Transkript
WAS WURDE AUS …
Was wurde eigentlich aus dem GewinnerProjekt von Prof. Dr. Dr. Axel Finckh?
Anti-Drug-Antibodies verantwortlich für Wirkungsverlust in der Therapie der rheumatoiden Arthritis
Für die Behandlung der rheumatoiden Arthritis steht eine Reihe von Substanzen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen zur Verfügung. Was aber ist zu tun, wenn die anfängliche Wirksamkeit der Therapie nachlässt? Soll man eine ähnliche Substanz oder eine mit ganz anderem Wirkmechanismus wählen? Mit diesem Problem beschäftigte sich Prof. Dr. Dr. Axel Finckh, Hôpitaux Universitaires de Genève, in seiner Forschungsarbeit, die 2005 den AbbVie Rheumatology Grant erhielt.
Rheumatoide Arthritis ist die häufigste entzündliche Erkrankung der Gelenke. In der Schweiz betrifft sie etwa 70 000 Menschen, wobei die Inzidenz im zweiten und dritten Lebensjahrzehnt am höchsten ist (1). Für die Behandlung
steht eine Reihe von krankheitsmodifizierenden Antirheumatika (DMARD), Biologika und anderen Medikamenten zur Verfügung, die sich in ihrem jeweiligen Wirkmechanismus unterscheiden. Ein verbreitetes Problem ist jedoch,
dass nach initialem Ansprechen auf die Behandlung im Laufe der Zeit die Wirksamkeit nachlassen kann. Für den behandelnden Arzt stellt sich dann die Frage, welches Medikament im Folgenden eingesetzt werden sollte. Einen allgemeinen Überblick über die Therapiesequenz geben die aktuellen EULAREmpfehlungen (2). Um allerdings im Voraus abschätzen zu können, ob ein Patient generell auf ein neues Medikament anspricht, ist der Mechanismus entscheidend, welcher der nachlassenden Wirksamkeit zugrunde liegt. Genau diesem Mechanismus wollte Axel Finckh, zusammen mit anderen
NACHGEFRAGT
Mittlerweile ist Prof. Dr. Dr. Axel Finckh Associate Professor und Leiter der klinischen Forschung im Bereich Rheumatologie an den Hôpitaux Universitaires de Genève. Er ist aktiv in verschiedenen Gremien der European League Against Rheumatism (EULAR) tätig und leitet eine Vielzahl von klinischen Studien, beispielsweise im Rahmen des SCQM.
Worin sehen Sie die heutige Relevanz der Studienergebnisse für die Praxis?
Prof. Dr. Dr. Axel Finckh: Heutzutage kann man Anti-Drug-Antibodies routinemässig messen lassen. Das Immunologie-Labor des Centre hospitalier universitaire vaudois (CHUV) in Lausanne führt beispielsweise entsprechende Analysen durch. Viele Kollegen meinen, dass eine solche Messung nicht erforderlich sei, da ein Effektivitätsverlust der Behandlung prinzipiell auch klinisch sichtbar ist. Oftmals basiert das aktuelle Vorgehen im klinischen Alltag deshalb auf dem «Trialand-error»-Prinzip. Spricht ein Patient nicht mehr auf die aktuelle Behandlung
an, wird ein neues Medikament eingesetzt und nach einer bestimmten Zeit dessen Wirksamkeit anhand einer klinischen Beurteilung erneut überprüft. Gerade für Patienten, bei denen anfänglich ein gutes Therapieansprechen zu verzeichnen war und erst nach längerer Zeit ein Wirksamkeitsverlust auftrat, kann jedoch ein Nachweis von AntiDrug-Antibodies hilfreich sein. Sind Antikörper der Grund für die erworbene Medikamentenresistenz, kann prinzipiell ein neues Medikament mit dem gleichen Wirkmechanismus eingesetzt wer-
den. Haben Patienten vorgängig gut auf
diesen Wirkmechanismus angespro-
chen, ist ein erneutes gutes Ansprechen
zu erwarten. Sind Anti-Drug-Antibodies
jedoch nicht die Ursache für den Effekti-
vitätsverlust der Behandlung, sollte ein
Medikament mit einem anderen Wirk-
mechanismus zum Einsatz kommen. Der
Nachweis von Anti-Drug-Antibodies kann
somit die Wahl der Therapiesequenz
unterstützen. Zukünftig ist zu erwarten,
dass spezifische Testverfahren in gros-
sem Massstab Einzug in den klinischen
Alltag halten. Schon heute kann man in
einem Tropfen Patientenblut viele Para-
meter gleichzeitig messen und daraus
die Wahrscheinlichkeit des Therapie-
ansprechens vorhersagen. Dabei geht es
nicht mehr nur um Anti-Drug-Antibo-
dies, sondern auch um viele andere Bio-
marker. Kritisch zu sehen ist dabei aller-
dings, dass der behandelnde Arzt häufig
nicht mehr einschätzen kann, auf wel-
chen spezifischen Parameter die Thera-
pieempfehlung des Testsystems zurück-
zuführen ist.
