Transkript
POLITFORUM
Xundheit in Bärn
INTERPELLATION vom 4.5.2017
Schwierigkeiten für die günstigste Krankenkasse der Schweiz. Bürokratie ohne Augenmass?
Gregor Rutz Nationalrat SVP Kanton Zürich
Im Zürcher Oberländer Dorf Turbenthal existiert die günstigste Krankenkasse der Schweiz. Sie betreut rund 400 zufriedene Versicherte und arbeitet bis heute mit Karteikarten und Schreibmaschine. Dank der einfachen und effizienten Organisation des Kleinbetriebs profitieren die Versicherten von den schweizweit tiefsten Standardprämien. Eigentlich eine Idealsituation – ausser in den Augen des Bundesamts für Ge-
sundheit (BAG). Man kann zwar eine Krankenkasse bestens ohne EDV führen, wie das erwähnte Beispiel zeigt. Ob man es allerdings aus Sicht der Bundesverwaltung auch darf, ist eine andere Frage. Gemäss Medienberichten kritisiert das BAG die Führung der Krankenkasse ohne EDV: Es sei zwingend, die Daten der Versicherten elektronisch zur Verfügung zu stellen. Das Turbenthaler Modell mit Karteikarten passt nicht in die Vorstellungen des BAG – trotz rekordtiefer Grundversicherungsprämie. Dass dieser Fall nun vor das Bundesverwaltungsgericht kommt, ist absurd – und kaum verhältnismässig. Die Frage, ob das BAG als Aufsichtsorgan hier wirklich im Interesse der Ver-
sicherten handle, wird zu Recht gestellt. Dass die sturen Vorgaben des BAG vielleicht sogar die Liquidation der Krankenkasse Turbenthal erzwingen könnten, stimmt bedenklich. Der Eindruck, dass das BAG mit dieser unflexiblen, technokratischen Haltung gegenüber der kleinsten Krankenkasse der Schweiz jegliches Augenmass verloren hat, ist nicht von der Hand zu weisen.
Vor diesem Hintergrund bitte ich den Bundesrat um Beantwortung folgender Fragen: 1. Ist es nicht unverhältnismässig,
eine finanziell gesunde, kostengünstige Krankenversicherung wegen solcher Fragen vor Bundesverwaltungsgericht zu
zerren und letztlich ihre Liquidation in Kauf zu nehmen? 2. Ist er sich bewusst, dass jede versicherte Person, die eine Versichertenkarte oder andere EDV-basierte Lösungen wünscht, jederzeit die Krankenversicherung wechseln kann? 3. Ist er ernsthaft der Auffassung, dass es in der Schweiz verboten sein soll, eine Krankenkasse mit Karteikarten und Schreibmaschine zu führen? 4. Wurde seitens des BAG erwogen, die Zeit für eine natürliche Übergabe seitens des 63-jährigen Geschäftsführers abzuwarten, statt mit Kanonen auf Spatzen zu schiessen?
