Transkript
FORTBILDUNG
Mit direkten antiviralen Substanzen gegen Hepatitis C
Hohe Heilungsraten bei allen Genotypen dank unterschiedlicher Fixkombinationen
In einem Review waren alle von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) zugelassenen interferonfreien Regime oraler direkt antiviraler Substanzen (DAA) mit hohen Raten eines anhaltenden virologischen Ansprechens verbunden. Dies wurde bei Hepatitis-C-Patienten aller Genotypen sowie bei Hepatitis-C-Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose, schwerer Nierenerkrankung und einer HIV-Koinfektion sowie bei lebertransplantierten Patienten beobachtet.
Annals of Internal Medicine
In den USA verursacht die Infektion mit dem Hepatitis-CVirus (HCV) mehr Todesfälle als alle anderen meldepflichtigen Infektionskrankheiten zusammen. Definitionsgemäss gilt die Erkrankung bei einem anhaltenden virologischen Ansprechen (sustained virologic response, SVR) auf ein Behandlungsregime als geheilt. Dies ist erreicht, wenn 12 Wochen nach Therapieende keine HCV-RNA im Serum nachgewiesen werden kann. Mittlerweile hat die FDA zahlreiche orale, direkt antiviral wirkende Substanzen zur Behandlung der Hepatitis C zugelassen. In einem Review haben amerikanische Wissenschaftler jetzt den aktuellen Wissensstand zur Wirksamkeit und Sicherheit interferonfreier oraler Regime mit mindestens zwei DAA zur Behandlung der HCV-Genotypen 1 bis 6 zusammengefasst. Ergänzend untersuchten die Forscher die Effekte von Ribavirin (Copegus®, Rebetol®) bezüglich der SVR-
MERKSÄTZE
O Für alle HCV-Genotypen stehen interferonfreie orale DAARegime zur Verfügung.
O Orale DAA-Regime sind innerhalb eines relativ kurzen Behandlungszeitraums mit hohen SVR-Raten verbunden.
O Mit oralen DAA-Regimen kann auch bei HCV-Patienten mit HIV-Koinfektion, dekompensierter Leberzirrhose, schwerer Nierenerkrankung und bei lebertransplantierten HCV-Patienten eine hohe Heilungsrate erzielt werden.
Raten sowie die Wirksamkeit der DAA-Regime (± Ribavirin) bei HCV-Patienten, die früher als schwer behandelbar galten. Dazu gehören Personen mit dekompensierter Leberzirrhose, einer HIV-Koinfektion oder einer schweren chronischen Nierenerkrankung sowie lebertransplantierte Patienten. Im Rahmen ihres Reviews werteten die Autoren 42 englischsprachige Studien mit erwachsenen Teilnehmern und einer Dauer von mindestens 8 Wochen aus.
HCV-Genotyp 1
Für den weltweit häufigsten HCV-Genotyp 1 stehen sechs DAA-Regime zur Verfügung. Mit allen Regimen werden bei den meisten Patienten dieses Genotyps SVR-Raten > 95 Prozent erzielt. Grazoprevir/Elbasvir: Der NS3-Protease-Inhibitor Grazoprevir steht als Fixkombination mit dem NSA5-Inhibitor Elbasvir zur Verfügung (Zepatier®). Eine tägliche Applikation dieser Kombination über 12 Wochen war in Studien bei behandlungsnaiven und behandlungserfahrenen Patienten mit Genotyp 1a und Genotyp 1b mit SVR-Raten von 92 Prozent sowie von 99 bis 100 Prozent verbunden. Eine Leberzirrhose oder eine chronische Nierenerkrankung resultierte nicht in niedrigeren SVR-Raten. Bei Patienten mit Genotyp 1a und resistenzassoziierten Substitutionen (RAS) betrugen die SVR-Raten dagegen nur 58 bis 60 Prozent. Paritaprevir/Ritonavir/Ombitasvir ± Ribavirin: Der NS3Proteaseinhibitor Paritaprevir liegt in Kombination mit dem Wirkungsverstärker Ritonavir und dem NSA5-Inhibitor Ombitasvir als Fixkombination vor (Viekirax®). Zur Behandlung von Patienten mit HCV-Genotyp 1 wird zusätzlich der nicht nukleosidische NS5B-Polymerase-Inhibitor Dasabuvir (Exviera®) hinzugefügt. Das 3-DAA-Regime (ohne Ribavirin) war im Rahmen einer Behandlung von 12 oder 24 Wochen bei Patienten mit HCVGenotyp 1a mit geringeren SVR-Raten (90%) verbunden als bei HCV-Genotyp 1b (99%). Mit einer Zugabe von Ribavirin konnte die SVR-Rate bei Patienten mit HCV Genotyp 1a zwar auf 97 Prozent gesteigert werden. Unter Ribavirin kam es jedoch häufiger zu Anämie, Fatigue, Insomnie und Hautausschlägen. Bei zirrhotischen Patienten des HCV-Genotyps 1a war eine Behandlung mit dem 3-DAA-Regime plus Ribavirin über 24 Wochen mit höheren SVR-Raten verbunden als eine Behandlung über 12 Wochen (94,2% vs. 88,6%). Bei zirrhotischen und nicht zirrhotischen Patienten des HCV-Genotyps 1b wurden mit dem 3-DAA-Regime (± Ribavirin) innerhalb von 12 Wochen SVR-Raten von 97 bis 100 Prozent erzielt.