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ARS MEDICI 13 I 2017
WAS WURDE AUS …
AbbVie Rheumatology Grant
Der AbbVie Rheumatology Grant fördert innovative und zukunftsorientierte Projekte in den Bereichen Rheumatologie und klinische Immunologie. Der Forschungspreis ist für junge Wissenschaftler bestimmt und mit 50 000 Franken dotiert. Selbst in verschiedenen Therapiegebieten forschend, startete AbbVie dieses Förderprojekt mit der Einführung von Humira® vor 14 Jahren als Engagement über die Therapie hinaus.
Jedes Jahr hat seither eine Jury die Aufgabe, aus einer Reihe von vielversprechenden Projekten dasjenige auszulesen, welches gefördert werden soll. ARS MEDICI wird sich damit beschäftigen, was aus den ausgezeichneten Projekten entstanden ist. Was ermöglicht diese Unterstützung – auch auf längere Sicht? Was konnten die Forscher damit erreichen? Und wie wichtig ist ein solcher Anreiz für junge Wissenschaftler?
Ärzten des Schweizerischen klinischen Qualitätsmanagements bei rheumatischen Erkrankungen (Swiss Clinical Quality Management in Rheumatic Diseases, SCQM), in einer Studie zur erworbenen Medikamentenresistenz bei Patienten mit rheumatoider Arthritis auf den Grund gehen. Im Jahr 2005 er-
hielt er mit seinem Forschungsprojekt «Rolle von Anti-Drug-Antibodies in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis» den AbbVie Rheumatology Grant, um dieses Projekt umsetzen zu können.
Entwicklung
eines spezifischen Tests
Für die Studie wurden 24 Patienten aus dem Schweizerischen Register für rheumatoide Arthritis (SCQM-RA) identifiziert, bei denen ein Effektivitätsverlust der aktuellen Behandlung mit Infliximab auftrat (3). Als Kontrollgruppe dienten 40 Patienten, die Infliximab über den gleichen Zeitraum erhielten, jedoch keinen Effektivitätsverlust entwickelt hatten. Infliximab ist ein AntiTNF-␣-Antikörper, der aufgrund seiner Immunogenität zur Bildung von AntiInfliximab-Antikörpern führen kann. Die Rolle dieser Anti-Drug-Antibodies in der Entstehung von erworbener Medikamentenresistenz stand im Mittelpunkt der Studie. Um vorhandene Anti-Infliximab-Antikörper im Blut nachweisen zu können, wurde im Rahmen dieser Arbeit ein spezifischer Test entwickelt. Darüber hinaus wurde die Konzentration von Infliximab im Blut gemessen, da diese Rückschlüsse auf vorhandene Anti-
Infliximab-Antikörper erlaubt. Insge-
samt konnte gezeigt werden, dass deren
Vorhandensein mit einem höheren Ri-
siko für einen Effektivitätsverlust der
Behandlung assoziiert ist. Im Umkehr-
schluss geht eine Restkonzentration von
Infliximab im Blut mit einem niedrigen
Risiko für Therapieresistenz einher.
Alles in allem wurde gezeigt, dass Anti-
Drug-Antibodies einen Mechanismus
darstellen, der zur Entwicklung eines
Wirksamkeitsverlusts von Medikamen-
ten beiträgt. Somit können sowohl diese
Antikörper als auch äquivalent dazu
die Restkonzentration des Medika-
ments im Blut als potenzielle Biomar-
ker dienen. Die Messung dieser beiden
Parameter stellt folglich eine Möglich-
keit dar, die Behandlung der rheuma-
toiden Arthritis zu optimieren.
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Christin Döring
Referenzen: 1. Bernhard J, Villiger P: Rheumatoide Arthritis: Patho-
genese und Pathologie. Schweiz Med Forum 2001; 8: 179–183. 2. Smolen JS et al.: EULAR recommendations for the management of rheumatoid arthritis with synthetic and biological disease-modifying antirheumatic drugs: 2016 update. Ann Rheum Dis 2017; 76 (6): 960–977. 3. Finckh A et al.: Influence of anti-infliximab antibodies and residual infliximab concentrations on the occurrence of acquired drug resistance to infliximab in rheumatoid arthritis patients. Joint Bone Spine 2010; 77(4): 313–318.
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