Und das meint der Bundesrat am 5.7.2017 dazu:
1/3./4:. Aufgrund der Gewaltentrennung und des Devolutiveffekts der Beschwerde darf sich der Bundesrat nicht zu einem Fall äussern, der seit Juni 2015 beim Bundesverwaltungsgericht hängig ist. Es ist nun Sache dieses Gerichts, im Rahmen des entsprechenden Verfahrens darüber zu urteilen, ob die Verfügung des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Die Aufsichtsbehörde ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die Versicherer die vom Parlament verabschiedeten Bestimmungen einhalten. Beim betroffenen Versicherer wurden erheb-
liche Mängel festgestellt. Das Fehlen eines IT-Systems allein ist nicht der Grund für die vom BAG getroffenen Massnahmen. Der Versicherer kann die Infrastruktur, mit der er arbeitet, frei wählen. Diese muss ihm jedoch ermöglichen, seine gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Wenn die Aufsichtsbehörde eine Massnahme anordnet, um für die Einhaltung des Gesetzes zu sorgen, muss sie zudem auf die Interessen der Versicherten, die Solvenz der Versicherer, die Stabilität des Gesundheitssystems und die Verhältnismässigkeit achten, aber nicht auf das Alter der leitenden Organe des Versicherers. Es ist daher undenkbar, dass das
BAG rechtswidrige Zustände toleriert und die Anordnung einer Massnahme aufschiebt, weil ein Mitglied eines leitenden Organs bald das Rentenalter erreicht. 2. Das Parlament hat dem Bundesrat die Kompetenz übertragen zu bestimmen, dass jede versicherte Person eine Versichertenkarte erhält. Es hat ihn jedoch nicht dazu ermächtigt, bestimmte Versicherer von dieser Pflicht zu befreien. Im Rahmen seiner Aufsichtstätigkeit muss das BAG dafür sorgen, dass sich alle Versicherer an die gesetzlichen Bestimmungen halten. Gemäss Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung über die Versichertenkarte für die obligatorische
Krankenpflegeversicherung müssen die Versicherer allen versicherungspflichtigen Personen eine Versichertenkarte ausstellen. Die versicherte Person muss dem Leistungserbringer die Versichertenkarte beim Bezug von Leistungen vorweisen. Die Abgabe einer Versichertenkarte liegt folglich im Interesse der Versicherten, denn diese sind verpflichtet, die Karte zu verwenden, um ihren Anspruch auf Leistungsvergütung geltend zu machen. Den Versicherten ohne vorschriftsmässige Karte entstehen somit Schwierigkeiten, die zu einer Risikoselektion führen könnten.
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ARS MEDICI 16 I 2017
POLITFORUM
INTERPELLATION vom 16.3.2017
Organspende. Lagebericht und Vorschläge für neue Massnahmen?
Laurent Wehrli Nationalrat FDP Kanton Waadt
2013 hat der Bundesrat seinen Aktionsplan «Mehr Organe für Transplantationen» lanciert. Das Ziel des Plans ist, die Anzahl verstorbener Spenderinnen und Spender auf 20 pro
Million Einwohnerinnen und Einwohner zu erhöhen (2013 waren es 13,7) und mindestens 500 Organe verstorbener Spenderinnen und Spender pro Jahr zu transplantieren (2013 waren es 110). Anfang 2014 wurde der Bericht des Bundesrates von der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren genehmigt. Gemäss dem Jahresbericht 2016 von Swisstransplant lag die Anzahl
verstorbener Spenderinnen und Spender pro Million Einwohnerinnen und Einwohner in der Schweiz letztes Jahr bei 13,3, nachdem sie 2015 17,4 erreicht hatte. 111 Organe verstorbener Spenderinnen und Spender konnten 2016 transplantiert werden (2015 waren es 143). Letztes Jahr befanden sich 1480 Patientinnen und Patienten auf der Warteliste (2015 waren es 1348, 2014 waren es 1370).
In diesem Kontext bitte ich den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen: 1. Kann der Bundesrat die oben
genannten Zahlen bestätigen? 2. Welche erste Bilanz zieht der
Bundesrat aus seinem 2013 gestarteten Aktionsplan «Mehr Organe für Transplantationen»? 3. Denkt der Bundesrat, dass es notwendig ist, neue Massnahmen zu treffen?