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FORTBILDUNG
Simeprevir/Sofosbuvir ± Ribavirin: Der NS3-Proteaseinhibitor Simeprevir (Olysio®) wird einmal täglich zusammen mit dem nukleosidischen NS5B-Polymerase-Inhibitor Sofosbuvir (Sovaldi®) appliziert. Bei einer Behandlungsdauer von 12 Wochen war diese Kombination bei behandlungsnaiven nicht zirrhotischen Patienten mit HCV-Genotyp 1a oder 1b mit SVR-Raten von 97 Prozent verbunden. Bei zirrhotischen Patienten (± Vorbehandlung) wurden niedrigere SVR-Raten von 79 und 91 Prozent beobachtet. Daclatasvir/Sofosbuvir: Mit der Kombination des NS5AHemmers Daclatasvir (Daklinza®) und Sofosbuvir wurden in zwei Studien innerhalb von 12 und 24 Wochen bei behandlungsnaiven und vorbehandelten Patienten SVR-Raten von 96 bis 100 Prozent erzielt – auch bei Patienten mit HIV-Koinfektion. Bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose waren die SVR-Raten mit 82 Prozent dagegen geringer. Ledipasvir/Sofosbuvir ± Ribavirin: Die Kombination Ledipasvir/Sofosbuvir steht als einmal täglich einzunehmende Einzeltablette zur Verfügung (Harvoni®). Bei behandlungsnaiven Patienten mit und ohne Zirrhose betrugen die SVRRaten bei 12-wöchiger Behandlung mehr als 95 Prozent. Bei vorbehandelten Patienten lagen die SVR-Raten ohne Ribavirin bei 86 Prozent und mit Ribavirin bei 97 Prozent. Bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose wurden SVRRaten von 85 bis 87 Prozent beobachtet. Velpatasvir/Sofosbuvir ± Ribavirin: Auch diese Kombination ist als einmal täglich einzunehmende Einzeltablette verfügbar (Epclusa®). Eine 12-wöchige Behandlung mit Velpatasvir/ Sofosbuvir war bei Patienten des HCV Genotyps 1a oder 1b mit SVR-Raten von 97 bis 99 Prozent assoziiert. Vergleichbare SVR-Raten wurden auch bei zirrhotischen und vorbehandelten Patienten beobachtet. Mit einer Zugabe von Ribavirin konnte bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose eine SVR-Rate von 94 Prozent erzielt werden.
HCV-Genotyp 3
Zur Behandlung des zweithäufigsten HCV-Genotyps 3 stehen drei DAA-Regime zur Verfügung. Daclatasvir/Sofosbuvir ± Ribavirin: In einer Phase-2-Studie erreichten 16 von 18 nicht zirrhotischen Patienten mit dieser Kombination (± Ribavirin) innerhalb von 24 Wochen ein SVR. Im Rahmen der Einzelgruppenstudie ALLY-3 erzielten 94 bis 97 Prozent der Teilnehmer (± Vorbehandlung) innerhalb von 12 Wochen ein SVR. Eine Zirrhose war in ALLY-3 mit signifikant geringeren SVR-Raten von 58 bis 69 Prozent verbunden. Bei Patienten mit dekompensierter Leberzirrhose konnten mit einer Zugabe von Ribavirin innerhalb von 12 bis 16 Wochen SVR-Raten von 83 bis 86 Prozent erzielt werden. Ledipasvir/Sofosbuvir ± Ribavirin: In einer Einzelzentrumstudie erreichten alle 26 behandlungsnaiven Teilnehmer mit Ledipasvir/Sofosbuvir + Ribavirin innerhalb von 12 Wochen ein SVR. Ohne Ribavirin betrug die SVR-Rate 64 Prozent. Velpatasvir/Sofosbuvir ± Ribavirin: Die Kombination Velpatasvir/Sofosbuvir war in einer Phase-III-Studie mit 522 Patienten (± Vorbehandlung, ± Zirrhose) innerhalb von 12 Wochen mit SVR-Raten von 95 Prozent verbunden. Unter Sofosbuvir + Ribavirin wurde bei einer Behandlungsdauer von 24 Wochen dagegen nur eine SVR-Rate von 80 Prozent erzielt.
