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POLITFORUM
Xundheit in Bärn
INTERPELLATION vom 9.3.2017
Nationales Konzept Seltene Krankheiten
Yvonne Feri Nationalrätin SP Kanton Aargau
Ich bitte den Bundesrat, folgende Fragen in Bezug auf das Konzept Seltene Krankheiten zu beantworten: 1. Im Herbst 2015 hat der Bundes-
rat das Konzept Seltene Krankheiten vorgestellt, im Frühling danach folgte ein Umsetzungsplan mit 19 Massnahmen. Wie viele dieser Massnahmen wurden bis heute konkret umgesetzt? 2. Gemäss dem Umsetzungsplan müssten alle Massnahmen bis
spätestens Ende dieses Jahres umgesetzt sein. Wird dieses Ziel erreicht, und wenn nicht, wie sieht die neue Planung aus? 3. Von verschiedener Seite wird das Bottom-up-Prinzip kritisiert. Der Bund habe zwar ein Massnahmenpaket präsentiert, die Umsetzung schiebe man aber an verschiedene Akteure ab. Welche Rolle nimmt der Bund in der konkreten Umsetzung des Projekts ein? Und müsste diese nicht allenfalls verstärkt werden? 4. Kritisiert wird auch, dass die Finanzierung der verschiedenen Massnahmen nicht geklärt ist. Welche Gelder kann und will er hier zur Verfügung stellen?
5. Die Kantone müssen gemäss dem Massnahmenplan kantonale Koordinatoren für seltene Krankheiten einsetzen sowie Informationsplattformen zur Verfügung stellen. Gemäss Aussagen der GDK wurde hier noch nichts umgesetzt, da zuerst die Frage betreffend Netzwerke und Referenzzentren geklärt werden sollte. Ist er gewillt, hier die Kantone aufzufordern, diese beiden Massnahmen so schnell wie möglich konkret anzupacken?
6. Die Umsetzung der Massnahmen scheint noch viel Zeit in Anspruch zu nehmen. Zeit ist jedoch etwas, was viele Patienten mit seltenen Krankheiten nicht haben. Wie steht er zu
Sofortmassnahmen, um dringende Punkte abzufedern? Namentlich wären das: Streitigkeiten um Kostenübernahmen: Der Bund ernennt eine Rekursinstanz für Streitigkeiten bei Kostenübernahmen zwischen Patienten (medizinische Vertreter) und den Versicherungen. Fonds für Härtefälle: Der Bund richtet einen Fonds ein für umstrittene Kostengutsprachen, sodass zum Beispiel eine angeforderte Therapie unter gewissen medizinischen Voraussetzungen bereits begonnen werden kann. Rechtliche, finanzielle, betreuerische und sonstige Fragen: Der Bund erteilt ein Mandat an eine bestehende Organisation, welche Patienten mit einer seltenen Krankheit und deren Angehörigen kostenlos Auskünfte erteilt.
Stellungnahme des Bundesrates vom 2.6.2017
1. Die Massnahmen, Rollen und Zuständigkeiten, um vom im Nationalen Konzept Seltene Krankheiten beschriebenen Ist-Zustand zum Soll-Zustand zu gelangen, sind Gegenstand der Umsetzungsplanung Nationales Konzept Seltene Krankheiten. Diese Umsetzungsplanung wurde am 13. Mai 2015 vom Bundesrat verabschiedet. Sie umfasst vier Projekte (mit insgesamt 19 Massnahmen): 1. Referenzzentren, Patienten-
Unterstützung, Register und Kodierungssysteme 2. Kostenübernahme 3. Information, Einbindung der Patientenorganisationen; und 4. Ausbildung und Forschung. Alle Unterlagen sind abrufbar unter www.bag.admin.ch > Themen > Mensch & Gesundheit > Seltene Krankheiten.
