Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Dermatologie
Schock-Selfies für mehr Sonnenschutz
Foto: UK-Essen
Wer sich stundenlang in die Sonne oder auf die Sonnenliege im Solarium legt, will vor allem schöner werden. Genau an diesem Punkt will Titus Brinker, Assistenzarzt an der Hautklinik des Universitätsklinikums Essen und gerade einmal 26 Jahre alt, Jugendliche und junge Erwachsene packen, um sie davon zu überzeugen, dass Sonnenschutz eine sinnvolle Sache ist. «Studien belegen, dass eine Hauptmotivation für ungesundes Bräunen das Steigern der eigenen Attraktivität ist. Die neue Sunface-App zeigt die mittel- und langfristige Realität am eigenen Gesicht», sagt Brinker. Man schiesst ein Selfie, wählt seinen Hauttyp und kann dann sein eigenes Gesicht in 5 bis 25 Jahren sehen – mit Sonnenschutz, ohne Sonnenschutz oder gar mit wöchentlichem Solariumsbesuch.
Das eigene Portrait im Zeitraffer altern
zu sehen, ist mitunter schockierend. So
schrieb ein User im iTunes-App-Store:
«...dass man sich schützen sollte ist
klar, aber hierdurch bekommt man ja
Angst, in der Natur in die Sonne zu
gehen.» Die App berechnet auch, wie
stark sich – je nach Verhalten – die
Wahrscheinlichkeit erhöht, Hautkrebs
zu bekommen. Sie erklärt dem Nutzer,
wie er Krebs und seine Vorstufen früh-
zeitig an der eigenen Haut erkennen
kann. Ausserdem gibt die App Empfeh-
lungen für richtigen Sonnenschutz und
ermöglicht über soziale Kanäle das Tei-
len des animierten Selfies als Video oder
Bild. Die App ist kostenlos für iPhone
und Android verfügbar.
redO
Pressemitteilung des Universitätsklinikums Essen vom 30. Mai 2017.
Medizingeschichte
3000 Jahre alt – ein Frauenzeh aus Holz
Zehenprothese aus dem thebanischen Grab TT95 bei Luxor; frühes 1. Jahrtausend v. Chr., Ägyptisches Museum Kairo, JE100016a
(© Universität Basel, LHTT; Foto: Matjaz Kacicnik)
Forscher der Universitäten Basel und Zürich haben einen künstlichen grossen Zeh aus Holz mit moderner Mikroskopie, Röntgentechnik und Computertomogra-
fie untersucht. Das Fundstück ist fast 3000 Jahre alt und stammt aus einer Frauenbestattung aus der Nekropole von Sheikh Abd el-Qurna bei Luxor. Die Prothese wurde offenbar zu Lebzeiten an den Fuss der Besitzerin, der Tochter eines Priesters, angepasst und dafür mehrmals überarbeitet. Mithilfe der heutzutage verfügbaren Methoden konnten nun auch die verwendeten Ma-
terialien sowie die Technik von Herstellung und Anwendung der hoch entwickelten Prothese aufgeklärt werden. Beteiligt waren neben den Ägyptologen aus Basel Forscher am Institut für Evolutionäre Medizin der Universität Zürich sowie Spezialisten des
Ägyptischen Museums Kairo, wohin die Prothese nach ihrer Auffindung gebracht worden war. Der künstliche Zeh aus dem frühen 1. Jahrtausend v. Chr. zeugt vom Geschick eines Kunsthandwerkers, der mit der menschlichen Physiognomie bestens vertraut war. Besonders an der
Beweglichkeit des Prothesenaufsatzes und an der robusten Struktur des Gurtbandes kann man das damalige technische Know-how gut erkennen. Der früheisenzeitliche Prothesenbefund stammt aus einem geplünderten Schachtgrab, das in den Felsboden einer älteren Grabkapelle am Friedhofshügel von Sheikh Abd el-Qurna westlich von Luxor, dem früheren Theben, geschlagen worden war. Diese Kapelle gehört zu einer Gruppe monumentaler Felsgräber aus dem späten 15. Jahrhundert v. Chr., die für eine kleine, dem Königshaus nahestehende Oberschicht erbaut worden waren. Seit Ende des Jahres 2015 untersucht das Basler Team gemeinsam mit Forschern der ETH und der Universität Zürich den altägyptischen Friedhof, seine lange Nutzungsgeschichte und seine Umgebung im Rahmen des vom Nationalfonds unterstützten Projekts «Life Histories of Theban Tombs». redO
Pressemitteilung der Universität Basel vom 20. Juni 2017.