HCV-Genotypen 2, 4, 5 und 6
Bei Patienten mit den Genotypen 2, 4, 5 und 6 wurde die Wirksamkeit von DAA-Regimen nur in relativ wenigen Studien untersucht. Zur Behandlung von Patienten mit HCVGenotyp 2 stehen Daclatasvir/Sofosbuvir und Velpatasvir/ Sofosbuvir ± Ribavirin zur Verfügung. Patienten mit HCVGenotyp 4 können mit Grazoprevir/Elbasvir ± Ribavirin, Paritaprevir/Ritonavir/Ombitasvir ± Ribavirin, Simeprevir/ Sofosbuvir, Ledipasvir/Sofosbuvir ± Ribavirin oder Velpatasvir/Sofosbuvir ± Ribavirin behandelt werden. Für Patienten mit den HCV-Genotypen 5 und 6 sind Ledipasvir/Sofosbuvir und Velpatasvir/Sofosbuvir verfügbar. Auch bei den HCV-Genotypen 2, 4, 5 und 6 wurden mit allen zugelassenen DAA-Regimen bei einer Behandlungsdauer von mindestens 12 Wochen hohe SVR-Raten erzielt. Velpatasvir/ Sofosbuvir erwies sich bei diesen HCV-Genotypen mit besonders hohen SVR-Raten von 99 Prozent als am wirksamsten.
Untergruppen
Mit oralen DAA-Regimen wurden auch bei HCV-Patienten
mit einer HIV-Koinfektion, mit dekompensierter Leberzir-
rhose, mit schwerer chronischer Nierenerkrankung sowie bei
lebertransplantierten HCV-Patienten hohe SVR-Raten erzielt.
In die ausgewerteten Studien wurden nur wenige Patienten
mit dekompensierter Leberzirrhose eingeschlossen. NS3-
Protease-Inhibitoren wie Simeprevir werden für diese Patien-
ten aufgrund ihres beeinträchtigten Stoffwechsels nicht emp-
fohlen. Paritaprevir und Grazoprevir sind bei zirrhotischen
Patienten in den Child-Pugh-Stadien B und C kontraindi-
ziert. Bei diesen Patienten beschränken sich die Behandlungs-
möglichkeiten auf Sofosbuvir in Verbindung mit einem
NS5A-Hemmer wie Daclatasvir, Ledipasvir oder Velpatasvir.
Ribavirin war bei diesen Patienten mit mehr nebenwirkungs-
bedingten Studienabbrüchen verbunden als eine Behandlung
ohne Ribavirin. Insgesamt kam es bei Patienten mit dekom-
pensierter Leberzirrhose weitaus häufiger zu Nebenwirkun-
gen (10–52%) als bei nicht zirrhotischen Patienten (< 10%). Bei lebertransplantierten HCV-Patienten mit dekompensier- ter Zirrhose betrugen die SVR-Raten nur 50 bis 80 Prozent. Für Personen mit schwerer chronischer Nierenerkrankung stehen nur wenige DAA-Regime zur Verfügung. In jeweils einer randomisierten, kontrollierten Studie wurden bei nie- renkranken Patienten mit HCV-Genotyp 1 unter Grazopre- vir/Elbasvir und unter Paritaprevir/Ritonavir/Ombitasvir + Dasabuvir SVR-Raten von 94 und 90 Prozent beobachtet. Ribavirin wurde von Nierenpatienten mit HCV-Genotyp 1a schlecht vertragen. Zu Patienten mit HCV-Genotyp 2 oder 3 und schwerer chronischer Nierenerkrankung liegen keine Studien vor. Für diese Personen wird deshalb immer noch Interferon empfohlen. O Petra Stölting Quelle: Falade-Nwulia O et al.: Oral direct-acting agent therapy for hepatitis C virus infection: a systematic review. Ann Intern Med 2017, Mar 21; DOI: 10.7326/M16-2575. Interessenlage: Vier der sechs Autoren der referierten Studie haben Gelder von verschiedenen Pharmaunternehmen erhalten. 614 ARS MEDICI 13 I 2017