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BERICHT
Herzinsuffizienz-Guidelines – was ist relevant für den Alltag?
Im letzten Update der Guidelines der European Society of Cardiology (ESC) werden die Grundzüge des Vorgehens bei Herzinsuffizienz bestätigt, ergänzt durch neue Empfehlungen zum Einsatz eines Angiotensinrezeptor-Neprilysininhibitors und zur intravenösen Eisensubstitution.
Halid Bas
«Bisher haben wir bei der systolischen Herzinsuffizienz differenziert zwischen ‹HFrEF› (heart failure with reduced ejection fraction, EF < 40%) und ‹HFpEF› (heart failure with preserved ejection fraction, EF > 50%)», erklärte Prof. Dr. med. Thomas Suter, Universitätsspital Bern, «in den neuen, 2016 publizierten europäischen Guidelines (1) zur Herzinsuffizienz ist jetzt dazwischen eine Kategorie ‹Herzinsuffizienz mit mittlerer Auswurffraktion› (heart failure with mid-range ejection fraction, HFmrEF) eingefügt worden.» Vorderhand habe dies jedoch keine praktische Bedeutung, die Hoffnung dahinter sei aber, dass neue Studien kommen und Daten generieren werden, «sodass wir später auch diesen Patienten etwas bieten können», so der Berner Kardiologe. Unverändert stützt sich die Therapie bei HFrEF auf die Kombination von Hemmung des Renin-AngiotensinSystems durch einen ACE-(angiotensin-converting enzyme-)Hemmer (oder alternativ Angiotensinrezeptorblocker, ARB) und auf Betablocker, jeweils in der höchstmöglichen Dosierung. Bleiben Symptome bestehen und liegt die linksventrikuläre Auswurffraktion unter 35 Prozent, folgt als nächster Schritt die Kombination mit einem Mineralokortikoidrezeptorantagonisten (MRA). Auch wenn sich mit diesen Medikamenten Sterblichkeit und Spitaleinweisungen deutlich senken lassen, bleibt die Herzinsuffizienz eine Krankheit mit sehr ungünstiger Pro-
Prof. Dr. med. Thomas Suter Foto: HB
gnose: Nach fünf Jahren beträgt die Mortalität trotz optimaler Therapie ungefähr 50 Prozent.
Valsartan/Sacubitril senkt Mortalität und Hospitalisationen Daher bedeutet die Aufnahme des Angiotensinrezeptor-Neprilysininhibitors (ARNI) Valsartan/Sacubritil (Entresto®) in die ESC-Guidelines eine willkommene Erweiterung der Therapieoptionen. Durch die Neprilysinhemmung wird die Wirkung von endogenen natriuretischen und anderen vasoaktiven Neuropeptiden verstärkt, was zu einer Gefässerschlaffung mit Abnahme von Blutdruck, Sympathikustonus, Fibrose und Hypertrophie führt, ergänzt durch die Effekte des ARB Valsartan. Die PARADIGM-HF-Studie konnte dokumentieren, dass die Therapie mit dem ARNI bei Patienten mit HFrEF zu relevanten Beeinflussungen
klinischer Parameter führt. Die Studie hatte die Patienten neben einer ausgebauten Basistherapie entweder zum ACE-Hemmer Enalapril oder zu Valsartan/Sacubitril randomisiert. Für den primären Endpunkt (Kombination von Tod wegen kardiovaskulärer Ursachen und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz) betrug die «number needed to treat» (NNT) 21 während einer Beobachtungsdauer von 2,25 Jahren. Für kardiovaskuläre Todesfälle wurde eine NNT von 31/2,25 Jahre berechnet, und für Spitaleinweisungen wegen Herzinsuffizienz war die NNT 36/2,25 Jahre. Auch die Gesamtmortalität wurde im Vergleich zum ACE-Hemmer deutlich gesenkt (NNT 36/2,25 Jahre).
Wer soll heute
Valsartan/Sacubitril bekommen?
