Transkript
FORTBILDUNG
Wenn Protonenpumpenhemmer nicht ausreichen
Neuer Behandlungsalgorithmus bei gastroösophagealem Reflux
Wenn bei gastroösophagealer Refluxkrankheit eine Therapie mit Protonenpumpeninhibitoren nicht ausreichend ist oder nicht vertragen wird, stehen Alginate als therapeutische Alternative zur Verfügung.
Deutsche Medizinische Wochenschrift
Protonenpumpeninhibitoren (PPI) gelten bei gastroösophagealer Refluxkrankheit (GERD) als Therapie der Wahl, sie wirken meist rasch und zuverlässig. Randomisierte, kontrollierte Studien haben jedoch gezeigt, dass etwa 30 Prozent der GERD-Patienten trotz adäquater Behandlung mit PPI störende Restsymptome haben. Aus der Literatur ist bekannt, dass PPI bei leichter Refluxösophagitis meistens zur Heilung führen, deutlich schlechter sind jedoch die Heilungsraten bei schwerer Refluxösophagitis. Zudem gelingt eine zufriedenstellende Symptomkontrolle nur bei 75 Prozent der Patienten mit typischen Refluxbeschwerden, viel seltener jedoch bei Patienten mit atypischen oder extraösophagealen GERD-Symptomen.
Wenn mehr als eine Säurehemmung notwendig ist Eigentlich ist die unzureichende Behandlungswirkung der PPI nicht überraschend, denn PPI wirken bei GERD nicht kausal. Vermindert wird zwar der Säuregehalt des Refluats und damit seine Aggressivität, nicht aber der Reflux als Folge der mangelhaften mechanischen Barrierefunktion des unteren Ösophagussphinkters. Zur Bekämpfung von Refluxbeschwerden sind H2-Rezeptor-Antagonisten und Antazida den PPI eindeutig unterlegen. Patienten,
MERKSÄTZE
O Rund die Hälfte der GERD-Patienten leidet trotz adäquater PPI-Therapie weiterhin unter Symptomen.
O PPI therapieren nicht den Reflux, sondern wirken auf die chemische Beschaffenheit des Refluats.
O Bei leichter GERD sind Alginate eine gute Alternative zur PPI-Therapie.
O Die «acid pocket», eine postprandiale Säureansammlung auf dem Magenbrei, ist häufig Ursache fur̈ Refluxbeschwerden unter PPI.
O Alginate können gegen das so verursachte postprandiale Sodbrennen Schutz bieten.
die mit diesen Substanzen eine gute Symptomlinderung erfahren und keine gravierenden, endoskopisch sichtbaren Läsionen der Speiseröhre aufweisen, können leitlinienkonform auch so behandelt werden. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse haben zu einer Renaissance einer anderen «alten» Wirkstoffklasse, der Alginate, geführt. Kurz nach der Nahrungsaufnahme bildet sich auf dem Nahrungsbrei im Magen eine Säureansammlung von 50 bis 70 ml, die als «acid pocket» (Säuretasche) bezeichnet wird. Bei Inkompetenz der physiologischen Refluxbarriere fliesst der Inhalt der «acid pocket» in die Speiseröhre und kann postprandiales Sodbrennen auslösen. Dies tritt besonders dann auf, wenn die «acid pocket» in einer Zwerchfellhernie liegt. Gemäss Studien fallen Alginate aus einer Alginat-Antazidum-Mischung in der «acid pocket» aus und bilden eine gelartige Schicht auf der Oberfläche der Säureansammlung. Diese verhindert mechanisch den Reflux. Zudem haften Alginate nach Kontakt noch stundenlang am Ösophagusepithel und bilden dort eine Schutzschicht.
Alginate als Add-on zu PPI
Bei leichten Refluxbeschwerden sind Alginate durchaus eine Alter-
native zu den PPI. Im Einzelfall kann es auch gerechtfertigt sein, bei
refluxbedingten Schlafstörungen oder bei vermuteten extraöso-
phagealen Refluxsymptomen (Husten, Heiserkeit, asthmatischen
Beschwerden etc.) einen Behandlungsversuch mit einem solchen
Präparat vorzunehmen. Allerdings gibt es dazu bislang keine
adäquaten, randomisierten, kontrollierten Studien. Auch zur
Wirksamkeit von Alginaten bei endoskopisch verifizierter Reflux-
ösophagitis liegen bis anhin keine Daten vor.
Anhaltende Refluxbeschwerden trotz adäquater PPI-Behandlung
(Standarddosis über 8 Wochen) sind ein häufiger und wesentlicher
Grund dafür, dass GERD-Patienten mit der Therapie nicht zufrie-
den sind. Dafür kommt ein ganzes Ursachenspektrum infrage
(mangelnde Compliance, gestörte Magenentleerung, nicht saurer
Reflux, begleitendes Reizdarmsyndrom, funktionelles Sodbren-
nen, psychische Komorbidität u.a.), das nach eingehender Dia-
gnostik ruft. In dieser Situation kann versucht werden, die PPI-The-
rapie durch Dosiserhöhung oder Präparatwechsel zu verbessern.
Als neue Option kommt auch die Kombination eines PPI mit einem
Alginat in Betracht.
O
Halid Bas
Quelle: Labenz J, Koop H: Gastroösophageale Refluxkrankheit – was tun, wenn PPI nicht ausreichend wirksam, verträglich oder erwünscht sind? Dtsch Med Wochenschr 2017; 142: 356–366.
Interessenkonflikte: JL: Beratungs-, Publikations-, Vortragshonorare bzw. Forschungsunterstützung AstraZeneca, EndoStim, Pfizer, Reckitt Benckiser, Torax-Medical. HK: Beratungs- und Vortragshonorare Reckitt Benckiser, Publikationshonorar Pfizer.
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ARS MEDICI 14+15 I 2017