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POLITFORUM
Xundheit in Bärn
INTERPELLATION vom 16.3.2017
Rebecca Ana Ruiz Nationalrätin SP Kanton Waadt
Erweiterte Kompetenzen von Apothekerinnen und Apothekern. Reichen die Mittel aus?
Die Interpellation von Rebecca Ana Ruiz haben wir in ARS MEDICI 12/17 vorgestellt.
Hierzu die Stellungnahme des Bundesrats vom 24. Mai 2017
1. Die Universitäten Basel und Genf sowie die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich bieten derzeit einen vollständigen Pharmazie-Studiengang an. Ausserdem kann in Lausanne, Neuenburg und Bern ein Teil des Bachelorstudiengangs absolviert werden, der Abschluss des Studiums erfolgt dann in Basel, Genf oder Zürich. 2016 wurden 226 Neuabsolventinnen und -absolventen verzeichnet. Im selben Jahr gingen 70 Prozent der neuen Berufsausübungsbewilligungen für Apothekerinnen und Apotheker an Berufsleute mit eidgenössischen Diplomen und 30 Prozent an solche mit anerkannten ausländischen Diplomen. Bezüglich der Anzahl Apothekerinnen und Apotheker, die zur Gewährleistung des Versorgungsangebots ausgebildet werden, wird die Lage nicht als bedenklich erachtet. 2. Die Revision des Medizinalberufegesetzes und des Heilmittelgesetzes soll die Rolle der Apothekerinnen und Apotheker in der medizinischen Grundversorgung stärken. Dies geschieht, indem deren Kompetenzen erweitert und
sie ermächtigt werden, verschreibungspflichtige Arzneimittel für die Behandlung leichter Erkrankungen ohne ärztliche Verschreibung abzugeben. Die Revision des MedBG erfordert die Aktualisierung der Lernzielkataloge für die verschiedenen universitären Medizinalberufe. Der Katalog für die Pharmazie enthält neue Kompetenzen zur Behandlung häufiger Krankheiten und im Impfbereich. Da er in Zusammenarbeit mit den verschiedenen betroffenen Ausbildungsstätten erarbeitet wurde, kann man von diesen erwarten, dass sie in der Lage sind, die aufgenommenen Bildungsziele zu erfüllen. Ausserdem wird mit der regelmässigen Akkreditierung durch das EDI sichergestellt, dass die Studiengänge den Studierenden tatsächlich ermöglichen, die Ausbildungsziele nach MedBG zu erreichen. Was die Forschung angeht, können die Bildungsstätten ihre Schwerpunkte frei bestimmen. Das Förderprogramm «Interprofessionalität im Gesundheitswesen» (vgl. Punkt 4) sollte jedoch einen Anreiz für die Forschung in diesem Bereich schaffen.
3. Die Bildungsstätten setzen die Ausbildungsziele so um, wie es ihnen am sinnvollsten erscheint. Die Vermittlung der Themen rund um die interprofessionelle Zusammenarbeit darf jedoch nicht nur in der Grundausbildung erfolgen, sondern muss auch in die Fort- und Weiterbildung des Medizinal-, Pflege- und Sozialpersonals einfliessen. Auch wenn zahlreiche Elemente der interprofessionellen Schulung in den letzten Jahren erprobt und teilweise in die universitären und nicht universitären Aus-, Weiter- und Fortbildungsangebote aufgenommen wurden, muss das interprofessionelle Lernen im Gesundheitswesen noch ausgebaut werden. Die erste Phase des Förderprogramms «Interprofessionalität im Gesundheitswesen» (vgl. Punkt 4) sollte ermöglichen, die geeigneten Mittel für den Ausbau der entsprechenden Schulung und die Schaffung der möglichen Synergien zu definieren. Im Bereich der Fort- und Weiterbildung hat Pharmasuisse bereits Module zur Interprofessionalität ins Programm aufgenommen. 4. Im Rahmen der FachkräfteInitiative hat der Bundesrat im Februar 2016 das Förderpro-
gramm «Interprofessionalität im Gesundheitswesen» lanciert, mit dem offene Fragen geklärt werden sollen und der interprofessionelle Unterricht im Gesundheitswesen verstärkt werden soll. Es besteht aus zwei Phasen: a) 2017 bis 2020: Forschung auf dem Gebiet der Interprofessionalität in der Ausbildung und Berufsausübung sowie Dokumentierung bestehender Modelle guter Praxis; b) 2019 bis 2022: Förderung von Ausbildungsund Berufsausübungsprojekten, welche die Effizienz der medizinischen Grundversorgung verbessern sollen, insbesondere via Interprofessionalität. Dieses Instrument in der Aus- und Weiterbildung sowie bei der Berufsausübung soll zur Förderung der Effizienz und insbesondere der Interprofessionalität in der medizinischen Grundversorgung beitragen. Ausserdem begleitet der Bundesrat seit Ende 2015 zwei Pilotprojekte zum Nutzen und zu den Vorteilen koordinierter Behandlungen, um die Positionierung der Apothekerinnen und Apotheker in der Grundversorgung zu verbessern.
