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BERICHT
Hepatitis B: Kleine Schritte in Richtung Heilung
Ansatzpunkte zur potenziellen Viruselimination gesucht
Während die Hepatitis C heute als heilbare Krankheit gilt, sind vergleichbare Erfolge in der Therapie der Hepatitis B ausgeblieben. Nach wie vor gelingt es nicht, bei einem relevanten Prozentsatz der Patienten das Virus zu eliminieren. Doch neue Therapien befinden sich in der Pipeline.
Reno Barth
Nukleosid/Nucleotidanaloga (NUC) stellen heute die wichtigste Säule der Therapie der Hepatitis B dar und ermöglichen in der Regel eine langfristige und zuverlässige Unterdrückung des Virus. Eine Eradikation gelingt damit jedoch nur in Ausnahmefällen. Die heute erreichbaren Ziele sind die Unterdrückung von HBV-DNA, die Normalisierung der Transaminasen und der Verlust des HBeAg, das genetisch und strukturell mit dem nicht aus dem Serum nachweisbaren Core-Protein von HBV verwandt ist. HBeAg ist ein guter Replikationsmarker des Hepatitis-B-Virus. Ein ehrgeizigeres Ziel wäre die Elimination des Oberflächenantigens HBsAg. Diese kann spontan oder unter antiviraler Therapie eintreten – allerdings leider nur in Ausnahmefällen. Und nicht einmal das bedeutet Heilung. Denn das Ziel einer Viruseradikation gelingt nicht einmal dann, wenn das HbsAg verschwindet, denn das Virus kann auch in Form von cccDNA (covalently closed circular DNA) persistieren. Eine komplette Heilung ist nur durch die Elimination von cccDNA erreichbar.
Verbesserung therapeutischer
Optionen dringend gesucht
«Kombinationen der verfügbaren antiviralen Substanzen mit Interferon dürften um den Preis vermehrter Toxizitäten die Therapieergebnisse etwas ver-
bessern, aber sie bringen uns unserem Ziel nicht wesentlich näher», sagt Dr. Andrew Ustianowski vom North Manchester General Hospital. Neue Strategien sind daher dringend gefragt. Ein potenzielles Angriffsziel stellen dabei die Mechanismen dar, über die das Virus in die Leberzelle eindringt. Eine Substanz befindet sich in einem relativ fortgeschrittenen Stadium der Entwicklung. Myrcludex B ist ein synthetisches Polypeptid, das den NTCP-Rezeptor blockiert, den das Virus benötigt, um an die Leberzelle anzudocken. Bislang liegen Daten aus Phase-IIa-Studien vor, die eine Reduktion der Viruslast und des HBsAg zeigen (1).
Vielversprechende Angriffspunkte
Das vermutlich wichtigste potenzielle Ziel stellt die cccDNA dar, die – so Ustianowski – im Zellkern liegt wie ein «Mini-Chromosom». Bislang befinden sich jedoch alle Versuche, hier zu intervenieren, im Stadium von In-vitroExperimenten. Etwas weiter vorangekommen ist man mit Versuchen, die Transkription der Virus-DNA mittels RNA-Interferenz-Therapie zu stören. Erste Studien mit Menschen zeigen, dass Small-Interfering-RNA auf dem Weg des Gene-Silencing zu einem raschen Abfall von HBsAg führt (2). Bis zu einem klinischen Einsatz sind allerdings noch viele Probleme zu lösen – insbesondere betreffend Methode der Verabreichung. Eine weitere Strategie, die in präklinischen und sehr frühen klinischen Phase (Phase 1b) verfolgt wird, besteht darin, den Aufbau des Capsids zu stören und damit den Vermehrungszyklus des Virus zu unterbre-
chen. In vitro funktioniert das bereits bestens. Sogenannte Capsid-assembly Modulatoren (CAM) bewirken, dass das Virus nur noch leeres Capsid, teilweise auch in abnormen Formen, generieren kann. Ebenfalls versucht werden Eingriffe in die Produktion und die Freisetzung des Oberflächenantigens. Sogenannte sAgRelease-Inhibitoren sollen verhindern, dass HBsAg aus den Hepatozyten ins Plasma abgegeben wird. Erste klinische Daten liegen bereits vor. So wurden zwei dieser Substanzen (REP 2139 und REP 2165) in einer Studie mit 40 therapienaiven Patienten mit chronischer Hepatitis B untersucht, und sie führten in Kombination mit Tenofovir und PEG-Interferon zu einer erheblichen Reduktion oder sogar zum Verschwinden von HBsAg im Serum bei gleichzeitigem Anstieg von Anti-HBs. Die Therapie wurde gut vertragen, es kam jedoch zu vermehrten Flares der Transaminasen (3). Ustianowski warnt jedoch vor verfrühter Euphorie, zumal es sich hier um eine sehr kleine Studie handelt.
Checkpoint-Inhibitoren auch eine
Option bei HBV-Infektion?
Die bei der chronischen HBV-Infektion eingeschränkte Immunantwort ist ebenfalls Ziel intensiver Forschung. Historisch wurde dieser Weg bereits mit den Interferonen eingeschlagen, die insbesondere im Hinblick auf die Verträglichkeit suboptimale Ergebnisse bringen. Ein gegenwärtig in der Onkologie sehr erfolgreicher Ansatz ist das «Scharfmachen» des Immunsystems mit sogenannten Checkpoint-Inhibitoren, die an Rezeptoren von Immunzellen angreifen und deren Inhibition durch den Tumor (oder möglicherweise auch ein Virus) verhindern. Ein Problem stellt hier, so Ustianowski, das Nebenwirkungsprofil dieser Medikamente dar. Deren Toxizität sei perfekt akzeptabel bei Patienten mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen. Im Falle einer chronischen Infektion müssen jedoch höhere Anforderungen an die Verträglichkeit gestellt werden. O
Reno Barth
Quelle: «Cure for viral diseases», Sitzung am ECCMIDKongress 2017, am 23. April in Wien.
Literatur unter www.arsmedici.ch
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ARS MEDICI 12 I 2017
BERICHT
Referenzen: 1. Urban S et al.: A proof-of-concept Phase 2a clinical
trial with HBV/HDV entry inhibitor Myrcludex B. AASLD 2014, LB-20. 2. Yuen MF et al.: Differential reductions in viral antigens expressed from cccDNA vs integrated DNA in treatment naïve HBeAg positive and negative patients with chronic HBV after RNA interference therapy with ARC-520. EASL 2016. 3. Bazinet M et al.: Preliminary safety and efficacy of REP 2139-Mg or REP 2165-Mg used in combination with tenofovir disoproxil fumarate and pegylated interferon alpha 2a in treatment naïve Caucasian patients with chronic HBeAg negative HBV infection. 2016 AASLD Abstract 1848.
ARS MEDICI 12 I 2017