Transkript
EDITORIAL
Luftkur reloaded
uft ist lebenswichtig. Das schlägt sich auch in der Sprache nieder. Man braucht sie zum Atmen oder wenn man zwischen zwei Terminen «etwas Luft» einbauen will, und man wünscht sich unter Tauchern vor dem Abstieg in die Tiefe «gut Luft». Warum man die Luftfahrt so bezeichnet hat, und nicht als Luftflug, liegt vielleicht daran, dass der Begriff «in die Luft fliegen» schon anderweitig besetzt gewesen ist ... Wenn man Ärger hat, herrscht dicke Luft, und wenn man sich keine Luft macht, bleibt alles in der Luft hängen. Ist der Widersacher endlich weg, ist die Luft rein. Sie kann auch zum Schneiden sein, wenn es stinkt, oder einem vor Schreck ganz wegbleiben. Sie kann sich aber auch aus anderen Gründen rar machen. In der Schweiz leiden 3 Prozent der Bevölkerung an einer chronischen Bronchitis oder an einem obstruktiven Emphysem. Die Verteilung Stadt/Land ist ausgeglichen, etwas mehr Frauen als Männer sind betroffen. 88 Prozent des Verlusts an gesunden Lebensjahren geht aufs Konto von vier chronischen, nicht übertragbaren Krankheiten: HerzKreislauf-Krankheiten, Krebs, Atemwegserkrankungen und Demenz. Die Wahrscheinlichkeit, dass
man von mehreren Erkrankungen heimgesucht wird, steigt bekanntlich mit zunehmendem Alter an. In einem Land wie der Schweiz mit einer sehr hohen Lebenserwartung ist der Verlust der Gesamtlebensjahre nicht so wichtig, in den Vordergrund tritt der Verlust an gesunden Lebensjahren. Er kostet Lebensqualität, Selbstständigkeit und Geld (1). Im Aktionsplan der WHO, so auch der Schweiz, findet sich zur Förderung der Gesundheit in der Bevölkerung unter anderem die Förderung der «aktiven Mobilität» (1). Eine prospektive Studie aus Dänemark bei 55 000 Erwachsenen zwischen 50 und 64 Jahren mit einer Beobachtungszeit von 13 bis 17 Jahren zeigte nämlich, dass schon nur eine Stunde Sport, Velofahren oder Gartenarbeit pro Woche das Sterberisiko gegenüber Couch-Potatoes senkt. Dies unabhängig vom ursprünglichen Gesundheitszustand, von Risikofaktoren wie Übergewicht, Rauchen oder Bildungsgrad (1). Aktive Mobilität ist damit ist nicht nur für Gesunde wichtig, sondern auch für chronisch Kranke. Bei Krebserkrankungen kann körperliches Training die Fatigue reduzieren, zur Fitness beitragen und damit die Lebensqualität (2) erhöhen. Regelmässige körperliche Aktivitäten in niedriger Intensität können auch die Lebensqualität von COPD-Patienten steigern und die Anzahl der Rehospitalisationen vermindern (3). Also: Ab an die frische Luft!
Valérie Herzog
Referenzen: 1. Schweizerisches Gesundheitsobservatorium. Gesundheit in der Schweiz – Fokus
chronische Erkrankungen. Nationaler Gesundheitsbericht 2015. 2. Cramp F et al.: Exercise for the management of cancer-related fatigue in adults.
Cochrane Database Syst Rev 2012; 11: CD006145. 3. Thorpe O et al.: Barriers to and enablers of physical activity in patients with COPD fol-
lowing a hospital admission: a qualitative study. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2014; 9: 115–128.
ARS MEDICI 11 I 2017
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