Transkript
WAS WURDE AUS …
Was plant die Preisträgerin 2017 Dr. Dr. Mojca Frank-Bertoncelj?
Wie sich molekulare Unterschiede in den Gelenken auf die Behandlung von Arthritis auswirken können
Arthritis ist durch eine charakteristische Krankheitspathologie in spezifischen Gelenken gekennzeichnet. Die einzelnen Gelenke unterscheiden sich dabei hinsichtlich der Ausprägung der Erkrankung. Dies kann durchaus Auswirkungen auf das Ansprechen einer Behandlung haben. Welche Mechanismen dieser Tatsache zugrunde liegen, ist jedoch bis anhin weitestgehend ungeklärt. Aus diesem Grund plant Dr. Dr. Mojca Frank-Bertoncelj die Durchführung eines Forschungsprojekts zu gelenkspezifischen Unterschieden bei rheumatoider Arthritis. Damit sie diese Arbeit umsetzen kann, erhielt sie im Rahmen des diesjährigen SGR/SSR-Kongresses in Interlaken den AbbVie Rheumatology Grant 2017.
Arthritis ist eine Entzündung der Gelenke, die zumeist mit Gelenkschmerzen, Schwellungen und Gelenkversteifungen einhergeht. Jedes Jahr entwickeln etwa 80 bis 100 von 100 000 Erwachsenen eine entzündliche Arthri-
AbbVie Rheumatology Grant
Der AbbVie Rheumatology Grant fördert innovative und zukunftsorientierte Projekte in den Bereichen Rheumatologie und klinische Immunologie. Der Forschungspreis ist für junge Wissenschaftler bestimmt und mit 50 000 Franken dotiert. Selbst in verschiedenen Therapiegebieten forschend, startete AbbVie dieses Förderprojekt mit der Einführung von Humira® vor 14 Jahren.
Jedes Jahr hat seither eine unabhängige Jury die Aufgabe, aus einer Reihe von vielversprechenden Projekten dasjenige auszuwählen, welches gefördert werden soll. ARS MEDICI hat sich in den letzten Ausgaben damit beschäftigt, was aus ausgezeichneten Projekten vergangener Jahre entstanden ist (siehe www.arsmedici.ch, Rubrik «Was wurde aus»). Mit der Vorstellung der diesjährigen Gewinnerin endet die Serie.
tis, wobei etwa 0,5 bis 1 Prozent der Gesamtbevölkerung an rheumatoider Arthritis erkrankt (1, 2). Bei den meisten Formen von Arthritis sind jeweils mehrere Gelenke betroffen, sodass ein unverwechselbares topografisches Muster der Gelenkbeteiligung zu beobachten ist (3). Mojca Frank-Bertoncelj möchte in ihrem Forschungsprojekt «Gelenkspezifische Unterschiede in der Aktivierung des IL-6- und JAK-STATSignalwegs bei rheumatoider Arthritis» untersuchen, welche Faktoren für diese gelenkspezifischen Muster verantwortlich sind. Um dieses Projekt umsetzen zu können, wurde ihr im Rahmen des diesjährigen SGR/SSR-Kongresses in Interlaken der AbbVie Rheumatology Grant 2017 verliehen.
Einzigartiges molekulares Profil
in jedem Gelenk
Die geplante Forschungsarbeit basiert auf einer Studie über das molekulare und funktionale Profil von synovialen Fibroblasten (3). Synoviale Fibroblasten sind Bindegewebszellen des Synoviums, der inneren Schicht der Gelenkkapsel. Sie sind zentrale Effektorzellen der Gelenkentzündung und -zerstörung bei Arthritis und produzieren eine Vielzahl von entzündlichen und gelenkzerstörenden Molekülen. Vergleicht man
synoviale Fibroblasten aus verschiedenen Gelenken, zeigen diese jeweils ein gelenkspezifisches Transkriptom und Epigenom (3). Diese molekularen Unterschiede führen zu einer einzigartigen Mikroumgebung in jedem Gelenk. Zu den gelenkspezifisch veränderten Signalwegen in synovialen Fibroblasten zählen auch einzelne Komponenten der IL-6- und JAK-STAT-Signalwege (3, 4). Bei diesen Signalwegen handelt es sich um wichtige therapeutische Angriffspunkte in der Behandlung von rheumatoider Arthritis.
JAK-STAT-Signalweg im Fokus In der aktuellen Studie von Frank-Bertoncelj werden synoviales Gewebe sowie synoviale Fibroblasten aus Knie, Schulter- und Handgelenken von Patienten mit rheumatoider Arthritis untersucht. In einem ersten Schritt sollen Gene identifiziert werden, die sich in ihrer Expression zwischen den verschiedenen Gelenken unterscheiden. Der Fokus liegt dabei auf Komponenten des JAK-STAT-Signalwegs. Anschliessend wird die Aktivität des Signalwegs näher untersucht. Dies ist entscheidend, um im letzten Schritt eine Aussage über die gelenkspezifische Antwort auf eine Behandlung mit IL-6und JAK-Inhibitoren zu machen.
