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STUDIE REFERIERT
Testosteron verbessert Sexualfunktion bei hypogonadalen Männern
In einer Metaanalyse verbesserte eine Testosteronbehandlung bei Männern mit Hypogonadismus signifikant die erektile Dysfunktion und andere Aspekte der Sexualfunktion. Von einer Anwendung des Testosterons als LifestyleDroge raten die Studienexperten jedoch ausdrücklich ab.
European Urology
Im Rahmen des Alterungsprozesses kann es zu einer Abnahme des Testosteronserumspiegels bis unter die Normalwerte jüngerer Männer kommen. Des Weiteren treten häufig Symptome wie Energiemangel oder sexuelle Probleme auf. Ob diese Beschwerden durch das Absinken des Testosteronspiegels oder durch den natürlichen Alterungsprozess verursacht werden, ist nicht bekannt. Dennoch erhalten viele ältere Männer zur Behandlung Testosteronpräparate. Die Food and Drug Administration (FDA) weist in einer Drug Safety Communication darauf hin, dass der Nutzen und die Sicherheit von Testosteron bei ausschliesslich altersbedingtem Testosteronmangel bis anhin nicht schlüssig nachgewiesen werden konnten.
Metaanalyse
In Studien zur Wirksamkeit von Testosteron bei sexuellen Funktionsstörungen wurden widersprüchliche Ergebnisse beobachtet. Diese resultieren möglicherweise unter anderem aus der Anwendung unterschiedlicher Instrumente zur Evaluierung der Behand-
lungsergebnisse. Giovanni Corona vom Maggiore-Bellaria Hospital in Bologna (Italien) und seine Arbeitsgruppe untersuchten deshalb nun in einer neuen Metaanalyse (2) die Wirksamkeit der Testosterontherapie bei hypogonadalen Männern unter einheitlicher Verwendung des International Index of Erectile Function (IIEF) als primärem Endpunkt. Die Forscher schlossen 14 randomisierte, kontrollierte Studien mit 2298 Patienten in ihre Metaanalyse ein. In allen ausgewerteten Studien wurde die Wirksamkeit einer Testosterontherapie mit Plazebo verglichen. Die durchschnittliche Beobachtungszeit betrug 40,1 Wochen. Das durchschnittliche Alter der Teilnehmer lag bei 60,2 ± 6,5 Jahren. In fast allen Studien (12 von 14) wurde die Wirksamkeit der Testosterontherapie bei Männern mit Hypogonadismus untersucht. Die Gesamttestosteronspiegel zu Baseline lagen in 7 Studien unter 12 nmol/l und in 5 Studien unter 8 nmol/l. Das Testosteron wurde in verschiedenen Dosierungen und Darreichungsformen (oral, intramuskulär, transdermal) appliziert.
MERKSÄTZE
O Bei symptomatischen hypogonadalen Männern verbessert eine Testosteronbehandlung die erektile Dysfunktion und andere sexuelle Beschwerden.
O Die Verbesserung erfolgt unabhängig vom Alter und vom IIEF-Skalenwert bei Behandlungsbeginn.
O Bei Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes und Adipositas ist die Wirkung weniger stark ausgeprägt.
Ergebnisse
In der Auswertung des IIEF-EF (EF = erektile Funktion) zeigte sich, dass die Testosterontherapie die erektile Dysfunktion im Vergleich zu Plazebo signifikant verbesserte. Die durchschnittliche Differenz auf der IIEF-EF-Skala betrug 2,31 (1,41; 3,22; p < 0,0001). Bei Patienten mit ausgeprägterem Hypogonadismus (Gesamttestosteron < 8 nmol/l) wurden grössere Veränderungen auf der IIEF-EF-Skala beobachtet (2,95 [1,85; 4,03]) als bei Männern mit weniger ausgeprägtem Testosteronmangel (Gesamttestosteron < 12 nmol/l; 1,47 [0,90; 2,03]; p = 0,02).
Die Verbesserung der erektilen Funktion war unabhängig vom durchschnittlichen Alter und vom IIEF-Score bei Studienbeginn. Bei Patienten mit Stoffwechselstörungen wie Diabetes und Adipositas war die Grössenordnung der Wirksamkeit geringer als bei Männern ohne diese Erkrankungen. Andere sexuelle Aspekte wie die Libido, die Zufriedenheit mit dem sexuellen Verkehr und dem Orgasmus sowie die gesamte Zufriedenheit mit der Sexualität verbesserten sich unter der Testosteronbehandlung ebenfalls.
Diskussion
In ihrer Metaanalyse gelangten Giovanni Corona und seine Arbeitsgruppe zum Schluss, dass Männer mit symptomatischem Testosteronmangel – ungeachtet der Ätiologie – von einer Testosteronbehandlung profitieren. Sie weisen jedoch ausdrücklich darauf hin, dass die Anwendung von Testosteron als Lifestyle-Droge verhindert werden müsse. Die geringer ausgeprägte Wirkung der Testosteronpräparate bei Patienten mit Diabetes oder Adipositas ist nach Ansicht der Autoren vermutlich auf diabetesbedingte Komplikationen wie periphere Neuropathien, Mikro- und Makroangiopathien oder endotheliale Dysfunktionen zurückzuführen. Zudem ist der Testosteronmangel bei Stoffwechselerkrankungen meist weniger ausgeprägt als bei gesunden Personen, sodass die geringere Wirksamkeit auch mit höheren Testosteronausgangswerten zusammenhängen könnte. O
Petra Stölting
Quellen: 1. FDA Drug Safety Communication: FDA cautions about
using testosterone products for low testosterone due to aging; requires labeling change to inform of possible increased risk of heart attack and stroke with use; http://www.fda.gov/downloads/Drugs/DrugSafety/UC M436270.pdf). 2. Corona G et al.: Meta-analysis of results of testosterone therapy on sexual function based on International Index of Erectile Function scores. Eur Urol 2017, Apr 20, pii: S0302-2838(17)30253-1, DOI: 10.1016/j.eururo.2017. 03.032.
Interessenlage: 3 der 6 Autoren der referierten Studie haben Gelder von verschiedenen Pharmaunternehmen erhalten.
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ARS MEDICI 19 I 2017