Transkript
Die Zukunft der Medikamentenabgabe: digital und ohne Marge?
Am 30. März war es so weit: Die Ärzte mit Patientenapotheke (APA) versammelten sich zu ihrer Generalversammlung mit anschliessendem Informationsanlass. Zur öffentlichen Informationsveranstaltung fanden sich über hundert Teilnehmende ein, was angesichts des Aufgebots an prominenten Referenten auch nicht verwunderte. So standen denn nach einem «Bericht aus Bern» des FMH-Präsidenten Dr. med. Jürg Schlup auch gleich zwei heisse Eisen im Zentrum: Zum einen die digitale Medikation, zum andern das Themenfeld «Festpreise bei Medikamenten».
Michael Lindenmann
eMedikation als Schlüssel für eHealth Zu Beginn legte Sven Bradke, APA-Geschäftsführer, dar, weshalb bei allen Bemühungen um eHealth die eMedi-
APA-Geschäftsführer Sven Bradke fordert ein Umdenken bei der jetzigen eHealth-Strategie des Bundes.
daten zugreifen würden, so betreffe es überwiegend Informationen zu Medikamenten. Laborwerte, Berichte, Diagnosen oder Vitalwerte würden demgegenüber eine viel kleinere Rolle spielen. Stünden die Angaben zu Dosierung, Einnahmeintervall, allfälligen Interaktionen und so weiter von Medikamenten allen Leistungserbringern auf einer schweizweiten Datenbank zur Verfügung, so Bradke, liesse sich die Fehlerquelle Nr. 1 im Schweizer Gesundheitswesen vermeiden. Und zwar die Fehlmedikation, die für fast 5 Prozent der Hospitalisationen und dementsprechend für Kosten in Milliardenhöhe verantwortlich sei. Diesem Faktum werde bei der eHealth-Strategie des Bundes jedoch viel zu wenig Rechnung getragen. Bradke schloss damit, dass eMedikation keine eNebensache sei, alles andere aber schon.
Preisreformen
bei Medikamenten unabdingbar
Im Anschluss erläuterte der Direktor von curafutura, Pius Zängerle, warum Preisreformen bei Medikamenten unabdingbar seien. So sei es erstens ungerecht, dass die Margen unabhängig vom jeweiligen Vertriebskanal für alle gleich hoch seien. Biete doch der eine Vertriebskanal einen wirklichen Mehrwert, wohingegen Beratungsdienstleistungen anderer Kanäle dieselbe Marge
nicht rechtfertigen würden. Curafutura befürworte daher eine leistungsgerechte Tarifierung. Zweitens würden Generika in der Schweiz noch immer zu wenig verschrieben und seien zudem 40 bis 50 Prozent teurer als im Ausland. Das heutige System des differenzierten Selbstbehalts habe daran nichts geändert. Deshalb müsse ein Festbe-
Pius Zängerle, Direktor von curafutura, steht für ein Festbetragssystem bei Generika ein.
tragssystem für Generika eingeführt werden. Drittens würden die bisherigen vom BAG zur Preisfestsetzung angewandten Entscheidungskriterien nicht genügen. Aus Sicht von curafutura müssten diese um folgende Kriterien erweitert werden: Beschränkung der Erstzulassung aller Medikamente auf zwei oder drei Jahre, jährliche Preisüberprüfung aller Medikamente, restriktivere Handhabung des Innovationszuschlags. Viertens müsse den Krankenversicherern, den Verbraucherund Patientenorganisationen ein Beschwerderecht gegen Preis- und Zulassungsverfügungen eingeräumt werden. Vorschläge, die bei den Ärzten nicht auf grosse Freude stiessen.
eMedikation ist keine eNebensache
kation im Fokus stehen müsse, sei die digitale Medikation doch der zentrale Schlüssel für eHealth. Betrachte man beispielsweise die Häufigkeit, mit der Ärzte, Apotheker, Pflegefachpersonen sowie Patienten auf zentrale Patienten-
Damit eHealth allen Beteiligten einen Mehrwert liefert, muss aus Sicht der APA O die eMedikation stärker in den Fokus gestellt werden O eine Datenbank auf Ebene Bund geschaffen werden O der Zugriff auf Patientendaten für Fachpersonen einfach möglich sein O die Finanzierung durch diejenigen erfolgen, die am Ende profitieren.
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Kostensenkung dank Festpreisen? Axel Müller von Intergenerika eröffnete sodann sein Referat mit der Fest-
Intergenerika-Geschäftsführer Axel Müller warnt davor, auch in der Schweiz ein Festpreissystem einzuführen.