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ARS MEDICI 14+15 I 2017
Für Gesundheit in Afrika.
www.solidarmed.ch
POLITFORUM
INTERPELLATION vom 4.5.2017
Hepatitis E in der Schweiz. Eine neue Epidemie?
Ignazio Cassis Nationalrat FDP Kanton Tessin
Zwischen 2013 und 2016 hat der Kanton Tessin dem BAG ungefähr 100 Fälle von Hepatitis E gemeldet. Insbesondere von Erzeugnissen auf Basis von roher Schweineleber wie Mortadella scheint ein Ansteckungsrisiko auszugehen (Prävalenz von 20%). Mehr als 80 Prozent des im Kanton Tessin konsumierten Schweinefleisches sind schweizerischer Herkunft. Das Thema ist daher von grossem nationalem Interesse.
Hepatitis E wurde erstmals 1980 in Indien entdeckt. Im Westen wurde die Krankheit seither als Reisekrankheit betrachtet. Insbesondere Länder, in denen eine fäkalorale Übertragung des Virus dank guter hygienischer Bedingungen verhindert werden kann, sehen sich seit einigen Jahren jedoch mit einem anderen Infektionsweg konfrontiert: der Übertragung verschiedener Genotypen des Virus zwischen Mensch und Tier. Die stetige Zunahme der in Europa und weltweit diagnostizierten Fälle ist ein Hinweis darauf, dass das Virus auf der ganzen Welt verbreitet ist. Das führt auch in unseren Breitengraden zu einem grösser werdenden Problem. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt,
dass sich jedes Jahr 20 Millionen Menschen neu mit Hepatitis E infizieren, wovon 3,3 Millionen ein klinisches Syndrom entwickeln würden. Ungefähr 57 000 Menschen sterben jährlich an der Krankheit. Damit das Risiko einer Übertragung des Virus vom Tier auf den Menschen in der Lebensmittelkette reduziert werden kann, müssen strenge Hygienemassnahmen in der Lebensmittelindustrie ergriffen werden und muss die epidemiologische Entwicklung überwacht werden. In China existiert darüber hinaus ein offenbar wirksamer und sicherer Impfstoff. Ich stelle dem Bundesrat die folgenden Fragen: 1. Wie sieht die epidemiologische
Situation in der Schweiz aus?
2. Ist Hepatitis E ein Problem für die öffentliche Gesundheit?
3. Gibt es in der Schweiz eine epidemiologische Überwachung von Hepatitis E (Meldepflicht, Sentinella-Meldesystem oder weitere Massnahmen)?
4. Sind das Personal im Gesundheitswesen und die Lebensmittelindustrie angemessen instruiert, was die Bekämpfung des Virus angeht?
