Transkript
FORTBILDUNG
Physiologisch oder krankhaft?
Was Hautzeichen im Alter verraten
Aufgrund der stetig steigenden Lebenserwartung und der demografischen Entwicklung werden Ärzte auch zunehmend mit Zeichen der alternden Haut konfrontiert. Aber was sind physiologische Veränderungen, und wo liegt die Grenze zwischen harmloser «Alterserscheinung» und krankhaften Veränderungen, die einer weiteren Abklärung und Therapie bedürfen?
Lidia M. Poppe und Heiko Poppe
Die Alterung der Haut ist definitionsgemäss eine Störung beziehungsweise Abschwächung von Immunabwehr, mechanischer Belastbarkeit, Thermoregulation, Feuchtigkeitsregulation sowie der Fähigkeit zur Wundheilung (6). Bei den Ursachen unterscheidet man intrinsische, chronologische Einflüsse von extrinsischen, durch die Umwelt induzierten Faktoren (4). Zu den intrinsischen Faktoren gehören der mit dem Alter verstärkt auftretende Östrogenmangel und die zunehmende
MERKSÄTZE
O Alterungsprozesse können zu einer Vielzahl von Hautveränderungen (z.B. Hyper-/Hypopigmentierungen, Gefässveränderungen, Degeneration von Fasern) führen. Zudem wird alternde Haut durch Dysregulation der Talgproduktion trockener und empfindlicher.
O Bei den Ursachen unterscheidet man intrinsische, chronologische Einflüsse (z.B. Östrogenmangel und zunehmende Aktivität von Matrix-Metalloproteinasen) von extrinsischen Faktoren (z.B. UV-Strahlen, Nikotin- und Alkoholkonsum).
O Die im Alter häufigsten gutartigen Neubildung stellen seborrhoische Keratosen (Alterswarzen) dar.
O Unter den malignen Hauttumoren ist das Basalzellkarzinom (Basaliom) der häufigste Subtyp, seltener sind Stachelzelloder Plattenepithelkarzinome und Melanome. Wegen der möglichen Verwechslung maligner Neubildungen mit harmlosen Hautveränderungen sollte bei verdächtigen Vergrösserungen oder Farbveränderung von Hautflecken stets ein Dermatologe hinzugezogen werden.
Aktivität der Matrix-Metalloproteinasen, die zu einem Abbau von interstitiellem Kollagen führt (5, 6). Wichtigster extrinsischer Faktor ist die UV-Strahlung und hier insbesondere das weniger energiereiche, dafür aber in tiefere Hautschichten vordringende UV-A. UV-A führt, ebenso wie Nikotin- und Alkoholkonsum, zu oxidativem Stress und somit zur Bildung von gewebeschädigenden reaktiven Sauerstoff- und Stickstoffspezies (7).
Typische Zeichen
In der Dermis zeigen sich eine verminderte Durchblutung und eine Abnahme der Kollagenproduktion; die Subkutis wird dünner bis atroph (3). Diese grundlegenden Alterungsprozesse können zu einer Vielzahl von Hautveränderungen führen. Insbesondere bei Pigmentläsionen ist neben Anamnese und Inspektion eine zusätzliche dermatoskopische Untersuchung mittels Auflichtmikroskop hilfreich. In unklaren Fällen kann eine Probebiopsie zur histologischen Klärung erforderlich sein (1, 6).
Pigmentverschiebungen
Es können sowohl Hyper- als auch Hypopigmentierungen auftreten. Hell- bis mittelbraune, homogen pigmentierte Flecken an lichtexponierten Hautarealen (besonders Gesicht, Handrücken, Unterarme) sind typisch für die Lentigo solaris (Lentigo senilis) (1) (Abbildung 1a, 1b). Zumeist lassen sich diese harmlosen Veränderungen klinisch diagnostizieren, mitunter kann es jedoch zu auffallend dunkelbraunen Flecken kommen, die dann auflichtmikroskopisch genauer untersucht werden sollten. Besonders im Gesichtsbereich können Pigmentflecken manchmal nur schwer von bösartigen Pigmentläsionen (Lentigo maligna, Lentigo-maligna-Melanom) oder einer pigmentierten aktinischen Keratose abgegrenzt werden, daher ist hier im Zweifel die Indikation zur Probebiopsie grosszügig zu stellen. Bei der harmlosen Hypomelanosis guttata idiopathica treten depigmentierte, hellbraune bis weissliche Flecken an den Extremitäten auf (Abbildung 1c). Diese können aber der Hefepilzerkrankung Pityriasis versicolor ähneln. Zweifelsfälle können durch Mikroskopie eines Tesafilm-Abklatschpräparats geklärt werden (1, 6).