1./2. Die Umsetzung der Massnahmen ist im Gange, und es konnten dabei konkrete Fortschritte erzielt werden. Die Sensibilisierung der betroffenen Akteure und der breiteren Öffentlichkeit zeigt Wirkung. Dreh- und Angelpunkt des Nationalen Konzepts Seltene Krankheiten ist die Bezeichnung von Referenzzentren. Viele Massnahmen hängen direkt davon ab. Die konkrete Bezeichnung von krankheits-(gruppen-)spezifischen Versorgungsnetzwerken und Referenzzentren (für anspruchsvolle Abklärungen und Behandlungen) hat sich allerdings aufgrund der notwendigen und schliesslich erfolgreichen Überzeugungsarbeit bei einer Reihe betroffener Stakeholder verzögert. Der per Ende 2017 geplante Abschluss aller mit der Schaffung von Referenzzentren
zusammenhängenden Massnahmen wird sich dadurch um rund zwei Jahre verzögern. Die Gründung einer Nationalen Koordination Seltene Krankheiten (Kosek) steht bevor. Es handelt sich um eine Koordinationsinstanz der Stakeholder (unter anderem die GDK, Pro Raris, SAMW, Unimedsuisse). Sie wird Rahmenbedingungen für Referenzstrukturen setzen und das Anerkennungsverfahren für Plattformen, Versorgungsnetzwerke und Referenzzentren für seltene Krankheiten festlegen. Eine erste Pilotphase ist für 2018 und die Implementierung des Anerkennungsprozesses ab 2019 geplant. Die nicht mit den Referenzzentren zusammenhängenden Massnahmen sind weitgehend auf Kurs und dürften planmässig bzw. mit bloss geringer Verzöge-
rung umgesetzt werden. Die Überarbeitung der Verordnung über Geburtsgebrechen ist im Gange. Sie soll gleichzeitig mit den Umsetzungsverordnungen zur Weiterentwicklung der Invalidenversicherung in Kraft treten. 3./4. Die Zuständigkeiten für die im Konzept aufgeführten Bereiche sind grösstenteils zwischen Bund und Kantonen aufgeteilt. Entsprechend wurde bei der Ausarbeitung der Umsetzungsplanung der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen nachgelebt. Die Finanzierung der Massnahmen verbleibt daher bei jedem dafür zuständigen Akteur. Dieser stellt die nötigen Mittel für die von ihm unternommenen Umsetzungsaktivitäten selbst bereit. Dies ist der Grund für das Bottom-up-Prinzip. Der Bund leistet Koordinations- und Sensi-
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ARS MEDICI 21 I 2017
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Stellungnahme des Bundesrates vom 2.6.2017
bilisierungsarbeiten, die sich als unerlässlich erwiesen haben. 5. Die Kantone sind in die Umsetzung der Nationalen Strategie Seltene Krankheiten eingebunden, unterstützen diese und bringen sich konkret ein. Die Umsetzung der Massnahme betreffend die kantonalen Koordinatoren steht in engem Zusammenhang
mit der Bezeichnung und Schaffung von Referenzzentren und kann daher nicht isoliert angegangen werden. Bund, Kantone und ProRaris arbeiten gemeinsam an effizienten Lösungen, um in den Kantonen auf die Bedürfnisse von Menschen mit seltenen Krankheiten zugeschnittene Orientierungsmöglichkeiten anzu-
bieten. Dabei wird die Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen zu berücksichtigen sein. 6. Der Bundesrat kann keine Sofortmassnahmen an die Hand nehmen, welche die Zuständigkeiten des Bundes überschreiten. Dies betrifft insbesondere den vorgeschlagenen Fonds für Härtefälle und die kostenlose Pa-
tientenbetreuung. Zudem hat der Bundesrat bereits in seiner Stellungnahme zur Motion Pfister Gerhard «Geburtsgebrechen und schwere Erkrankungen bei Kindern. Trennung von Behandlungs- und Finanzierungsentscheid» festgehalten, dass für die Sofortmassnahmen keine rechtlichen Grundlagen bestehen.
MOTION vom 16.3.2017
Thomas Weibel Nationalrat GLP Kanton Zürich
Bagatellen gehören nicht in den Spitalnotfall
Die Interpellation von Thomas Weibel haben wir in ARS MEDICI 10/17 vorgestellt.
Stellungnahme des Bundesrates vom 24.5.2017
Die Leistungen, welche die Spitäler ambulant erbringen, haben insbesondere deshalb zugenommen, weil Behandlungen, die früher mit einem stationären Spitalaufenthalt verbunden waren, heute ambulant im Spital durchgeführt werden. Diese Verschiebung von stationären zu ambulanten Spitalbehandlungen ist zu begrüssen, denn sie führt insgesamt auch zu Einsparungen. Ein kleiner Teil der Zunahme dürfte
aber tatsächlich auch aufgrund zusätzlicher Notfallaufnahmen entstanden sein. Der Bundesrat versteht das Anliegen der Motion, einen finanziellen Anreiz zu schaffen, damit die Versicherten sich bei Bagatellen nicht an die Notfallaufnahme eines Spitals wenden. Der Antrag des Motionärs würde jedoch mit sich bringen, dass in der Praxis zwischen echten und unechten Notfällen unterschieden werden
muss, weil die Massnahme nur bei letzteren angewendet werden soll. Es dürfte jedoch viele Fälle geben, bei denen medizinisch umstritten ist, ob es angemessen war, eine Notfallstation aufzusuchen. Für viele Patientinnen und Patienten dürfte es schwierig sein, diese Frage zu beurteilen. Zudem kann es später zu höheren Kosten führen, wenn Versicherte aus finanziellen Gründen auf eine Behandlung verzichten, statt zum Hausarzt zu gehen. Für die Versicherer würde es einen
unverhältnismässigen Verwaltungsaufwand bedeuten, wegen einer Kostenbeteiligung ein Verfahren zur Frage, ob ein echter Notfall vorlag, durchführen zu müssen. Eine Ausnahme für echte Notfälle wäre deshalb kaum umsetzbar. Aus den genannten Gründen lehnt der Bundesrat die Einführung der beantragten Kostenbeteiligung ab.
ARS MEDICI 21 I 2017
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