Transkript
EDITORIAL
wie intelligent die Person aussieht, ob sie attraktiv ist und wie alt sie ist. Eine zweite Gruppe zeigte an, bei welchem Gesicht sie mehr über die Forschung der Person wissen wollte, und bei wem sie das Gefühl hatte, dass dessen Forschung gut und wichtig ist («guter Forscher»). In einem weiteren Schritt wurden die bewerteten Gesichter in reale Berichte von Forschungsnews montiert und erneut begutachtet.
Gesicht entscheidet Wissenschaftsdebatte
C’est le ton qui fait la musique? Nicht immer. Das Gesicht trägt bekanntlich entscheidend zum ersten Eindruck bei. Und dieser entscheidet auch dann mit, wenn der Laie über Glaubwürdigkeit und Wichtigkeit eines präsentierten wissenschaftlichen Inhalts entscheiden muss. Die öffentliche Meinung wird so mitgeprägt. Welche Themen in der Öffentlichkeit diskutiert werden, hängt nicht nur von deren Inhalten ab, sondern auch von der Person, die sie transportiert. Wissenschaftler sind zunehmend angehalten, sich in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen und ihre Forschung zu erklären. In Zeitungsartikeln, Fernsehinterviews, auf Websites, in Onlinevideos et cetera. Das funktioniert aber nicht immer gleich gut. Eine britische Forschergruppe fand heraus, dass das Gesicht bei einem wissenschaftlichen Vortrag entscheidend dazu beiträgt, ob die Forschung als «interessant» gilt, der Forscher selbst «interessant aussieht» und schliesslich als «guter Forscher» angesehen wird. Das entscheiden drei Kriterien, die von dem Gesicht abgelesen werden: Kompetenz, Freundlichkeit, Glaubwürdigkeit. Auf der Suche nach den überzeugendsten Gesichtszügen, wurden Laien je 200 Gesichter von Forschern aus humanbiologischen Disziplinen und der Physik aus amerikanischen und britischen Universitäten vorgelegt. Eine Gruppe der Betrachter musste beurteilen,
Entweder Aufmerksamkeit oder Qualität Die Resultate erstaunen, denn je nach dem erzeugen dieselben Eigenschaften gegenteilige Wahrnehmungen: Forscher, die aufgrund ihres Gesichts kompetent, glaubwürdig und attraktiv wirken, erhalten mit ihrer Forschung mehr Aufmerksamkeit. Forscher, die kompetent, glaubwürdig, aber als weniger umgänglich und als unattraktiv taxiert werden, gelten dagegen als die «besseren Forscher». Wenn es also darum geht, eine wissenschaftliche Botschaft zu transportieren, sollten Sie demnach in jedem Fall kompetent wirken und Freundlichkeit und Attraktivität Ihrer Zielsetzung anpassen: Aufmerksamkeit erzielen oder Qualität ausstrahlen. Dass wissenschaftliche Erkenntnisse in der Laienpresse diskutiert werden, ist wichtig und trägt zur Meinungsbildung in Belangen bei, die nicht in einem Satz erklärt werden können, über die das Laienpublikum aber mitbestimmen muss. Beispiele gibt es genügend: Gentechnik, embryonale Präimplantationsdiagnostik, Organtransplantation, Impfungen, Ärztestopp ... Da ist es sinnvoll, wenn wissenschaftliche Inhalte nicht nur gut erforscht, sondern auch gut «verkauft» werden, um das Gewicht zu erhalten, das sie verdienen.
Valérie Herzog
Gheorghiu AI et al.: Facial appearance affects science communication. PNAS 2017; 114: 5970–5075.
ARS MEDICI 21 I 2017
937