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STUDIE REFERIERT
Ekzeme: Was bringen Feuchtigkeitscremes?
In einem Cochrane-Review erwiesen sich Feuchtigkeitscremes bei Ekzemen als wirksam. Sie linderten den Juckreiz, verlängerten die Zeit bis zum nächsten Flare-up und reduzierten die Schubrate. Mit wirkstoffhaltigen Feuchtigkeitscremes wurde eine ausgeprägtere Symptomlinderung erreicht als mit der Feuchtigkeitscreme allein oder als mit dem Wirkstoff allein. Mit der Anwendung von Feuchtigkeitscremes konnten topische Kortikosteroide eingespart werden.
Cochrane Database of Systematic Reviews
Das atopische Ekzem – auch bekannt als atopische Dermatitis oder Neurodermitis – ist eine chronische entzündliche Hauterkrankung, die durch spontanes Aufflammen (Flare-up) und Phasen der Remission gekennzeichnet ist. Die ersten Symptome zeigen sich meist in der frühen Kindheit. Etwa 60 Prozent der Neurodermitiserkrankungen entwickeln sich bereits im ersten Lebensjahr, und bei bis zu 90 Prozent der Betroffenen entwickelt sich das Ekzem vor einem Alter von fünf Jahren. In Studien wurde beobachtet, dass sich das Ekzem bei bis zu 70 Prozent der Betroffenen vor der Adoleszenz wieder zurückbildet oder zumindest bedeutsam bessert. Bei manchen Patienten tritt eine Neurodermitis aber auch erstmals im Erwachsenenalter auf. Die Neurodermitis ist vor allem durch trockene Haut, einen starken Juckreiz sowie durch schuppende und entzünd-
MERKSÄTZE
O Feuchtigkeitscremes verbessern die Hautbarrierefunktion und beugen Ekzemschüben vor.
O Feuchtigkeitscremes lindern bei Ekzemen den Juckreiz.
O Mit wirkstoffhaltigen Feuchtigkeitscremes wird eine ausgeprägtere Verbesserung der Symptomatik erreicht als mit der Feuchtigkeitscreme allein.
O Mithilfe von Feuchtigkeitscremes können topische Kortikosteroide eingespart werden.
liche Hautläsionen gekennzeichnet. Juckreiz und Entzündungen können zu Schlaf- oder Konzentrationsstörungen führen und beeinträchtigen häufig die gesamte Lebensqualität. An der Entwicklung des Ekzems sind genetische Faktoren beteiligt. Bei familiären Atopien besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Neurodermitis. Umweltfaktoren wie Aeroallergene, Mikroben, Nahrungsmittel, Antibiotika, Rauchen, Luftschadstoffe, hautreizende Substanzen oder eine übertriebene Hygiene sind ebenfalls an der Entwicklung von Ekzemen beteiligt. Aus neueren Forschungen geht hervor, dass Defekte der Hautbarrierefunktion die entzündliche Aktivität des Ekzems massgeblich fördern.
Feuchtigkeitscremes
im Ekzemmanagement
Zur antientzündlichen Behandlung von Ekzemen stehen topische Kortikosteroide, Teerkohlepräparate oder topische Calcineurinhemmer zur Verfügung. Die Befeuchtung der Haut mit geeigneten Präparaten gehört ebenfalls zur Standardbehandlung. Feuchtigkeitscremes verbessern die Hautbarrierefunktion, reduzieren die Hauttrockenheit, vermindern den transepidermalen Wasserverlust und lindern den Juckreiz. Feuchtigkeitsspendende Pflegeprodukte können hydrophile oder lipophile Komponenten enthalten. Hydrophile Komponenten sind vorwiegend zur Befeuchtung der Haut geeignet, während lipophile Substanzen eher als Hautverschluss dienen und die Wiederherstellung der Hautbarrierefunktion unterstützen. Befeuchtungsmittel wie Harnstoff, Glyzerin oder Milchsäure erhöhen die Aufnahme und die Retention von
Wasser in der Hornschicht. Okklusive Substanzen wie Vaseline, Mineralöl oder Silikonöl bilden eine Schicht auf der Hautoberfläche und verhindern den transepidermalen Wasserverlust. Emollienzien wie Lanolin, Glyzerinstearat und Sojasterole machen die Haut geschmeidig und glatt. Feuchtigkeitsspendende Pflegeprodukte stehen in verschiedenen Darreichungsformen wie Öl-in-Wasser-Emulsionen, Wasser-in-ÖlEmulsionen, Salben, Lotionen, Ölen, Gels oder Sprays zur Verfügung.
