Rhein», 8264 Eschenz TG
Die Bleomycininjektion ist bei richtiger Anwendung fast immer erfolgreich!
«Eine weitere Alternative ist das intraläsionale Spritzen von Bleomycin, das die Abheilung im Vergleich zu Plazebo aber nur leicht verbessert», so wird Prof. Kündig in diesem Bericht zitiert. Ich habe die ganze Therapiepalette mit Verbrennen, Vereisen, Salicylsäure, Exzision, CO2-Laser und so weiter durchgeführt mit dem beschriebenen Erfolg. Mit Bleomycin jedoch, das ich seit zwei Jahrzehnten anwende, habe ich eine Erfolgsquote, die sehr nahe bei 100 Prozent liegt. Gerne beschreibe ich, wie ich die Injektion durchführe, da die von Prof. Kündig zitierte Erfolgsquote auf Mängeln in der Anwendung beruhen muss.
1. Entfernen der Hornschicht Mit einer Skalpellklinge Aesculap Nr. 10, die ich ohne Halter direkt mit den Fingern führe, entferne ich durch Schaben, nicht durch Schneiden, die Hornschicht, die am Fuss ja mehrere Millimeter dick ist. Kinder mache ich darauf aufmerksam, dass es nicht weh tut und dem Schneiden von Finger- oder Zehennägeln vergleichbar ist. Ich entferne Schicht um Schicht, bis punktförmige Blutungen auftreten oder der Patient sagt, dass er die Klinge spürt.
Die Kriterien für eine erfolgreiche Injektion sind: O Der Schrei oder das Zucken des Patien-
ten oder seine Mitteilung, dass er einen Schmerz verspürt hat. O Die Weissverfärbung der Warze durch die Injektion. Im ersten Moment wird das Blut durch den Druck der injizierten Flüssigkeit weggedrückt, und es sieht aus wie früher bei der intradermalen Injektion der Mantouxprobe. Nach etwa 10 Sekunden verfärbt sich die Warze wieder rot und beginnt allenfalls leicht zu bluten an der Injektionsstelle. O Durch die Weissverfärbung sieht man den Umfang, den die Injektion bestreicht. Bei grösseren Warzen muss an mehreren Orten gespritzt werden, bis die ganze Fläche sich weiss verfärbt hat. Selbstverständlich teilt man dem Patienten mit, dass nur die erste Injektion weh tut, da die Lösung unempfindlich macht. Nach erfolgreicher Injektion wird ein Heftpflasterverband angelegt, am Fuss zusätzlich befestigt durch eine Cofixbinde. Ich teile dem Patienten mit, dass der Verband nur wenige Stunden nötig ist und dass das Duschen erlaubt ist.
2. Injektionslösung Ich verwende eine Mischung von Bleomycin 15 mg oder 15 E Trockensubstanz, aufgelöst in 50 ml Lidocain 1%. Die Lösung darf nur 3 Monate verwendet werden und wird lichtgeschützt im Kühlschrank aufbewahrt.
3. Injektion mit Derma Jet Ich verwende den «Derma Jet de Docteur Krantz». Wichtig ist, dass der Kolben mit der Lösung darin mit aller Kraft zugedreht wird, da sonst ein Druckverlust entsteht, der dazu führt, dass die Wurzel der Warze nicht erreicht wird. Ich setze den Derma Jet direkt auf die abgeschabte Warze auf zur Injektion. Vorher mache ich den Patienten darauf aufmerksam, dass die Injektion Schmerzen machen muss, da sie sonst nicht wirksam ist. Das ist vor allem bei Kindern ganz wichtig.
4. Kontrollen und Nachbehandlung Meistens entsteht eine «Brandblase» an der Behandlungsstelle wie bei einer Verbrennung zweiten Grades. Am Fuss kann diese sehr schmerzhaft sein. Ist dies der Fall, entlaste ich nach zwei oder drei Tagen die Blase durch eine Inzision. Ich teile dem Patienten mit, dass die Warze schwarz werden muss, und dass sie erst nach zirka sechs Wochen verschwunden sein wird. So lange dauert es, bis die Wurzel der Warze durch das normale Wachstum der Haut abgeschilfert ist. Ist die Warze nach sieben Tagen nicht schwarz geworden, injiziere ich erneut und wenn möglich etwas tiefer. Wird die Injektion technisch korrekt ausgeführt, ist dies sehr selten notwendig. Durch dieses Prozedere verschwindet jede Warze. Ich kann es jedem Grundversorger wärmstens empfehlen.
Mit Ameisensäure dürfen nur Warzen an Händen und Füssen behandelt werden. Die Kryotherapie mit flüssigem Stickstoff wirkt ebenfalls sehr gut und ist der Anwendung von Salicylsäure tendenziell überlegen. Ziel ist es, einen etwa 2 mm grossen Eiskegel rund um die Warze zu erzeugen. Am besten wirkt diese Behandlung, wenn die Hornschicht zuvor mit einem Skalpell vorsichtig abgetragen wird. Im Vergleich zu Plazebo verbessert die Kryotherapie die Abheilung der Warze um 40 bis 45 Prozent (6). Durch die zweimalige Anwendung wird die Erfolgsrate erhöht. Auch die Kryotherapie birgt Risiken: Bei grossflächiger Anwendung kann die Behandlung mit dem flüssigen Stickstoff zu Brandblasen führen. Da die Kryotherapie schmerzhaft ist, wird sie bei kleinen Kindern nicht empfohlen.
