Transkript
Eisenmangel erschwert das Leben
Substitution ist sinnvoll
BERICHT
Fast die Hälfte der Herzinsuffizienzpatienten hat einen Eisenmangel – das hat Einfluss auf Morbidität und Mortalität. Eine intravenöse Substitution ist daher sinnvoll, eine orale dagegen eher weniger, wie am gemeinsamen SGK/SGHC-Kongress in Baden AG zu erfahren war.
Valérie Herzog
Als ursächlich für einen Eisenmangel gelten eine gestörte Eisenabsorption, eine verminderte Eisenfreisetzung aus den Speichern oder verborgene chronische Blutungen vor allem bei antikoagulierten Patienten. Die Konsequenzen eines Eisenmangels auf die Skelettmuskeln sind gravierend (1), die Leistungsintoleranz wird durch die mito-
die Alltagsaktivitäten. Auf die Mortalität hat der Eisenmangel ebenfalls Einfluss, wie eine internationale gepoolte Analyse aus Daten von 1506 Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz ergab (2): Das Gesamtüberleben von Patienten mit Eisenmangel war nach 8 Jahren Beobachtungszeit signifikant tiefer als bei jenen ohne Eisenmangel.
Eine Eisensubstitution verbessert die NYHA-Klasse bei anämischen und nicht anämischen Patienten.
chondriale Dysfunktion der peripheren Myopathie und der Anämie zusätzlich verstärkt. Bei einer Herzinsuffizienz führt eine periphere Myopathie zu einem Teufelskreis. Mit sinkender Herzleistung und Dyspnoe nimmt der Sauerstoffnachschub ab, der zusammen mit dem Eisenmangel die Muskeln atrophieren lässt, was zu einer verminderten Mobilität führt. Von einem absoluten Eisenmangel bei Gesunden spricht man bei einem Ferritin < 20 µg/L bei Frauen respektive < 30 µg/L bei Männern. Ist eine chronische Erkrankung im Spiel, gelten Ferritinwerte von < 100 µg/L für Männer und Frauen. Ein funktioneller Eisenmangel entspricht einem Ferritinwert von < 300 µg/L plus einer Transferrinsättigung (TSAT) von < 20 Prozent. Einfluss auf Morbidität und Mortalität In der Schweizer Herzinsuffizienzkohorte des EVITA-RAID-Registers haben von 223 Herzinsuffizienten 36 Prozent einen absoluten Eisenmangel und 18 Prozent einen funktionellen Eisenmangel. Insgesamt hat ein Eisenmangel einen signifikanten Einfluss auf die Morbidität, betreffend Verschlechterung der Herzinsuffizienz, und Von einem Eisenmangel bei Herzinsuffizienz sind mehr Frauen betroffen, mehr Patienten im NYHA-Stadium III–IV und mehr Patienten mit höheren BNP- und CRP-Werten (3). Auch der Hämoglobinwert (Hb) ist ein unabhängiger Mortalitätsprädiktor: Unterhalb und oberhalb eines Hb-Wertes zwischen 14,5 und 15,4 g/dl stieg das Mortalitätsrisiko in der ELITE-IIStudie an (4). Zwei mögliche Behandlungswege «Eine Eisensubstitution ist sinnvoll, das zeigten verschiedene Studien. Sie erhöht die Hämoglobinkonzentration bei anämischen Patienten, verbessert die NYHA-Klasse bei anämischen und nicht anämischen Patienten, steigert die maximale Sauerstoffaufnahmekapazität, den NT-BNP-Wert wie auch die Kreatininclearance», erklärte Dr. Annina Vischer, Medizinische Poliklinik, Universitätsspital Basel. Die FAIR-HF-Studie liefert die Evidenz: Herzinsuffizienzpatienten der NYHA-Klasse II und III mit einem Hb-Wert von 9,5 bis 13,5 g/dl und einem Ferritinwert von < 100 ng/mL oder < 300 ng/mL bei TSAT < 20 Prozent erhielten Eisencarboxymaltose 200 mg intravenös alle 4 Wochen versus Plazebo. In der Ve- rumgruppe kam es zu einer Verbesserung bezüglich