«Sollen wir jetzt also den ACE-Hemmer bei allen Herzinsuffizienzpatienten durch einen ARNI ersetzen?», fragte Suter und gab gleich die Antwort aus seiner Sicht: zum heutigen Zeitpunkt nein. Grund dafür sei die Art, wie die Daten in der PARADIGM-HF-Studie erhoben wurden. Die Patienten wurden für die Studie ausgesucht, wenn sie den ACE-Hemmer Enalapril sowohl hinsichtlich Blutdruck als auch bezüglich Herzinsuffizienzsymptomen tolerierten, erst danach erfolgte die Randomisierung. «Ausserdem ist dieses Medikament sehr potent – die ‹number need to harm› für symptomatische Hypotonien betrug immerhin 21 –, und dies ist ein Grund, es richtig einzusetzen», mahnte Suter. Sofern der Blutdruck über 100 bis 110 mmHg liegt, profitieren alle Herzinsuffizienzpatienten. Auf Basis der PARADIGM-HF-Studie lässt sich auch sagen, dass ältere Patienten, selbst Achtzigjährige, von Valsartan/Sacubitril profitieren. Gute Kandidaten für den ARNI sind solche mit kürzlich
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ARS MEDICI 13 I 2017
BERICHT
zurückliegender Hospitalisation wegen Herzinsuffizienz, ausreichend hohem Blutdruck, erhöhtem BNP (brain natriuretic peptide) und Toleranz gegenüber einem ACE-Hemmer in adäquater Dosierung sowie angemessenem Volumenstatus. Mit Diuretika ist aber Vorsicht geboten. Wenn Herzinsuffizienzpatienten medikamentös zu sehr trockengelegt werden, führen ACE-Hemmer und auch die Kombination Valsartan/Sacubitril sehr rasch zu Problemen mit Blutdruck und Nierenfunktion. Allerdings ist der durchschnittliche Salzkonsum in der Schweiz deutlich zu hoch, auch bei Herzinsuffizienzpatienten, die sich bemühen, den Salzverzehr etwas einzuschränken. «Mit Diuretika versuchen wir, das mit dem Essen aufgenommene Salz wieder aus dem Körper zu entfernen. Wenn Sie das Torasemid nur am Morgen verschreiben, entfernen Sie nur das Salz aus dem Frühstück und Mittagessen. Daher ist eine zweite Dosis am Nachmittag sinnvoll, um auch das Abendessen abzudecken, selbst wenn das bei den Patienten einige Überzeugungsarbeit erfordert», wie Suter anmerkte.
Eisen vermindert
die Herzinsuffizienzsymptome
Zur Indikation der Defibrillatorimplantation hat die DANISH-Studie ein Fragezeichen gesetzt (3). In dieser randomisierten, kontrollierten Studie brachte die prophylaktische Defibrillatorimplantation bei Patienten mit symptomatischer systolischer Herz-
insuffizienz, die keine ischämische Herzerkrankung hatten, keine signifikant tiefere Langzeitgesamtmortalität. Die kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) wird durch Metaanalysen gestützt. Bei einer QRS-Dauer von 150 ms und mehr ist die Indikation gegeben, bei einer QRS-Dauer unter 130 ms nicht. Unsicherheiten bestehen noch in Abhängigkeit von der Morphologie der Überleitungsstörung, insbesondere bei Rechtsschenkelblock. In der schweizerischen Herzinsuffizienzkohorte des EVITA-RAID-Registers hatten 36 Prozent einen absoluten Eisenmangel und 19 Prozent einen funktionellen Eisenmangel (Ferritin 100– 300 µg/l, Transferritinsättigung < 20%), also gut die Hälfte wies eine nicht ausreichende Eisenversorgung auf. Wie die CONFIRM-HF-Studie zeigte, verminderte intravenös verabreichte EisenCarboxymaltose bei Herzinsuffizienz die Symptome (4). In Metaanalysen reduziert intravenöses Eisen auch die Hospitalisationen. Entsprechend halten die ESC-Guidelines fest: «Intravenöse Eisen-Carboxymaltose soll in Betracht gezogen werden bei symptomatischen Patienten mit HFrEF und nachgewiesenem Eisenmangel (SerumFerritin < 100 µg/l oder Ferritin 100– 299 µg/l und Transferrinsättigung < 20%), um die Herzinsuffizienzsymptome zu lindern sowie die Anstrengungskapazität und die Lebensqualität zu verbessern.» Dies ist eine Empfehlung der Evidenzklasse IIa mit dem Evidenzniveau A. Ein Blick auf die Empfehlungen zur Herzinsuffizienz mit erhaltener Auswurffraktion ist frustierend, wie Suter feststellte. Evidenzbasiert sollten systolischer und diastolischer Blutdruck kontrolliert und Diuretika verabreicht werden, alle anderen Optionen sind nicht befriedigend abgestützt. Zurzeit läuft eine Studie mit Valsartan/Sacubitril bei dieser Gruppe von Herzinsuffizienzpatienten in der Hoffnung, ihnen eine neue Therapie anbieten zu können. Eine deutsche Zusammenfassung der ESC-Guidelines (basierend auf 2012) ist verfügbar auf www.heartfailure.ch O Halid Bas Referenzen: 1. Ponikowski P et al.: 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: The Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC) Developed with the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur Heart J 2016; 37(27): 2129–2200. 2. McMurray JJ et al.: PARADIGM-HF Investigators and Committees: Angiotensin-neprilysin inhibition versus enalapril in heart failure. N Engl J Med 2014; 371(11): 993–1004. 3. Køber L et al.: DANISH Investigators: Defibrillator implantation in patients with nonischemic systolic heart failure. N Engl J Med 2016; 375(13): 1221–1230. 4. Ponikowski P et al.: CONFIRM-HF Investigators: Beneficial effects of long-term intravenous iron therapy with ferric carboxymaltose in patients with symptomatic heart failure and iron deficiency. Eur Heart J 2015; 36(11): 657–668. Quelle: 15. Zürcher Review Kurs in Klinischer Kardiologie, 6. April 2017 in Zürich. 586 ARS MEDICI 13 I 2017