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STUDIE REFERIERT
COPD-Patienten können von häuslicher Beatmung profitieren
Zusätzliche Maskenbeatmung erfolgreicher als alleinige Sauerstoffgabe
Für Patienten mit fortgeschrittener chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) gibt es wenig therapeutische Optionen. In der HOT-HMV-Studie konnte die Zeit bis zu Rehospitalisation oder Tod nach lebensbedrohlicher Exazerbation durch eine nicht invasive Heimbeatmung zusätzlich zur Sauerstofftherapie verlängert werden (1). Die kürzlich publizierte Studie zeigt, welchen Patienten dies zugutekommt.
JAMA
Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung und lebensbedrohlicher Exazerbation profitieren von einer nicht invasiven Beatmung. Eine anhaltende Hyperkapnie bleibt jedoch mit früher Rehospitalisierung und erhöhter Mortalität assoziiert. Ob eine Fortführung der nicht invasiven Beatmung daheim weiteren Nutzen bringt, wird kontrovers diskutiert. In kleineren Untersuchungen als grundsätzlich wirksam beschrieben, erbrachten nachfolgende klinische Studien widersprüchliche Resultate. Murphy et al. schlossen aus insgesamt 2021 gescreenten Patienten in ihre multizentrische, randomisierte Phase-IIIStudie HOT-HMV nun 116 Patienten aus 13 Zentren im Vereinigten Königreich ein. Infrage kamen Patienten mit akut dekompensierter, hyperkapnischer COPD, die eine nicht invasive Beatmung erhielten. 2 Wochen nach Kompensation der Azidose und innerhalb von 4 Wochen nach Erreichen klinischer Stabilität mussten sie eine anhaltende Hyperkapnie (PaCO2 > 53 mm Hg),
Sauerstoff- und Beatmungstherapie daheim
Die Langzeit-Sauerstofftherapie erleichtert die Atmung durch
hochprozentigen Sauerstoff via Nasenkanüle. Bei der nichtinva-
siven Beatmung wird normale Umgebungsluft via Maske in die
Atemwege «gepumpt», ein Gerät unterstützt durch wechselnde
Druckniveaus Einatmung (hoher Druck) sowie Ausatmung (nied-
riger Druck); sie kann mit der Gabe von Sauerstoff kombiniert
werden. Mehrheitlich erfolgt die nichtinvasive Beatmung
während der Nacht und trägt zu einer Erholung der Atemmusku-
latur bei. Zudem wird eine zu hohe CO2-Konzentration im Blut
vermieden.
Quelle: nach (3)
eine Hypoxämie und einen arteriellen pH-Wert > 7,3 bei Atmung von Raumluft aufweisen. Ein Body-Mass-Index über 35, eine obstruktive Schlafapnoe oder andere Ursachen eines respiratorischen Versagens galten als Ausschlusskriterien. 59 Patienten erhielten zur optimierten medikamentösen Versorgung gemäss British Thoracic Society eine LangzeitSauerstofftherapie (Home Oxygen Therapy; HOT). 57 weitere Patienten bekamen zusätzlich eine nicht invasive häusliche Beatmungstherapie (Home Mechanical Ventilation; HMV). Insgesamt 64 Patienten (HOT: 28; HMV: 36) vollendeten die 12-monatige Studienperiode.
Mehr Zeit, weniger Exazerbationen
Die mediane Zeit bis zu Rehospitalisation oder Tod betrug 1,4 versus 4,3 Monate (HOT vs. HMV). Sie konnte damit bei den zusätzlich nicht invasiv beatmeten Patienten um 50 Prozent verlängert werden (adjustierte Hazard Ratio [HR]: 0,49; p = 0,002). Ihr Risiko, im darauffolgenden Jahr wiederum stationär behandelt zu werden oder zu sterben, fiel um 17 Prozent niedriger aus (HOT: 80,4% vs. HMV: 63,4%). Gefährliche Exazerbationen traten unter der kombinierten Therapie deutlich seltener auf, median 5,1 Exazerbationen pro Jahr (HOT) versus 3,8 (HMV) (adjustierte HR 0,66; p = 0,03). Hinsichtlich der Gesamtmortalität gab es keinen signifikanten Unterschied. Diese Ergebnisse unterstützen ein Screening von COPD-Patienten, die aufgrund einer lebensgefährlichen Exazerbation
stationär akut nicht invasiv beatmet wurden. Anhaltend hyperkapnische Patienten mit einem PaCO2 > 53 mm Hg sollten einer nicht invasiven Heimventilation zugeführt werden, schreiben die Autoren der Studie.
Unterschied zur RESCUE-Studie
Anders als in der RESCUE-Studie (2), die bei ähnlichem Design keinen Zugewinn an Zeit fand, war in HOT-HMV eine chronische Hypoxämie Einschlusskriterium – ein Zeichen einer schwereren COPD. Für solche Patienten mit chronisch respiratorischer Insuffizienz konnte bereits zuvor in physiologischen Studien gezeigt werden, dass sie von einer nicht invasiven Beatmung profitieren können. Zudem hat das frühe Assessment der Hyperkapnie in der RESCUE-Studie möglicherweise zum Einschluss von Patienten mit spontan reversibler Hyperkapnie (und damit besserer Prognose) geführt, die von den ergänzenden Massnahmen weniger profitierten. Dass trotz der beschriebenen Verbesserung unter zusätzlicher nicht invasiver Beatmung nur initial eine moderate Verbesserung der Lebensqualität zu beobachten war, mag der grundsätzlichen Schwere der Erkrankung Rechnung tragen, wie die Autoren mutmassen. Die Tatsache, dass die nicht invasive Beatmung als Ergänzung zur Sauerstofftherapie das klinische Outcome verbessere, ohne die Krankheitslast zu vergrössern, sei beruhigend und widerlege frühere diesbezügliche Bedenken. Eine Wiederaufnahme in das Spital ohne signifikanten Unterschied in der Gesamtmortalität vermeiden zu können, trage nicht nur zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität der Patienten bei, sondern bringe darüber hinaus direkte wie indirekte Einsparungen mit sich. MüO
Referenzen: 1. Murphy PB et al.: Effect of home noninvasive ventila-
tion with oxygen therapy vs oxygen therapy alone on hospital readmission or death after an acute COPD exacerbation: A randomized clinical trial. JAMA 2017; 317(21): 2177–2186. 2. Struik FM et al.: Nocturnal non-invasive ventilation in COPD patients with prolonged hypercapnia after ventilatory support for acute respiratory failure: a randomised, controlled, parallel-group study. Thorax. 2014; 69(9): 826–834. 3. Pressemitteilung der Deutschen Atemwegsliga.
Interessenkonflikte: Die Autoren deklarieren Unterstützung von verschiedenen Firmen, die Sponsoren hatten keinerlei Einfluss auf Design, Durchführung, Auswertung und Publikation der Studie.
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ARS MEDICI 16 I 2017