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STUDIE REFERIERT
Welchen Nutzen hat Vitamin D bei Asthma?
In einer Metaanalyse reduzierte Vitamin D bei Asthmapatienten signifikant die Anzahl schwerer Exazerbationen. Bezüglich der Symptomkontrolle und der Lungenfunktion zeigte sich allerdings kein Nutzen. An den ausgewerteten Studien nahmen vorwiegend Erwachsene mit leichtem bis mittelschwerem Asthma teil, sodass die Ergebnisse nicht auf andere Patientengruppen übertragen werden sollten.
Cochrane Database of Systematic Reviews
Der fettlösliche Mikronährstoff Vitamin D kommt in der Natur als Cholecalciferol (Vitamin D3) oder Ergocalciferol (Vitamin D2) vor. Cholecalciferol wird in der Haut durch die Einwirkung von Sonnenlicht synthetisiert und ist auch in tierischen Nahrungsmitteln wie fettem Fisch vorhanden. Ergocalciferol wird in Pflanzen und Pilzen gebildet. Bei unzureichender Sonneneinstrahlung ist Vitamin D aus der Nahrung oder aus Nahrungsergänzungsmitteln (Vitamin D3: z.B. Vi-De3®; Vitamin D2: in der Schweiz nur in Kombination mit anderen Vitaminen im Handel) zur Bedarfsdeckung erforderlich. Cholecalciferol und Ergocalciferol werden im Körper zunächst zu 25-Hydroxyvitamin D (25[OH]D) metabolisiert. Die Serumkonzentration dieses Hauptmetaboliten kennzeichnet den VitaminD-Status einer Person. Über eine zweite Hydroxylierung wird dann aus 25(OH)D mithilfe des Enzyms CYP27B1 der biologisch aktive Metabolit 1,25(OH)2D gebildet. CYP27B1 kommt in zahlreichen Geweben wie der Niere, den Leukozyten und dem pulmonalen Epithel vor. In Studien wurde ein unabhängiger
MERKSÄTZE
O Vitamin D kann bei Patienten mit leichtem bis mittelschwerem Asthma die Anzahl schwerer Exazerbationen senken.
O Ob dieser Effekt vom Vitamin-D-Status vor Behandlungsbeginn abhängt, muss in weiteren Studien geklärt werden.
O Die Symptomatik und die Lungenfunktion werden durch die Applikation von Vitamin D nicht verbessert.
Zusammenhang zwischen niedrigen Vitamin-D-Serumspiegeln und einem erhöhten Risiko für Asthmaexazerbationen beobachtet. Diese Verschlimmerungen werden häufig durch Atemwegsinfekte ausgelöst. Bei Atemwegsinfektionen und -entzündungen wird die Bildung des Enzyms CYP27B1 und somit auch die lokale Synthese von 1,25(OH)2D in der Lunge angeregt. 1,25(OH)2D bindet an den Vitamin-D-Rezeptor und induziert eine antimikrobielle, antivirale und antientzündliche Aktivität. Über diesen Wirkmechanismus könnte das Risiko für Exazerbationen gesenkt werden. Zudem hemmt 1,25(OH)2D die Produktion des Zytokins TH17 und verbessert so auch das Ansprechen auf inhalative Kortikosteroide. In einer Metaanalyse doppelblinder, randomisierter, plazebokontrollierter Studien untersuchte ein Team der Cochrane-Collaboration die Wirksamkeit von Vitamin D zur Reduzierung des Risikos für schwere Asthmaexazerbationen und zur Verbesserung der Symptomkontrolle bei Kindern und Erwachsenen. Als schwere Exazerbation definierten die Forscher eine Asthmaverschlimmerung, die mit systemischen Kortikosteroiden oder in einer Notaufnahme behandelt werden muss. Die Forscher schlossen zunächst sieben Studien mit 435 Kindern und zwei Studien mit 658 Erwachsenen in die Primäranalyse ein. Davon wurden eine Studie mit 22 Kindern und die beiden Studien mit 658 Erwachsenen zur Untersuchung der Rate schwerer Exazerbationen herangezogen. Die Dauer der ausgewerteten Studien variierte zwischen 4 und 12 Monaten. Die meisten Teilnehmer litten unter leichtem bis mittelschwerem Asthma.
Vitamin D senkt Exazerbationsrate
Vitamin D reduzierte die Rate der Exazerbationen, bei denen systemische Kortikosteroide erforderlich waren (Rate Ratio [RR]: 0,63; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,45–0,88) und verminderte auch das Risiko für Exazerbationen, die in der Notaufnahme behandelt werden mussten (Odds Ratio [OR]: 0,39; 95%-KI: 0,19–0,78). Im Hinblick auf die Lungenfunktion (Einsekundenkapazität) oder die Asthmasymptomatik im Alltag (Asthmakontrolltest) zeigte sich in der mit Vitamin D behandelten Gruppe jedoch kein Unterschied im Vergleich zu Plazebo. Das Risiko für schwere unerwünschte Ereignisse wurde durch Vitamin D ebenfalls nicht beeinflusst. In einer der ausgewerteten Studien wurden die Effekte hoch und niedrig dosierter Vitamin-D-Präparate verglichen. Hier kam es in jedem Studienarm zu einer Hyperkalziurie. In allen anderen Studien wurden keine unerwünschten Wirkungen im Zusammenhang mit Vitamin D beobachtet. Tödliche Asthmaexazerbationen kamen in keiner Gruppe vor.
Weitere Studien erforderlich
Aufgrund unzureichender Daten konnte keine Untergruppenanalyse zum Zusammenhang des Exazerbationsrisikos mit dem Vitamin-D-Spiegel vor Studienbeginn durchgeführt werden. Daher konnten die Autoren nicht beurteilen, ob sich der Nutzen der Vitamin-DSubstitution auf Asthmapatienten mit niedrigen Vitamin-D-Serumspiegeln beschränkt. Zudem liefert der Review keine Informationen zur optimalen Vitamin-D-Dosis oder zum für die Senkung des Exazerbationsrisikos optimalen 25(OH)D-Serumspiegel. Kinder und Patienten mit häufigen schweren Asthmaexazerbationen waren in den Studien unterrepräsentiert. Bevor Empfehlungen zur Vitamin-D-Substitution gegeben werden können, sind daher weitere Untersuchungen zu diesen Personengruppen erforderlich. O
Petra Stölting
Quelle: Martineau AR et al.: Vitamin D for the management of asthma. Cochrane Database Syst Rev 2016; 9: CD011511.
Interessenlage: 4 der 8 Autoren des referierten CochraneReviews waren als Investigatoren an den im CochraneReview ausgewerteten Studien beteiligt.
ARS MEDICI 7 I 2017
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