Gezielte Therapieanpassung Letztlich könnte es mit dieser Forschungsarbeit möglich sein, anhand des gelenkspezifischen Profils bereits im Voraus das Ansprechen auf eine Behandlung abzuschätzen. Dies könnte eine gezielte Anpassung der Therapie anhand des topografischen Musters der betroffenen Gelenke ermöglichen. O
Christin Döring
Literatur unter www.rosenfluh.ch
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ARS MEDICI 20 I 2017
WAS WURDE AUS …
NACHGEFRAGT
Dr. Dr. Mojca Frank-Bertoncelj ist am Zentrum für Experimentelle Rheumatologie der Klinik für Rheumatologie des Universitätsspitals Zürich als Wissenschaftlerin tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Synovialbiologie und Epigenetik. Die dem Projekt zugrunde liegende Arbeit wurde 2015 mit dem EULAR Abstract Award ausgezeichnet. Sie war bereits als gewähltes Mitglied der Arbeitsgruppe und als Landesvertreterin für Slowenien im Emerging EULAR Network (EMEUNET) tätig, einem professionellen Netzwerk für junge Kliniker und Forscher im Bereich Rheumatologie in Europa. Darüber hinaus fungiert sie als Gutachterin bei einer Reihe von internationalen Peer-Review-Zeitschriften.
Was erwarten Sie von den Studienergebnissen für die klinische Praxis?
Dr. Dr. Mojca Frank-Bertoncelj: Wir wissen von den Erfahrungen unserer Kollegen aus der Klinik, dass bei Arthritispatienten die Erkrankung trotz Ansprechen auf die Behandlung in einigen Gelenken aktiv bleiben kann. Wenn man berücksichtigt, dass sich der JAK-STAT-Signalweg zwischen den verschiedenen Gelenken un-
terscheidet, könnte dies eine der Ursachen sein. Im Rahmen der Studie wollen wir spezifische Komponenten des Signalwegs identifizieren, die in den jeweiligen Gelenken besonders aktiv sind. Die gezielte Hemmung dieser Komponenten wäre ein Ansatz für die Entwicklung neuer Medikamente. Für mich persön-
lich ist das eine grosse Motivation, da ich mich mit diesem Projekt von meiner bisherigen Grundlagenforschung in Richtung der klinischen Forschung und Medikamentenentwicklung weiterentwickeln möchte. Ohne die Unterstützung durch den AbbVie Rheumatology Grant wäre mir dies nicht möglich. Tofacitinib und Baricitinib sind die zwei zugelassenen Januskinase-Inhibitoren für die Behandlung von rheumatoider Arthritis. Diese sind jedoch nicht spezifisch für eine bestimmte Januskinase, sondern hemmen mehrere Kinasen aus dieser Proteinfamilie. Vermutlich sind aber nicht in jedem Gelenk alle Januskinasen in den Krankheitsprozess involviert. Am Ende unserer Studie werden wir wissen, in welchem Gelenk welche Komponenten des JAK-STAT-Signalwegs beteiligt sind. Dementsprechend könnte bei jedem Patienten ein jeweils passender Inhibitor eingesetzt werden. Man würde also je nach betroffenem Gelenk die Therapie bereits im Voraus gezielt auswählen oder im Laufe der Behandlung entsprechend anpassen. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Behandlung von rheumatoider Arthritis, sondern spielt möglicherweise auch für andere Erkrankungen eine Rolle. Bei Morbus Crohn und Psoriasis werden aktuell ebenfalls Januskinase-Inhibitoren in klinischen Studien untersucht. Da beide Krankheiten eine ortsspezifische Beeinträchtigung des Zielgewebes zeigen, könnte auch in diesen Fällen je nach betroffenem Gewebe ein passender Inhibitor eingesetzt werden.
Referenzen: 1. Ledingham J, Snowden N and Ide Z.: Diagnosis and
early management of inflammatory arthritis. BMJ 2017; 358: p. j3248. 2. Scott DL, Wolfe F and Huizinga TW: Rheumatoid arthritis. Lancet 2010; 376 (9746): 1094–1108.
3. Frank-Bertoncelj M et al.: Epigenetically-driven anatomical diversity of synovial fibroblasts guides jointspecific fibroblast functions. Nature Communications 2017; 8: 14852.
4. Ai R et al.: Joint-specific DNA methylation and transcriptome signatures in rheumatoid arthritis identify
distinct pathogenic processes. Nature communications 2016; 7: 11849.
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