Transkript
FORTBILDUNG
Biopharmazeutika verbessern die dermatologische Therapie
Gute Ergebnisse mit Biologika und Biosimilars bei Psoriasis, Urtikaria oder SLE
Biotechnologische Medikamente nehmen in unserer ärztlichen Tätigkeit bereits eine alltägliche Rolle ein. In der nicht onkologischen Dermatologie wurde besonders die Behandlung der Psoriasis, aber auch zum Beispiel die der Urtikaria und des systemischen Lupus erythematodes (SLE) dadurch erweitert beziehungsweise revolutioniert. Ich möchte kurz aus meiner Sicht wichtige Entwicklungen der letzten beiden Jahre zusammenfassen.
wertvolle Tipps im Umgang mit Biologika in diesen heiklen Phasen der Fortpflanzung. Biologika können nach Empfehlung des Center for Pharmacovigilance and Consultation on Embryonal Toxicology, Charité Berlin, während der Konzeption, im ersten Trimester der Schwangerschaft und während der Laktation problemlos verabreicht werden. Vorsicht ist geboten während des zweiten und dritten Trimenons der Schwangerschaft. Durch aktiven diaplazentaren Transport kann es zur Akkumulation von monoklonalen Antikörpern im Fetus kommen, assoziiert mit Infektgefahr bis über die Geburt hinaus.
Gudrun Ratzinger
Biologika bei Kindern Die kindliche Psoriasis (1) ist mit einer Prävalenz von etwa 1 Prozent etwas seltener als die bei Erwachsenen. Bei Kindern ist häufiger das Gesicht betroffen, die Psoriasisarthritis ist rar. Bezüglich Komorbiditäten muss man vor allem auf die rheumatoide Arthritis und den Morbus Crohn achten. Seit 2011 ist Etanercept (Enbrel®) bei Kindern ab dem 6. Lebensjahr (Psoriasis vulgaris) beziehungsweise ab dem 12. Lebensjahr (Psoriasisarthritis) zugelassen. Seit 2015 sind zusätzlich Adalimumab (Humira®) für Kinder mit Psoriasis vulgaris ab dem 4. Lebensjahr (nach topischer oder UV-Therapie) und Ustekinumab (Stelara®) für Kinder mit Psoriasis vulgaris ab dem 12. Lebensjahr zugelassen.
Biologika und Schwangerschaft Klassische antipsoriatische Systemtherapien sind in Konzeption, Schwangerschaft und Stillzeit nur beschränkt zulässig. Ein Übersichtsartikel von Grunewald im «JDDG» (2) gibt
Biosimilars
Im Jahr 2015 wurden wir im Rahmen der Psoriasistherapie auch mit Biosimilars konfrontiert. Biosimilars (3) sind Nachahmerprodukte von biotechnologisch hergestellten Pharmazeutika. Es handelt sich um Proteine, die dem Originalbiologikum in der Primärstruktur gleichen, jedoch beispielsweise Unterschiede im Glykosylierungsmuster aufweisen können. Auch das Originalprodukt kann derartigen Schwankungen unterliegen, die sich zum Beispiel auf die Pharmakokinetik auswirken können. Zur Zulassung eines Biosimilars muss die Bioäquivalenz gegenüber dem Originalbiologiokum in einer Indikation nachgewiesen werden. Beispielsweise wurde sie im Fall von Infliximab (Original: Remicade®) bei rheumatoider Arthritis für die Biosimilars Remsima® und Inflectra® nachgewiesen. Beide Nachahmerprodukte wurden im Jahr 2015 zugelassen. Wahrscheinlich sind Biosimilars gleich gut wie die Originalpräparate. Die Erfahrung wird zeigen, inwieweit der Nachweis der Bioäquivalenz in einer Indikation wirklich auf alle zugelassenen Indikationen des Originals extrapoliert werden kann.
MERKSÄTZE
O Biotechnologische Medikamente haben in den letzten Jahren in der Dermatologie einen immer grösseren Stellenwert bekommen und werden bei Kindern und Erwachsenen erfolgreich etwa zur Behandlung von Psoriasis, Urtikaria und SLE eingesetzt.