stellung, dass sich in Europa in Sachen Medikamentendistribution ein negativer Trend abzeichne. So habe sich die Entscheidungskompetenz bei der Medikamentenabgabe von den Ärzten und Apothekern hin zu den Krankenkassen verlagert. Diese würden in erster Linie auf preisliche Aspekte fokussieren. Nun habe man in der EU sogenannte Festpreise1 eingeführt, um die Arzneimittelkosten zu minimieren. Bei einem Festpreissystem legen die Krankenversicherer Höchstpreise für die Erstattung bestimmter Medikamente fest. Obschon ein solches System im ersten Moment als kostensenkend erscheine, habe es genau den gegenteiligen Effekt: Zum einen würden patentierte, teurere Medikamente verschrieben, um den Festpreis in die Höhe zu treiben. Bei Generika käme es ab Festsetzung eines Festpreises kurzfristig zu Preissenkungen und damit zu einer Mengenausweitung. In der Konsequenz würden der Medikamentenverbrauch sowie die -kosten steigen. Weiter würden Hersteller von Originalpräparaten die kurzfristigen Preissenkungen dazu nutzen,
um ein eigenes Generikum zum Festpreis zu lancieren. In der Folge käme es wiederum zu einer Mengenausweitung bei Generika. Die Originalpräparate würden tendenziell noch teurer. Mittelfristig müsste wieder mit einem Kostenanstieg gerechnet werden. Aus diesen Gründen komme ein Festpreissystem für die Schweiz nicht infrage. Eine Position, die auch die APA seit Jahren vertritt.
eRezept als Türöffner Walter Oberhänsli, Delegierter des Verwaltungsrates der Zur Rose Group AG,
Walter Oberhänsli, Delegierter des Verwaltungsrates der Zur Rose Group AG, sieht im eRezept den Schlüssel für weitere eHealth-Anwendungen.
schloss schliesslich den Kreis, indem er unter anderem aufzeigte, wo die Vorteile des eRezepts liegen und wie diesbezüglich der Stand der Dinge in der Schweiz ist. Seit 2001 setze in der Schweiz die Versandapotheke Zur Rose in Kantonen ohne SD auf das eRezept, wobei bisher erst rund 1400 Ärzte damit arbeiten würden. Angesichts der Vorteile des eRezepts (eindeutig, fälschungssicher, keine Medienbrüche) gegenüber demjenigen auf Papier, müsse hier noch einiges an Arbeit geleistet werden. Vor allem, weil das eRezept als der Türöffner für den Austausch weiterer medizinischer Daten zu betrachten sei.
1In der Schweiz wird anstelle des Begriffs «Festpreis» neu der Terminus «Referenzpreis» verwendet.
Wer ist die APA?
Die Vereinigung der Ärzte mit Patientenapotheke (APA) setzt sich für eine sichere, qualitativ hochstehende und günstige Medikamentenversorgung der Patientinnen und Patienten ein. Hierbei vertritt sie die Interessen der selbstdispensierenden Ärzte gegenüber der Politik, der Industrie und den Grossisten. Die APA ist als Verein organisiert und umfasst rund tausend Mitglieder. Für APA-Mitglieder ist das Handbuch «Qualitätssicherung der Praxisapotheke» kostenlos. Zudem erhalten sie gratis ein sogenanntes «Protokollheft». Darin sind alle Protokolle aus dem Handbuch enthalten. Werden auch Sie bei uns Mitglied und füllen Sie den Anmeldetalon auf unserer Website aus (www.patientenapotheke.ch), oder kontaktieren Sie uns via Mail (info@patientenapotheke.ch), Telefon (071 246 51 40) oder Fax (071 246 51 01).
Ärzte mit Patientenapotheke (APA) Kolumbanstrasse 2, Postfach 148, 9008 St. Gallen
Verabschiedung von Richard Altorfer aus dem APA-Vorstand
Nach langjährigem Engagement für die Selbstdispensation kann Richard Altorfer nun seinen wohlverdienten Ruhestand geniessen.
Über Jahre hinweg hat sich Richard Altorfer für die flächendeckende Einführung der Selbstdispensation im Kanton Schaffhausen stark gemacht. Und zwar in dreierlei Hinsicht: Erstens als langjähriges und äusserst engagiertes APA-Vorstandsmitglied. Zweitens als Arzt mit der spitzen Feder, sprich als Verleger und Redaktor von «Ars Medici». Und drittens als treibende Kraft bei der erfolgreichen Abstimmung vom 25. November 2012 über die Einführung der ärztlichen Medikamentenabgabe im ganzen Kanton Schaffhausen. Anlässlich der APAGeneralversammlung wurde Richard Altorfer feierlich aus dem Vorstand verabschiedet.
Wahl von Benjamin Heinz in den APA-Vorstand
Mit Benjamin Heinz konnte ein ausgezeichneter Nachfolger für Richard Altorfer gefunden werden.
Dass Richard Altorfer nicht leicht zu ersetzen sein würde, war dem gesamten APA-Vorstand von Anfang an klar. Zum Glück konnte mit dem Schaffhauser Benjamin Heinz ein geeigneter Nachfolger gefunden werden. Auch er hat sich mit grossem Einsatz für die Abstimmung vom 25. November 2012 über die Einführung der SD im ganzen Kanton Schaffhausen stark gemacht. Damals als Aktuar der Kantonalen Ärztegesellschaft des Kantons Schaffhausen. Als neues APA-Vorstandsmitglied wird er die 2018 anstehende Einführung der SD in den Städten Schaffhausen und Neuhausen aktiv begleiten.
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