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STUDIE REFERIERT
Mindert PAP das kardiovaskuläre Risiko bei Schlafapnoe?
Bei Schlafapnoe verbessert die PAP-Beatmung (positive airway pressure) Symptome wie Tagesschläfrigkeit, und sie vermag auch den Blutdruck zu senken. Man geht davon aus, dass PAP auch das mit Schlafapnoe erhöhte kardiovaskuläre Risiko mindern kann. Die Autoren einer aktuellen Metaanalyse kommen jedoch zu dem Schluss, dass dies bis anhin nicht bewiesen wurde.
JAMA
Die Schlafapnoe (OSA: obstruktive Schlafapnoe) ist neben der Tagesschläfrigkeit auch mit weniger offensichtlichen Symptomen, wie zum Beispiel einem erhöhten Blutdruck, oxidativem Stress und Entzündungsprozessen sowie einer erhöhten Blutgerinnungsneigung, verbunden. All dies steigert das kardiovaskuläre Risiko. Die PAP-Beatmung, entweder kontiniuierlich (CPAP: continous positive airway pressure) oder adaptiv (ASV: adaptive servo-ventilation), lindert die Tagesschläfrigkeit. Nachweisbar sind auch eine Senkung des Blutdrucks, die Minderung einer allfälligen Insulinresistenz und eine verbessere Endothelialfunktion. Auch zeigte sich in Kohortenstudien, dass Patienten mit PAP weniger kardiovaskuläre Ereignisse zu befürchten hatten als diejenigen ohne. Ein harter Beweis, dass PAP das kardiovaskuläre Risiko senkt, sind diese Befunde aber nicht, denn sie sind entweder indirekte Marker eines erhöhten kardiovaskulären Risikos oder mit einem erheblichen Biaspotenzial verbunden; so können sich Kohortengruppen mit und ohne PAP auch hinsichtlich anderer Parameter, wie zum Beispiel Komorbiditäten, unterscheiden.
MERKSÄTZE
O PAP bei Schlafapnoe ist empfehlenswert, aber primär nicht mit dem Ziel einer kardiovaskulären Prävention.
O Schlafapnoepatienten haben ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko, das mithilfe der bekannten medikamentösen Prävention gemindert werden sollte.
Studienauswahl und Resultate
In die Metaanalyse einbezogen wurden zehn Studien (9 CPAP, 1 ASV) mit insgesamt 7266 Patienten (1). Das mittlere Alter betrug rund 61 Jahre, 80 Prozent der Probanden waren männlich. Darunter befanden sich auch Patienten mit zentraler Schlafapnoe (CSA; n = 1583), die auf anderen Mechanismen beruht als OSA (n = 5683). Endpunkte waren ein kombinierter vaskulärer Endpunkt (akutes Koronarsyndrom, Schlaganfall, schwere kardiovaskuläre Ergeignisse), vaskuläre bedingte Todesfälle und die Gesamtmortalität. Insgesamt zählte man 356 schwere kardiovaskuläre Ereignisse und 613 Todesfälle. Es zeigten sich keine statistisch signifikanten Beziehungen zwischen PAP und den definierten Endpunkten, weder für den kombinierten kardiovaskulären Endpunkt noch für vaskuläre Todesfälle oder die Gesamtmortalität. Das Gleiche galt für akute Koronarsyndrome, Schlaganfall und Herzinsuffizienz. Nur bei den vier Studien, in denen PAP mindestens vier Stunden pro Nacht tatsächlich angewendet wurde, errechnete man einen statistisch signifikanten Nutzen, nämlich seltene schwere kardiovaskuläre Ereignisse (RR: 0,58 [95%Konfidenzintervall: 0,34–0,99]).
Diskussion
Das Resultat überrascht nicht, wenn man bedenkt, dass in der Metaanalyse die im letzten Jahr publizierte SAVEStudie wegen der anteilig weitaus meisten Patienten (n = 2717) grosses Gewicht hatte. In dieser Studie hatte man keine Verminderung kardiovaskulärer Ereignisse durch PAP festgestellt. Die Autoren der Metaanalyse kommen zu dem Schluss, dass PAP bei Schlaf-
apnoe wegen anderer Effekte zwar durchaus empfehlenswert sei, aber nicht zum Zweck der kardiovaskulären Prävention. Umso wichtiger sei für Schlafapnoepatienten eine konsequente Behandlung mit erwiesenermassen kardiovaskulär präventiv wirksamen Medikamenten (z.B. Antihypertonika, Lipidsenker, Plättchenhemmer). Dass der mangelnde Wirksamkeitsnachweis der PAP nur eine Frage der Therapietreue sei, halten die Autoren für unwahrscheinlich. Zwar habe man bei einer PAP-Dauer von mindestens vier Stunden den oben genannten günstigen Effekt mit statistischer Signifikanz gesehen, derartige Post-hoc-Befunde seien jedoch immer mit Vorsicht zu interpretieren, zumal für alle anderen Parameter kein entsprechender Nutzen feststellbar gewesen sei. Es könne sich somit auch nur um einen Zufall handeln.
Für definitive Antwort
noch zu früh
Anderer Ansicht ist der Schlafmedizi-
ner Prof. Daniel J. Gottlieb von der
Harvard Medical School in einem be-
gleitenden Editorial (2). Die mangelnde
statistische Signifikanz könne schlicht
an der immer noch recht kleinen Pro-
bandenzahl liegen und sich in künf-
tigen, grösseren PAP-Studien immer
noch einstellen. Der in der Metaanalyse
bezifferte potenzielle Nutzen liege aber
durchaus in der Grössenordnung der
bekannten medikamentösen kardio-
vaskulären Prävention. Insofern sei
diese Metaanalyse als Motivation für
grössere, gut gemachte Studien zu
interpretieren, um die Frage nach der
kardiovaskulären Nützlichkeit der PAP
definitiv zu beantworten.
O
Renate Bonifer
1. Yu J et al.: Association of positive airway pressure with cardiovascular events and death in adults with sleep apnea: A systematic review and meta-analysis. JAMA 2017; 318: 156.
2. Gottlieb DJ: Does obstructive sleep apnea treatment reduce cardiovascular risk? It is far too soon to say. JAMA 2017; 318: 128.
Interessenlage: Die Metaanalyse wurde vom australischen National Health and Medical Research Council (NHMRC) unterstützt; die Studienautoren geben persönliche Sponosoren- und Referentenbeziehungen mit vielen verschiedenen Firmen an. Der Autor des Editorials gibt Honorare der Pharmafirma Vivus an.
ARS MEDICI 16 I 2017
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