O Neben den Original-Biologika sind seit kurzer Zeit mit den sogenannten Biosimilars auch Nachahmerprodukte auf dem Markt erhältlich.
IL-17-Inhibitoren
Interleukin-(IL-)17 ist ein zentrales Zytokin in der Pathogenese der Psoriasis. IL-17-Antagonisten binden an IL-17A und entfalten somit entzündungshemmende und immunmodulierende Eigenschaften. Secukinumab (Cosentyx®) wurde im Februar 2015 zur Behandlung der Psoriasis vulgaris und im Oktober 2016 zur Behandlung der Psoriasisarthritis zugelassen. Die Ansprechraten in Woche 16 sind mit einem PASI 75 (75%ige Verminderung des PASI-[Psoriasis-Area-and-Severity-Index-]Score) von > 90 Prozent und einem PASI 90 von > 80 Prozent beeindruckend (4). Die Sicherheitsdaten sind gut. Eine nicht bedrohliche Nebenwirkung sind mukokutane Kandidosen, auf die gezielt geachtet werden sollte. Secukinumab
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ARS MEDICI 9 I 2017
FORTBILDUNG
ist von der EMA als erstes Biologikum zum First-Line-Einsatz zugelassen. Im Dezember 2016 wurde mit Ixekizumab (Taltz®) ein zweiter IL-17-Antagonist mit ähnlich guten Effizienz- und Sicherheitsdaten (5) für die Behandlung der Psoriasis vulgaris zugelassen.
Chronische spontane Urtikaria
Die chronische spontane Urtikaria (csU) betrifft mit zwei Dritteln der chronischen Urtikariaformen etwa 1 Prozent aller Menschen. Sie dauert häufig länger als ein Jahr und ist in der Hälfte der Fälle resistent gegenüber H1-Blockern. Im Jahr 2014 wurde Omalizumab (Xolair®) als Adjuvans zur Behandlung der therapieresistenten csU bei Patienten ab dem 12. Lebensjahr zugelassen. Nach Behandlungsversuchen mit nicht sedierenden Antihistaminika in der Standarddosierung und in Dosiseskalation (bis 4-fach) kann Omalizumab (300 mg s.c. alle 4 Wochen) eingesetzt werden (6). Es wurde Beschwerdefreiheit in bis zu 70 Prozent bei einem guten Sicherheitsprofil berichtet.
B-Lymphozyten-Stimulator (BLyS) ist ein zentrales Zytokin
in der B-Zell-Homöostase. Es führt zu B-Zell-Differenzie-
rung und -Überleben. BLyS ist bei SLE erhöht. Belimumab
(Benlysta®) ist ein monoklonaler Antikörper, der BLyS bindet
und somit die B-Zell-Aktivität inhibiert. Belimumab ist das
einzige Medikament, das gezielt für die SLE-Therapie entwi-
ckelt wurde und dafür zugelassen ist. Es wird zusätzlich zum
«standard of care» (SoC) gegeben und erhöht den SLE-Re-
sponse-Index (SRI) signifikant. Das Sicherheitsprofil ist gut,
gastrointestinale Nebenwirkungen und Bronchitis können
auftreten. Obwohl die Effektivität nur moderat ist, konnte
gezeigt werden, dass die Langzeittherapie mit Belimumab mit
einer niedrigen Inzidenz von SLE-assoziierten Organschäden
einhergeht (7).
O
Ao. Univ.-Prof. Dr. Gudrun Ratzinger Universitätsklinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie A-6020 Innsbruck
Lupus erythematodes
Der systemische Lupus erythematodes (SLE) ist eine chronische relapsierende heterogene Autoimmunerkrankung. Zu einer Organschädigung kommt es einerseits durch die Krankheitsaktivität und andererseits durch therapieassoziierte Toxizität. Es gibt viele Therapieoptionen, aber sehr wenige sind für SLE zugelassen.
Interessenkonflikte: Die Autorin hat keine deklariert.
Literatur unter www.arsmedici.ch
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 20/2016. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autorin.