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EDITORIAL
Therapie online?
In den Niederlanden hat sich eine onlinebasierte Verhaltenstherapie beispielsweise gerade bei Frauen bewährt, die nach Brustkrebserkrankung eine schwere Fatigue entwickelten. Während die eine Hälfte der Studienteilnehmerinnen in Anlehnung an die reale Ressourcenknappheit ein halbes Jahr lang auf eine klassische Behandlung wartete, erhielten die Teilnehmerinnen der anderen Gruppe bereits eine modifizierte achtsamkeitsbasierte KVT-Intervention. Dabei trafen sie ihren Therapeuten in drei Sitzungen persönlich, alles Weitere erfolgte per Computer. Knapp drei Viertel der Patientinnen in der Interventionsgruppe erzielten eine klinisch relevante Verbesserung, 85 Prozent fühlten sich nach eigenen Angaben besser als zuvor.
Was kann man heute nicht alles von daheim aus erledigen: Freunde bei Facebook treffen, mit ihnen chatten oder skypen, Netflix ersetzt das Kino, und anstelle des Einkaufs in diversen Geschäften kommt einfach alles von Amazon, Zalando & Co. direkt nach Hause, zur Not auch über Nacht. Selbst eine Arztkonsultation kann bereits online beziehungsweise telemedizinisch erfolgen – solange es nicht um einen Notfall geht.
Wie aber sieht es mit psychotherapeutischen Interventionen aus? Kann man auch da auf den persönlichen Kontakt verzichten? Menschen, die im Alltag unter sozialen Phobien, Depressionen oder Zwängen leiden, könnten von einer kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) profitieren – wenn sie sich denn überhaupt vorstellen könnten, einen Therapeuten aufzusuchen und dann auch noch innert nützlicher Frist einen Termin erhielten. Immer mehr Daten zeigen nun, dass eine internetbasierte Intervention eine erste Massnahme darstellen kann und der Therapeut, zumindest teilweise, nicht mehr nötig ist. Und das nicht nur bei den klassischen Indikationen.
Das Potenzial von Onlinetherapien ist auch in der Schweiz Thema. In Bern beispielsweise widmet sich am Institut für Psychologie eine vom Schweizer Nationalfonds finanzierte Professur der Erforschung neuer Medien in der Behandlung und Prävention psychischer Erkrankungen. Informationen dazu gibt es unter www.online-therapy.ch, dort werden sowohl Betroffene als auch interessierte Therapeuten für Studien zu verschiedenen Krankheitsbildern gesucht. Und im November dreht sich an der Fachtagung der Schweizer Psychologinnen und Psychologen alles um Chancen und Herausforderungen der Psychologie im Internet. Schon jetzt sind Plattformen, die die von der Föderation der Schweizer Psychologinnen und Psychologen (FSP) eigens entwickelten Qualitätskriterien für Onlinetherapien einhalten, am FSP-Logo zu erkennen. Beruhigend, dass sich Experten des Themas annehmen und nicht allein Algorithmen von Facebook & Co. in Zukunft über suizidale Tendenzen und die richtigen Massnahmen entscheiden ...
Christine Mücke
Abrahams HJG et al.: The efficacy of internet-based cognitive behavioral therapy for severely fatigued survivors of breast cancer compared with care as usual: a randomized controlled trial. Cancer 2017; DOI: 10.1002/cncr.30815.
ARS MEDICI 19 I 2017
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