Transkript
EDITORIAL
Vom Medizinerlatein zum Patientendeutsch
Wie heisst es so schön: Kommunikation ist das, was ankommt. Daran sollte man sich im Praxisalltag lieber einmal mehr als einmal weniger erinnern. Denn nicht einmal das direkte Arzt-Patienten-Gespräch ist ein Garant dafür, dass Sender und Empfänger sich richtig verstehen respektive die ärztliche Botschaft den Patienten wirklich erreicht. Immerhin aber können die Ausführungen situativ individuellen Bedürfnissen angepasst werden. Sehr viel schwieriger ist es, wenn es um die Lektüre von Arztbefunden geht. Für Kollegen formuliert, bleiben diese für Patienten meist unverständliches «Medizinerlatein».
Besseres Verständnis nutzt beiden Seiten Aber wäre ein Patient nicht viel besser in der Lage, Behandlungs- und Heilungsverlauf mitzugestalten, wenn er versteht, was er hat? Könnte besser fragen, wäre besser informiert und könnte besser entscheiden, wenn der Arzt etwas vorschlägt? Genau hier setzt ein Dienst an, der seit Kurzem auch in der Schweiz verfügbar ist: Auf der Onlineplattform «Was hab’ ich?» bieten Medizinstudierende ab dem achten Semester unter ärztlicher Begleitung ehrenamtlich die Übersetzung von Arztbefunden an. Kostenlos und anonym können Patienten ihre Befunde in einer
Länge von bis zu zwei Seiten hochladen und erhalten eine leicht verständliche Version des Ganzen retour. Das Projekt wurde 2011 in Deutschland initiiert und zwischenzeitlich mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Präventionspreis der Schweizer Social Entrepreneurship Initiative & Foundation sowie dem Querdenker-Preis der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin. Das Interesse an dem Angebot ist gross, über 1500 Medizinstudenten und Ärzte haben mehr als 30 000 Befunde übersetzt. Mittlerweile ist daraus zudem ein Konzept für einen Kommunikationskurs entstanden, der etwa in Dresden seit 2014 als Wahlfach im Rahmen des Medizinstudiums absolviert werden kann und auch anderen Hochschulen zur Integration in das Studium angeboten wird.
Der Weg in die Schweiz wurde durch die Unterstützung des Inselspitals möglich, der Berner Spitalverbund ist beim Aufbau eines Schweizer Netzwerkes behilflich. Die Stiftung Konsumentenschutz verweist auf ihrer Homepage auf das Angebot und erläutert Rechtslage und Datenschutz. Unterstützung erhält «Was hab’ ich?» auch vonseiten der Swiss Medical Students‘ Association sowie vom Verband der Schweizerischen Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte (VSAO). Denn nicht nur Patienten profitieren davon, wenn sie ihre Befunde (besser) verstehen können. Auch die ehrenamtlichen Übersetzer lernen anhand praktischer Beispiele aus allen Bereichen der Medizin eine laienverständliche Ausdrucksweise, die ihnen und ihren zukünftigen Patienten im weiteren Berufsleben zugutekommen wird.
Sollten Sie selbst neugierig geworden sein oder (angehende) Schweizer Mediziner kennen, die an der Mitwirkung an diesem Projekt interessiert sein könnten, erfahren Sie mehr unter: https://washabich.ch
Christine Mücke
ARS MEDICI 13 I 2017
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