574
ARS MEDICI 13 I 2017
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Kardiologie
Brustimplantate können EKG verfälschen Rückspiegel
Man weiss, dass Brustimplantate die Echokardiografie behindern. Nun ist klar, dass auch das EKG durch die Silikonkissen verfälscht wird. In einer Studie beurteilten zwei erfahrene Kardiologen die EKG-Aufzeichnungen von 48 gesunden Frauen; 28 von ihnen hatten Brustimplantate. Die Kardiologen wussten nicht, ob die EKG von Frauen mit oder ohne Implantat stammten. Die Elektrokardiogramme der Frauen ohne Implantate wurden fast durchweg als normal beurteilt, nur bei einem EKG hatte einer der beiden Ärzte Bedenken. Bei den Frauen mit Implantaten sah der Befund völlig anders aus: Hier beurteilte einer der Kardiologen 10 von 28 EKG als abnormal (38%), sein Kollege gar mehr als die Hälfte, nämlich 16 von 28 (57%). Die häufigste falschpositive Abweichung bei
den Frauen mit Brustimplantaten war eine negative T-Welle mit ST-Senkung. Dies könne zu einem falschen Verdacht auf koronare Herzerkrankung beziehungsweise Herzinfarkt führen, so der Kardiologe Dr. Sok-Sithikun Bun vom Princess Grace Hospital Monaco, der die Studie am Cardiostim-Kongress in Wien vorstellte. Frauen mit Brustimplantaten sollten ihren Arzt vor einem EKG darauf aufmerksam machen beziehungsweise die Ärzte ihre Patientinnen danach fragen. Ausserdem riet Bun dazu, bei allen Frauen vor dem Einsetzen eines Brustimplantats ein EKG anzufertigen, um für später eine Vergleichsmöglichkeit zu haben.
RBOO
Pressemitteilung der European Society of Cardiology vom 21. Juni 2017.
Vor 10 Jahren
Neuer Diättrend
Seit vielen Jahren wurde von Ernährungsberatern und Diätaposteln vor allem der Verzicht auf besonders fetthaltige Lebensmittel gepredigt. Doch allmählich ist ein neuer Trend zu verzeichnen: Die Rolle des «Bösewichts» wird nun eher den Kohlenhydraten zugeschrieben. Untermauert werden die neuen Tipps unter anderem mit einer Metaanalyse, wonach eine kohlenhydratreduzierte Kost bei gleichzeitiger Erhöhung der Fettzufuhr eine Besserung zahlreicher Stoffwechselparameter und eine Gewichtsabnahme bewirkte.
Neurologie
Fussballprofis spielen trotz Gehirnerschütterung weiter
Vor 50 Jahren
Hospizgründung
Cicely Saunders gründet in London das St. Christopher’s Hospiz für Patienten am Lebensende. Es gilt als das erste nicht kirchlich geführte Hospiz der Welt. Der erste Patient wird Anfang Juli 1967 aufgenommen.
© Alain Vermeulen – Fotolia
Trotz anders lautender Empfehlungen spielten die meisten Fussballer an der letzten Weltmeisterschaft 2014 trotz Verdacht auf Commotio cerebri weiter. Dies ergab die Videoauswertung aller 64 Spiele durch ein kanadisches Ärzteteam um Dr. Michael D. Cusimano vom St. Michael’s Hospital in Toronto. Sie werteten jede Kopfkollision (mit dem Ball oder mit einem Mitspieler) als potenzielle Gehirnerschütterung, falls der Betroffene nicht sofort weiterspielte und mindestens zwei Symptome zu sehen waren wie langsames Aufstehen, Desorientierung, Gleichgewichtsstörungen, Bewusstlosigkeit, anfallsartige Bewegungen oder Sich-den-Kopf-Halten. In den 64 Spielen wurden insgesamt 81 Kollisionen bei 61 Spielern gezählt. Dabei wiesen
45 Spieler zwei Anzeichen einer Gehirner-
schütterung auf, 22 Spieler hatten drei oder
mehr Symptome. In 11 von 67 Fällen, bei
denen der Betroffene zwei oder mehr Anzei-
chen einer Gehirnerschütterung aufwies, er-
hielt der Spieler keinerlei Unterstützung und
spielte sofort weiter. In 42 Fällen wurde ihm
auf dem Spielfeld geholfen, meist von einem
Mitspieler oder dem Schiedsrichter (17 Fälle),
seltener vom ärztlichen Team der Mannschaft
(15 Fälle). 11 Spieler mussten am Spielfeld-
rand betreut werden und kehrten danach ins
Spiel zurück, nur 3 Fussballer wurden endgül-
tig aus dem Spiel genommen.
RBOO
Cusimano MD et al.: Assessment of head collision events during the 2014 FIFA world cup tournament. JAMA 2017; 317(24): 2548–2549.
Vor 100 Jahren
Wundheilung mit Zucker
Zucker wird in den Lazaretten des Ersten
Weltkriegs als antibakterielles Agens wie-
derentdeckt: «Streut man Zucker auf wirk-
lich ‹faule› Wunden, so ändert sich sehr
schnell der Geruch (...) Unter der heftigen
Sekretion reinigen sich die Wunden auf-
fallend rasch», zitiert ARS MEDICI eine
Publikation aus Deutschland. Auch konkrete
Handlungsanweisungen werden gegeben:
«Die Wundflächen werden mit dem Streu-
zucker in dicker Lage bedeckt und darüber
ein trockener Verband angelegt. Täglicher
Verbandswechsel!»
RBO
ARS MEDICI 13 I 2017