Cochrane-Review
In einem Cochrane-Review untersuchten Experten die Effekte von Feuchtigkeitscremes bei Ekzemen anhand einer Auswertung von 77 Studien, an denen 6603 Patienten mit einem durchschnittlichen Alter von 18,6 Jahren teilgenommen hatten. Die durchschnittliche Studiendauer lag bei 6,7 Wochen. In 6 Studien war die Anwendung einer Feuchtigkeitscreme mit besseren Werten auf der Skala des Fragebogens SCORAD (Scoring Atopic Dermatitis) verbunden als keine Anwendung einer Feuchtigkeitscreme. Die minimale klinisch relevante Differenz (MID) wurde allerdings nicht erreicht. Unter den Feuchtigkeitscremes war die Rate der Ekzemschübe deutlich niedriger, und es verging eine längere Zeit bis zum nächsten Flare-up. Ausserdem wurden unter Feuchtigkeitscremes weniger topische Kortikosteroide benötigt. Unter Atopiclair enthaltenden Cremes (Glycyrrhizinsäure; als Bestandteil von Cremes nicht im AK der Schweiz) verspürten Patienten in 3 Studien eine deutliche Verbesserung des Hautzustands im Vergleich zu Patienten, die mit der Trägersubstanz behandelt wurden. Atopiclair linderte den Juckreiz, reduzierte die Anzahl der Schübe und war mit besseren Werten auf dem Eczema Area and Severity Index (EASI) verbunden. Harnstoffhaltige Cremes waren in 1 Studie bei mehr Patienten mit einer Verbesserung des Hautzustands verbunden als Plazebo und senkten die Schubrate um etwa ein Drittel. Allerdings waren harnstoffhaltige Cremes auch häufiger mit unerwünschten Wirkungen wie brennenden oder stechenden Hautempfindungen verbunden. In 3 Studien waren Glyzerin enthaltende Cremes wirksamer als die Trägersubstanz oder Plazebo.
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STUDIE REFERIERT
Regelmässige Anwendung von glycerinhaltigen Emollienzien reduziert Flare-ups und spart Kortikosteroide bei Kindern mit AD
Eine aktuelle randomisierte Open-label-Studie bestätigt die Wirksamkeit von glyzerinhaltigen Emollienzien zur Behandlung von leicht bis mässig ausgeprägter atopischer Dermatitis (AD) im Kindesalter. In dieser vom das Testmedikament herstellenden Pharmaunternehmen Pierre Fabre unterstützten, an 27 Zentren in fünf europäischen Ländern (Frankreich, Estland, Litauen, Polen, Rumänien) durchgeführten Untersuchung an insgesamt 335 Kindern im Alter zwischen 2 und 6 Jahren wurde eine auch in der Schweiz zugelassene glyzerin-, vaselin- und paraffinhaltige Feuchtigkeitscreme (V0034CR, Dexeryl®) auf ihren Nutzen zur Verhinderung von Ekzemschüben (Flare-ups) und zur Einsparung von topischen Kortikosteroiden hin geprüft. Dazu erhielten die kleinen Patienten zunächst zur Behandlung eines aktuellen Schubes ein potentes topisches Kortikosteroid (Desonid). Nach einer darunter erreichten Auflösung der Hautläsionen erfolgte eine 1:1:1-Randomisierung zu einer 12-wöchigen Weiterbehandlung mit einem Emmoliens – entweder die V0034CR-haltige Feuchtigkeitscreme oder, als Referenz, eine Zubereitung, die die nachgewiesenermassen wirksame Substanz Atopiclair enthielt – oder zu keinerlei Weiterbehandlung. Zwischenzeitlich neu aufgetretene Flare-ups wurden medizinisch evaluiert und anschliessend wiederum mit Desonid bis zum kompletten Abheilen behandelt.