NYHA-Klasse, 6-Minuten-Geh- test und Lebensqualität. Der Hb-Wert stieg ebenfalls an, korrelierte aber nicht mit der klinischen Verbesserung (5). In der CONFIRM-HF-Studie bestätigte sich die Zunahme der Leistungskapazität im 6-Mi- nuten-Gehtest. Fatigue und Rehospitalisie- rungsrate nahmen unter der Eisentherapie ebenfalls ab (6). Gemäss einer Metaanalyse über 5 Eisencarboxymaltosestudien sind die Resultate konsistent, der Effekt auf die Ge- samtmortalität wie auch auf die kardiovas- kuläre Mortalität bleibt jedoch neutral (7). Während die intravenöse Eisensubstitution einen klaren Nutzen bringt, erbrachte die orale Substitution mit Eisenpolysaccharid gemäss der kürzlich publizierten IRONOUT- HF-Studie (siehe auch Seite 966 in dieser Ausgabe von ARS MEDICI) für herzinsuf- fiziente Patienten keinen signifikanten Vorteil bezüglich Leistungskapazität und Lebensqualität (8). Der Behandlungsalgorithmus sehe daher bei Herzinsuffizienzpatienten bei diagnosti- ziertem Eisenmangel gemäss dem Studien- design von FAIR-HF und CONFIRM-HF zwei Varianten vor, so Vischer. Eine wö- chentliche Aufdosierung mit 200 mg Eisen- carboxymaltose, bis sich die Ferritin- be- ziehungsweise TSAT-Werte erholt haben, gefolgt von einer Erhaltungstherapie von 200 mg alle 4 Wochen. Die zweite Variante beinhaltet eine einmalige Aufdosierung mit 500 bis 1000 mg und nach 1 bis 3 Mona- ten, wenn sich die Werte erholt haben, eine erneute einmalige Erhaltungsdosis von 500 mg. Ferritin, TST und Hb sollten dabei ein- bis zweimal im Jahr kontrolliert wer- den (9). O Valérie Herzog Quelle: «The role of iron treatment in heart failure». Gemeinsame Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaften für Kardiologie (SGK) und für Herz- und Thorakale Gefässchirurgie (SGHC), 7. bis 9. Juni 2017, Baden AG. Literatur unter www.arsmedici.ch ARS MEDICI 21 I 2017 953 BERICHT Referenzen: 1. Stugiewicz M et al.: The influence of iron deficiency on the functioning of skeletal muscles: experimental evidence and clinical implications. Eur J Heart Fail 2016; 18: 762–773. 2. Klip IT et al.: Iron deficiency in chronic heart failure: an international pooled analysis. Am Heart J 2013; 575–582. 3. Jankowska EA et al.: Iron deficiency: an ominous sign in patients with systolic chronic heart failure. Eur Heart J 2010; 31: 1872–1880. 4. Sharma R et al.: Haemoglobin predicts survival in patients with chronic heart failure: a substudy of the ELITE II trial. Eur Heart J 2004; 25: 1021–1028. 5. Anker SD et al.: N Engl J Med 2009; 361: 2436–2448. 6. Ponikowski P et al.: Beneficial effects of longterm intravenous iron therapy with ferric carboxymaltose in patients with symptomathic heart failure and iron deficiency. Eur Heart J 2015; 36: 657–668. 7. Jankowska EA et al.: Effects of intravenous iron therapy in iron-deficient patients with systolic heart failure: a meta-analysis of randomized controlled trials. Eur J Heart Fail 2016; 18: 786–795. 8. Lewis GD et al.: Effect of Oral Iron Repletion on Exercise Capacity in Patients With Heart Failure With Reduced Ejection Fraction and Iron Deficiency: The IRONOUT HF Randomized Clinical Trial. JAMA 2017; 317: 1958–1966. 9. McDonagh T et al.: Iron therapy for the treatment of iron deficiency in chronic heart failure: intravenous or oral? Eur J Heart Fail 2015; 17: 248–262. ARS MEDICI 21 I 2017