Dies die Stellungnahme des Bundesrates vom 17.5.2017:
1. Dem Bundesrat liegen die gleichen Angaben zur Spenderate und zur Anzahl Patientinnen und Patienten in der Warteliste vor. Mit einer Ausnahme: Im Jahr 2016 wurden von 111 Spenderinnen und Spendern 397 postmortal gespendete Organe entnommen und transplantiert. 2. Die rückläufige Entwicklung der Anzahl von Organspenden im Jahr 2016 resultierte daraus, dass insbesondere im ersten Halbjahr nur sehr wenige spendende Personen gemeldet wurden. Im zweiten Halbjahr stiegen die Zahlen
wieder. Da es sich bei der Organspende – gemessen an der Anzahl der vorgenommenen Transplantationen – immer um ein seltenes Ereignis handelt, sind grössere Schwankungen zwischen einzelnen Jahren zu erwarten. Daher ist der Bundesrat der Ansicht, dass bei der Interpretation dieser Schwankungen Vorsicht geboten ist. Der Bundesrat ist nach wie vor überzeugt, dass der Aktionsplan der richtige Weg ist, um die Anzahl von Organspenden langfristig zu erhöhen. Er war sich aber auch
bewusst, dass sich die Effekte der getroffenen Massnahmen nicht sofort einstellen werden. Aus diesem Grund wurde der Zielwert des Aktionsplans, eine Spenderate von 20 Spenderinnen und Spendern pro Million Einwohnerinnen und Einwohner, auch erst auf 2018 festgelegt. 3. Deshalb sieht der Bundesrat aktuell keinen Bedarf für weitere Massnahmen. Trotzdem verfolgt er mit einiger Besorgnis, dass die Ablehnungsrate trotz Transplantationskampagne seit dem Jahr 2012 von 54,6 auf 62 Prozent im
ersten Halbjahr 2016 gestiegen ist. Vorerst will er die Entwicklung der Spendezahlen abwarten. Erst kurz vor Ablauf des Aktionsplans, Ende 2018, wird sich zeigen, ob weitere Massnahmen notwendig sind. Das Eidgenössische Departement des Innern wird dem Bundesrat über die Ergebnisse des Aktionsplans Bericht erstatten und Vorgehensvorschläge unterbreiten. Darauf gestützt wird der Bundesrat das weitere Vorgehen beschliessen.
INTERPELLATION vom 15.3.2017
Legales Cannabis und Vorsorgeprinzip
Laurence Fehlmann Rielle Nationalrätin SP Kanton Genf
Angesichts des Aufschwungs des legalen Cannabisverkaufs: Ist der Bundesrat nicht der Ansicht, dass es angebracht wäre, gewisse Aspekte zu regeln, namentlich das gesetzliche Mindestalter und das Verbot von Werbung für dieses Produkt? Ist es nicht auch angezeigt, eine Standortbestimmung hinsichtlich dieser Problematik vorzunehmen?
Begründung Der Verkauf von Hanf mit einem THC-Gehalt von weniger als 1 Prozent hat in der Schweiz Einzug gehalten und verbreitet sich sehr schnell. In Genf, zum Beispiel, gibt es schon fünfzehn Verkaufsstellen – ohne den Verkauf im Internet mitzuzählen. Dieses Phänomen beunruhigt die Eltern, die in diesem Produkt eine Übergangsdroge hin zu Cannabis mit einem höheren Anteil an THC sehen. Diese Sorgen sind kein Anlass, den Teufel an die Wand zu malen – verharmlosen sollte man das Produkt jedoch auch nicht. Legales Cannabis ist reich an CBD,
eine Substanz mit einer entspannenden Wirkung, jedoch ohne die Effekte des THC. Wenn es geraucht wird, birgt es dennoch dieselben Gefahren wie Tabak. Hinsichtlich mehrerer Punkte machen sich rechtliche Lücken bemerkbar: Legales Cannabis steht zwar nicht mehr auf der Liste der Betäubungsmittel, es ist aber auch kein Tabakprodukt. Beim Onlinehandel müssen die potenziellen Kunden nur bestätigen, dass sie 18 Jahre oder älter sind. In einem Merkblatt der eidgenössischen Zollverwaltung ist festgehalten, dass diese Verkäufe unter die Tabaksteuer fallen.
Aus all diesen Gründen denke ich, dass es angezeigt wäre, sich den folgenden Punkten zu widmen: 1. ein gesetzliches Mindestalter
für den Kauf dieser Art von Cannabis festlegen; 2. jede Art von Werbung für dieses Produkt verbieten; 3. einen Warnhinweis auf den Verpackungen anbringen, wie es beim Tabak der Fall ist. Ausserdem sollte bestätigt werden, dass Cannabis, wie im Merkblatt der eidgenössischen Zollverwaltung vorgeschrieben, tabaksteuerpflichtig ist.
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