Nach Ablauf der 12-Wochen-Testphase war der Anteil der Kinder, die unterdessen mindestens einen neuen Ekzemschub entwickelten, unter denjenigen, welche V0034CR erhalten hatten, statistisch signifikant geringer (35,1%) als bei den Kindern, die nicht mit Emollienzien behandelt worden waren (67,6%; p < 0,001), und auch kleiner als in der Atopiclairgruppe (52,6%). Zudem war der Prozentsatz derjenigen, welche eine Anschlussbehandlung mit Kortikosteroiden oder Immunsuppressiva benötigten, in der nicht mit Emollienzien behandelten Gruppe wesentlich höher (43,3%) als unter den mit V0034CR behandelten Kindern (23,6%, p = 0,002). Ganz ohne Kortikosteroide kamen nur 36,1 Prozent der nicht mit Emollienzien behandelten Kinder aus, hingegen 64,9 Prozent in der V0034CR-Gruppe und 47,4 Prozent in der Atopiclairgruppe. Die Kinder letzterer beider Gruppen entwickelten im Vergleich zu denen ohne Emollienzienbehandlung Flare-ups später und insgesamt seltener und erzielten höhere Raten kompletter Remission sowie bessere Resultate in den zur Evaluation der Symptomschwere herangezogenen Testscores (Investigator Global Assessment [IGA], Scoring Atopic Dermatitis [SCORAD]). V0034CR wurde während der 12-wöchigen Behandlung gut vertragen und lieferte keinerlei Anlass für konkrete Sicherheitsbedenken.
Tiplica GS et al.: Prevention of flares in children with atopic dermatitis with regular use of an emollient containing glycerol and paraffin: a randomized controlled study. Pediatr Dermatol 2017, Mar 7 [Epub ahead of print]; DOI: 10.1111/pde.13113.
In 4 Studien wurde bezüglich der Schwere des Ekzems kein signifikanter Unterschied zwischen einer Feuchtigkeitscreme mit Haferextrakten und der Trägersubstanz oder keiner Behandlung beobachtet. Die Schubrate war unter der Haferextrakt enthaltenden Creme jedoch deutlich geringer. Zudem waren unter der Haferextrakt enthaltenden Creme weniger topische Kortikosteroide erforderlich als unter der Trägersubstanz.
Eine Licochalcon enthaltende Creme erwies sich in 3 Studien als ebenso wirksam wie eine 1-prozentige Hydrokortison-Acetat-Creme. In anderen Studien wurde mit Fluticasonpropionat (2-mal wöchentlich) in Kombination mit einer Feuchtigkeitscreme eine effektivere Ekzemkontrolle erreicht als mit der Feuchtigkeitscreme allein. Die Fluticasonpropionat enthaltende Creme reduzierte die Anzahl der Personen, die einen Ekzemschub erlitten, und senkte die Schubrate.
Diskussion
Insgesamt zeigten Feuchtigkeitscremes
bei Ekzemen eine günstige Wirkung.
Sie verminderten die Schwere der Neu-
rodermitis, linderten den Juckreiz und
reduzierten die Anzahl der Schübe.
Zudem konnte mithilfe der Feuchtig-
keitscremes die Kortikosteroidmenge
reduziert werden, die sonst für eine
ähnliche Verbesserung der Symptoma-
tik erforderlich gewesen wäre. Topisch
aktive Substanzen waren in Kombina-
tion mit Feuchtigkeitscremes effektiver
als der Wirkstoff allein.
Aus dem Review geht allerdings nicht
hervor, wie oft und in welcher Menge
feuchtigkeitsspendende Pflegeprodukte
angewendet werden sollten. Zudem
umfassten die Studien keine Informa-
tionen, welche Feuchtigkeitscremes für
welche Körperpartien am besten ge-
eignet sind oder welche Präparate zu
verschiedenen Jahreszeiten oder bei be-
stimmten persönlichen Charakteristika
bevorzugt werden sollten. Des Weite-
ren liefert der Review keine Hinweise
zur Wirksamkeit einzelner Präparate
im Zusammenhang mit dem Krank-
heitsstatus (akut oder chronisch) oder
der Ausprägung des Ekzems (leicht,
mittel, schwer). Die Auswahl eines ge-
eigneten Präparates sollte sich daher
am Hautzustand und an den Präferen-
zen der Patienten orientieren.
O
Petra Stölting
Quelle: van Zuuren EJ et al.: Emollients and moisturisers for eczema. Cochrane Database Syst Rev 2017; 2: CD012119.
Interessenlage: Der referierte Cochrane-Review wurde vom National Institute for Health Research (NIHR) finanziert. Einer der sieben Autoren hat Gelder von verschiedenen Pharmaunternehmen erhalten.
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