Gefässveränderungen
Die Couperose (Abbildung 2a) ist eine Rötung von Wangen-, Nasen- und Kinnregion. Sie ist alleiniges oder Teilsymptom der Rosazea und an sich nicht behandlungsbedürftig. Viele Betroffene haben allerdings hohen Leidensdruck und wünschen
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Abbildung 1: Hellbraune, homogene Hyperpigmentierung an lichtexponierten Arealen einer 63-jährigen Patientin: Lentigo solaris (a, b); helle, zum Teil depigmentierte Flecken am Unterarm einer 55-jährigen Patientin: Hypomelanosis gutatta idiopathica (c)
Abbildung 2: Typisches Bild einer Couperose mit flächiger Rötung und Teleangiektasien zentrofazial (a); kleine, rötliche bis livide Papeln am Rumpf: senile Angiome (b); Purpura senilis und Pseudocicatrices stellaires am Unterarm einer 89-jährigen Patientin (c)
Abbildung 3: Klinische Zeichen einer solaren Elastose: tiefe Falten im Nacken: Cutis rhomboidalis nuchae (a); Komedonen, Hautverdickung und tiefe Falten periorbital: Morbus Favre-Racouchot (b)
eine Therapie. Eine länger anhaltende Besserung der Rötungen kann durch Behandlung mit einem Farbstofflaser, einem Nd:YAG-Laser oder mittels Intense Pulsed Light (IPL) erzielt werden. Zur symptomatischen Therapie ist in Deutschland seit 2014 der topische ␣-2-Rezeptor-Agonist Brimonidin zugelassen. Das als Gel verfügbare Präparat führt jedoch nur zu einem temporären Abblassen für einige Stunden (2). Als Angioma senilis (cherry angioma, seniles Hämangiom) werden harmlose kleine, rötliche Papeln bezeichnet, die einzeln oder multipel vor allem am Stamm auftreten können und unter Glasspateldruck abblassen (1) (Abbildung 2b). Die Purpura senilis entsteht durch eine degenerative Schädigung der Gefässwand und manifestiert sich in Form von stecknadelkopf- bis münzgrossen, scharf begrenzten, rötlichen bis blauroten, hämorrhagischen Flecken in atrophisch dünner Haut, vor allem an den Unterarmstreckseiten. Sie tritt auch unabhängig von der Einnahme von Antikoagulanzien auf (6) (Abbildung 2c).
Degeneration von Fasern
Typisch für die solare Elastose ist eine verstärkte tiefe Faltenbildung mit Verdickung der Haut, zum Teil kombiniert mit Komedo- und Milien-(kleine-Grieskörnchen-)ähnlichen Hautveränderungen. Sie macht sich zum Beispiel bemerkbar als Cutis rhomboidalis nuchae (Abbildung 3a) oder als Morbus Favre-Racouchot (Abbildung 3b). Als Pseudocicatrices stellaires werden narbenähnliche, linear bis sternförmig verlaufende, depigmentierte Hautveränderungen bezeichnet. Sie treten besonders bei Patienten mit atropher Haut auf und finden sich meist an den oberen Extremitäten. Nicht selten lässt sich eine längerfristige Anwendung von Kortisonpräparaten im Vorfeld erfragen (Abbildung 2c) (1, 6).