Alternativmedizinische
und kuriose Therapien
Zur Behandlung von Warzen setzen manche Patienten auf alternativmedizinische Methoden, wie zum Beispiel homöopathische Präparate mit Thuja oder Schöllkraut. Auch mit Phytopharmaka wie zum Beispiel Rizinusöl oder unverdünnter Ringelblumentinktur machen manche Betroffene gute Erfahrungen. Eine Studie belegt, dass chinesische Heilkräuter in Kombination mit Retinoidsäure zu einer Abheilungsrate von 81 Prozent führen (10). Manche Patienten schwören auf das Aufkleben eines Stücks Zwiebel, Knoblauch, Apfel oder Zitrone mit einem Pflaster über Nacht. Andere lassen eine Nacktschnecke über die Warze kriechen. Ob diese Mittel den Warzen wirklich den Garaus machen oder nicht, lässt sich natürlich nur schwer nachweisen, weil sie ja auch von allein verschwinden. In den USA verwenden manche Patienten Duct Tape, ein sehr starkes Klebeband, welches beim Abreissen von der Haut wohl auch die Warzen stark reizt. Gegenüber Plazebo erzielt diese rabiate Methode, die wissenschaftlich untersucht wurde, tatsächlich gute Resultate (6).
Anwendungen
durch den Spezialisten
Bei therapieresistenten Warzen kann der Dermatologe eine Immuntherapie mit Diphenylcyclopropenon durch-
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führen. Die hochallergene Substanz führt bei 100 Prozent aller Patienten zu einem Kontaktekzem, und diese Entzündung in der Warze fördert die Abstossung durch das Immunsystem. Im Vergleich zu Plazebo ist die Wirkung 2,1-mal besser (6). Eine weitere Alternative ist das intraläsionale Spritzen von Bleomycin, das die Abheilung im Vergleich zu Plazebo aber nur leicht
fikant besser als die drei Alternativen, allerdings nur weil bei den anderen Gruppen, im Gegensatz zu sämtlichen oben erwähnten Studien, keine Warzen abheilten.
Fazit Warzen kommen in jeder Altersgruppe vor, jedoch am häufigsten bei Kindern. Rauchen erhöht die Rezidivrate signi-
In Anbetracht der hohen Spontanheilungsrate ist Abwarten bei gesunden Kindern und Erwachsenen immer eine gute Alternative.
verbessert (6). Die intraläsionale Verabreichung von Interferon ist hingegen nicht zu empfehlen, eine Wirkung konnte nie nachgewiesen werden.
Ein ganz anderer Ansatz Die medizinische Hypnosetherapie ist eine weitere Möglichkeit, Warzen loszuwerden. Eine Studie hat ihre Wirkung mit Plazebo, der Anwendung von Salicylsäure und der Option «keine Behandlung» verglichen (11). Nach sechs Wochen erzielte die Hypnosetherapie bei 60 Prozent der Patienten eine Abheilung der Warzen. Dies war signi-
fikant. Kündig zieht in seinem Vortrag folgendes Fazit: «Je mehr ich eine Warze quäle, desto eher wird sie abheilen.» Die besonders aggressiven Therapien erhöhen das Risiko für unerwünschte Wirkungen wie Läsionen oder Kälteblasen. In Anbetracht der hohen Spontanheilungsrate ist Abwarten bei gesunden Kindern und Erwachsenen immer eine gute Alternative. O
Susanna Steimer-Miller
Quelle: «Warzen – viele Optionen, was hilft», Vortrag an der Fortbildung «Dermatologie – anwendbares Wissen für Grundversorger», Dermatologische Klinik des Universitätsspitals Zürich, 29. Juni 2017.
Literatur: 1. Kilkenny M et al.: The prevalence of common skin con-
ditions in Australian school students. Br J Dermatol 1998; 139(5): 840–845. 2. Williams HC et al.: The descriptive epidemiology of warts in British schoolchildren. Br J Dermatol 1993; 128(5): 504–511. 3. Ordoukhanian E, Lane AT: Warts and molluscum contagiosum: beware of treatments worse than the disease. Postgrad Med 1997; 101(2): 223–226, 229–232, 235. 4. Johnson LW: Communal showers and the risk of plantar warts. J Fam Pract 1995; 40(2): 136–138. 5. Keefe M et al.: Cutaneous warts in butchers. Br J Dermatol 1994; 130(1): 9–14. 6. Kwok CS et al.: Topical treatments for cutaneous warts. Cochrane Database Syst Rev 2012; (9): CD001781. 7. Bruggink SC et al.: Monochloroacetic acid application is an effective alternative to cryotherapy for common and plantar warts in primary care: a randomized controlled trial. J Invest Dermatol 2015; 135(5): 1261–1267. 8. Faghihi G et al.: A double-blind, randomized trial of local formic acid puncture technique in the treatment of common warts. Skinmed 2010; 8(2): 70–71. 9. Bhat RM et al.: Topical formic acid puncture technique for the treatment of common warts. Int J Dermatol 2001; 40(6): 415–419. 10. Wang Y et al.: Observations on the efficacy of Chinese herbal medicine and 0.1% retinoic acid cream in the treatment of verruca planta. Chin J Dermatol Venereol 2002; 16(5): 315–316. 11. Spanos NP et al.: Effects of hypnotic, placebo, and salicylic acid treatments on wart regression. Psychosom Med 1990; 52(1): 109–114.
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