5. Haben die schweizerischen Behörden den in China verfügbaren Impfstoff einer Analyse unterzogen?
6. Ist es notwendig, der Bevölkerung die Möglichkeit einer gezielten oder generellen aktiven Impfung anzubieten?
Die Stellungnahme des Bundesrates vom 5.7.2017:
1.–3. In der Schweiz besteht zurzeit keine Meldepflicht von Hepatitis-E-Erkrankungen. Somit sind keine Daten verfügbar, auf deren Basis sich die epidemiologische Lage für die Gesamtbevölkerung der Schweiz beurteilen lässt. Gewisse Informationen wie zum Beispiel die medizinische Statistik der Krankenhäuser, Studien bei Blutspendern sowie eine Häufungsmeldung aus dem Kanton Tessin lassen jedoch einen steigenden Trend der Fallzahlen vermuten. So ist die Zahl von Hospitalisierungen aufgrund akuter Hepatitis E zwischen 2011 und 2015 kontinuierlich um 2 bis 3 Fälle pro Jahr von 11 auf 25 Fälle angestiegen. In Blutspenden wurden je nach Kanton 13 bis 34 Prozent der Proben positiv getestet. Eine vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) finanzierte Studie mit dem Titel «Assessment of the risk of foodborne transmission and burden of Hepatitis E in Switzerland» schätzt basierend
auf einem Modell die Gesamtzahl der in der Schweiz zu erwartenden Fälle von akuter Hepatitis E auf rund 1500 pro Jahr und hat Lebensmittel identifiziert, die tatsächlich ein Gesundheitsrisiko für einzelne Menschen darstellen könnten. Sie werden in einem Informationsschreiben des BLV an die Kantone genauer umschrieben (siehe Antwort auf Frage 4). Die Infektion mit dem in Europa vorkommenden Hepatitis-E-Virus (HEV-3) verläuft überwiegend asymptomatisch. Symptomatische Infektionen verlaufen in der Regel akut, selbstlimitierend und häufig ohne Ikterus mit milden oder unspezifischen Symptomen (z.B. Bauchschmerzen, Durchfall, Unwohlsein). Im Tessin wurde eine Häufung von neurologischen Erkrankungen (u.a. Nervenentzündungen der oberen Extremitäten) beobachtet, welche mit dem Hepatitis-E-Virus in Zusammenhang gebracht wurden. Die Ursache und Bedeutung dieser Beobachtung ist noch in
Abklärung. Aus Sicht der öffentlichen Gesundheit wird das Risiko für die Gesamtbevölkerung zurzeit als eher gering eingeschätzt, da Hepatitis-E-Infektionen seit Jahrzehnten als harmlose Erkrankung bekannt sind. Unbestritten ist, dass ein Bedarf nach einer solideren Datengrundlage besteht, um die Situation besser einschätzen und längerfristig überwachen zu können. 4. Um die Lebensmittelproduzenten hinsichtlich der Problematik einer möglichen Übertragung von HEV via Lebensmittel zu sensibilisieren, hat das BLV am 1. Mai 2017 das Informationsschreiben 2017/2 zu «Hepatitis E: mögliche Übertragung durch Lebensmittel» veröffentlicht. Darin wird die Lebensmittelindustrie aufgefordert, im Rahmen der gesetzlich geforderten Selbstkontrolle Massnahmen zur Risikominimierung einer möglichen Übertragung von HEV via Lebensmittel zu treffen. Dieses Informationsschreiben ging zwecks Information und Sensibilisierung ebenfalls an alle kantonsärztlichen Dienste.
5. Der betreffende Impfstoff ist von Swissmedic nicht zugelassen. Es besteht die Möglichkeit, dass Swissmedic für einen Impfstoff, der in der Schweiz noch nicht zugelassen ist, eine Sonderbewilligung oder Einzeleinfuhrbewilligung ausstellt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Impfstoff in einem Land mit vergleichbarer Arzneimittelkontrolle zugelassen ist (u.a. EU-, Efta-, EWR-Mitgliedstaaten, Australien, Japan, Kanada, die USA; China zählt nicht zu diesen Ländern). 6. Zurzeit ist die epidemiologische Datenlage bezüglich Hepatitis E in der Schweiz nicht ausreichend, um den Nutzen einer allfälligen Impfung abschätzen zu können. Eine routinemässige Impfung gegen Hepatitis E mit dem zurzeit einzigen erhältlichen Impfstoff aus China wird von der Weltgesundheitsorganisation nicht empfohlen, da noch zu viele Fragen bezüglich Wirksamkeit und Sicherheit offen sind. Aus diesen Gründen wird eine Impfung in der Schweiz zum heutigen Zeitpunkt nicht empfohlen.
ARS MEDICI 14+15 I 2017
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