Dysfunktion der Sebostase
Alternde Haut wird durch Dysregulation der Talgproduktion (Sebostase) trockener und empfindlicher. Dies kann zu einem Exsikkationsekzem mit Juckreiz und geröteter und schuppender Haut führen. Weitere prädisponierende Faktoren sind eine chronisch-venöse Insuffizienz oder eine bis anhin subklinische atopische Diathese, die im Alter zu einer Spätmanifestation eines atopischen Ekzems führen kann (1). Wichtigste Gegenmassnahme ist eine konsequent rückfettende Basispflege nach dem sogenannten «Soak-and-seal»Prinzip: Unmittelbar nach dem Baden oder Duschen wird die gesamte Haut kurz abgetrocknet und mit einer urea- oder glyzerinhaltigen Lipolotio eingecremt. Hierbei ist auf ausreichende Menge pro Anwendung (ca. 30 g) zu achten. Zu Beginn der Behandlung ist meist eine parallele kurzfristige Lokaltherapie mit topischen Kortikosteroiden sinnvoll (1, 6). Die im Alter zunehmende Sebostase kann auch zu Milien (Abbildung 4) führen.
Gutartige Neubildungen
Seborrhoische Keratosen (Alterswarzen, Verruca seborrhoica senilis; seborrhoische Warze) sind die im Alter mit Abstand häufigste gutartige Neubildung. Sie treten zumeist multipel vor allem am Stamm und an den oberen Extremitäten auf. Das Spektrum der klinischen Erscheinungsbilder reicht von hautfarbenen bis gräulichen flachen Plaques bis hin zu stark pigmentierten, deutlich erhabenen fettigen
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Abbildung 4: Zahlreiche Milien an den Wangen einer 37-jährigen Patientin
Abbildung 5: Hell- bis dunkelbraune, flache oder erhabene Plaques sind typisch für seborrhoische Keratosen (Alterswarzen).
Abbildung 6: Zahlreiche Hyperkeratosen und erythematöse Plaques am Kapillitium: aktinische Feldkanzerisierung
Abbildung 7: Erhabener, hautfarbener bis rötlicher Knoten mit Teleangiektasien und perlenartigem Randsaum am Hals einer 59-jährigen Patientin: solide wachsendes Basalzellkarzinom (a); mehrere rötliche keratotische Plaques am Dekolleté eines 47-jährigen Patienten mit anamnestisch regelmässigem Solariumbesuch: oberflächliche Basalzellkarzinome (b)
Abbildung 8: Rötlicher Knoten mit Hyperkeratose im Randbereich: Plattenepithelkarzinom der Haut
Plaques mit den typischen pseudofollikulären Öffnungen. Irritierte seborrhoische Keratosen zeigen häufig eine raue, etwas gerötete und stärker verruköse Oberfläche (Abbildung 5). Der Begriff «seborrhoisch» ist eigentlich nicht zutreffend, da keine pathogenetische Verbindung zu den Talgdrüsen oder deren Funktion besteht (1).
Maligne Neubildungen
Mit zunehmendem Alter steigt auch das Risiko bösartiger Neubildungen der Haut, vor allem bedingt durch die kumulative Exposition mit UV-Strahlung. Aktinische Keratosen stellen eine Präkanzerose dar; ohne Therapie liegt das Risiko einer Entartung zu einem invasiv wachsenden Plattenepithelkarzinom bei 10 bis 20 Prozent (9). Bereits in der flachen Frühform ist eine Therapie obligat. Zum Einsatz kommen neben topischen Präparaten (Diclofenac/Hyaluronsäure, 5-Fluorouracil, Imiquimod und Ingenolmebutat) auch operative Verfahren, ablative Laser und die fotodynamische Therapie. Bei ausgedehntem Befall spricht man von aktinischer Feldkanzerisierung (Abbildung 6); solche
Patienten sollten hautfachärztlich vorgestellt werden (8, 10). Konsequenter Sonnenschutz ist dringend erforderlich. Unter den malignen Hauttumoren ist das Basalzellkarzinom (Basaliom) der häufigste Subtyp. Es wird als «semimaligner» Tumor eingestuft, da bis auf wenige Einzelfälle keine Metastasen entstehen. Im Gesichtsbereich imponieren Basalzellkarzinome zumeist als hautfarbene bis rötliche Plaques mit glasigem Randwall und Teleangiektasien (Abbildung 7). Am Rumpf dagegen findet sich gehäuft die oberflächliche Variante in Form von scharf begrenzten, rötlichen, leicht keratotischen flachen Plaques (sog. Rumpfhautbasaliom) (1, 6). Diese können mit einem Ekzem, einer Psoriasis oder einer Mykose verwechselt werden. Bei nicht unter entsprechender Lokaltherapie abheilenden Läsionen ist daher immer an die Möglichkeit eines Rumpfhautbasalioms zu denken, und dies ist bioptisch zu klären. Stachelzell- oder Plattenepithelkarzinome treten besonders an chronisch lichtexponierten Arealen wie den Ohrhelices, der Kopfhaut und der Unterlippe sowie an den Handrücken auf. Klinisch zeigen sich exophytische, hautfarbene, stärker
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Dr. med. Lidia M. Poppe Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten zertifizierte Ärztin für medizinisch-dermatologische Kosmetologie und dermatologische Lasertherapie durch die Deutsche Dermatologische Akademie (DDA) D-97688 Bad Kissingen
Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.
Abbildung 1 bis 8: © Lidia M. Poppe Abbildung 9: © mit freundlicher Genehmigung von Dr. med. Nikolaus Berens, Würzburg
Abbildung 9: Asymmetrische, mehrfarbig und inhomogen pigmentierte Makula: superfiziell spreitendes Melanom (a); rötlicher Knoten mit zentraler Ulzeration, im Randbereich flaue hellbräunliche Pigmentierung: superfiziell spreitendes, sekundär knotiges Melanom (b)
keratotische, gelegentlich krustig belegte, erodierte oder ulzerierte Papeln oder Knoten von derber Konsistenz (Abbildung 8) (1, 6). Plattenepithelkarzinome können metastasieren, zumeist in die regionalen Lymphknoten, selten auch in andere Organe. Bei entsprechendem Verdacht sollte ein Dermatologe hinzugezogen werden (8). Der schwarze Hautkrebs (Melanom) in seiner Sonderform Lentigo-maligna-Melanom tritt häufig im Gesicht bei älteren Menschen auf. Klinisch kann es von einem harmlosen Altersfleck schwer zu unterscheiden sein, daher sollte bei anamnestischer Angabe einer Vergrösserung oder Farbveränderung ein Hautarzt aufgesucht werden (Abbildung 9).
Literatur: 1. Altmeyer P, Paech V: Enzyklopädie Dermatologie, Allergologie, Umweltmedizin.
2. Aufl. 2011, Springer, Berlin, Heidelberg. 2. Gonser LI et al.: Pathogenesis, clinical picture, and current therapy of rosacea.
Hautarzt 2016; 67: 69–84. 3. Kottner J et al.: Präventive Hautpflege: Förderung der Hautgesundheit im Alter.
Ästhetische Dermatologie & Kosmetologie 2015; 6: 9–12. 4. Makrantonaki E, Zouboulis CC: Molekulare Ätiologie der Hautalterung. Hautarzt 2011;
62: 582–587. 5. Page-McCaw A et al.: Matrix metalloproteinases and the regulation of tissue remo-
delling. Nat Rev Mol Cell Biol 2007; 8: 221–233. 6. Plewig G et al.: Braun-Falco’s Dermatologie, Venerologie und Allergologie 2012.
6. Aufl., Springer, Berlin, Heidelberg 7. Stratigos A et al.: Diagnosis and treatment of invasive squamous cell carcinoma of the
skin: European consensus-based interdisciplinary guideline. Eur J Cancer 2015; 51: 1989–2007. 8. Ulrich C et al.: Skin changes following organ transplantation: an interdisciplinary challenge. Dtsch Arztebl Int 2014; 111: 188–194. 9. Vierkrötter A: Umweltverschmutzung und Hautalterung. Hautarzt 2011; 62: 577–581. 10. Werner RN et al.: The natural history of actinic keratosis: a systematic review. Br J Dermatol 2013; 169: 502–518.
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 7/2016. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autoren.
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