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STUDIE REFERIERT
Schilddrüsenunterfunktion in der Schwangerschaft korrigieren?
Verschiedene kürzlich publizierte prospektive und retrospektive Studien zu den Auswirkungen einer Schilddrüsenunterfunktion bei schwangeren Frauen und der Substitution mit Levothyroxin lassen einen Behandlungsnutzen vermuten, können ihn aber nicht abschliessend beweisen.
New England Journal of Medicine
Der Übertritt von mütterlichem Thyroxin (T4) durch die Plazenta ist für den Erhalt der Schwangerschaft und die fetale Entwicklung essenziell. Eine leichte oder subklinische Hypothyreose ist mit ungünstigen Verläufen assoziiert, darunter Fehl- und Frühgeburt, tiefes Geburtsgewicht und anormal tiefer Intelligenzquotient beim Kind. Während der Schwangerschaft stimuliert das Choriongonadotropin die Schilddrüse, wodurch das freie Thyroxin ansteigt und der Spiegel des thyreoideastimulierenden Hormons (TSH) absinkt. Daher werden die Referenzgrenzen des TSH für das erste Trimenon nach unten angepasst. Die Daten aus randomisierten Studien zur Levothyroxinsubstitution bei subklinischer Hypothyreose und in der Schwangerschaft sind verwirrend (1). Eine Studie fand bei Frauen mit einem TSH über 2,5 mIU/l und positiven Thyreoperoxidaseantikörpern (AntiTPO) durch Substitution eine günstige Beeinflussung eines kombinierten Schwangerschaftsendpunkts, untersuchte jedoch kognitive Aspekte beim Kind nicht. Eine weitere Studie sah ebenfalls weniger Frühgeburten bei anti-TPO-positiven Frauen unter Levothyroxin im Vergleich zu Kon-
MERKSÄTZE
O Beobachtungsstudien zeigen eine Korrelation zwischen mütterlicher Schilddrüsenunterfunktion und Schwangerschaftsverlauf sowie kognitiver Entwicklung des Kindes.
O Randomisierte Studien mit Levothyroxinsubstitution bei subklinischer Hypothyreose schwangerer Frauen oder Hypothyroxinämie haben widersprüchliche Ergebnisse gebracht.
trollen. Eine dritte Studie, die Frauen mit Hypothyroxinämie (also tiefes T4 bei normalem TSH) einschloss, konnte keine Vorteile der Substitution auf den geburtshilflichen Verlauf oder die kognitive Funktion bei den Kindern im Alter von 31/2 Jahren nachweisen.
Kein Einfluss auf die spätere
kognitive Entwicklung des Kindes
Soeben ist eine Studie erschienen, die gezielt die kognitive Entwicklung der Kinder anhand des Intelligenzquotienten (IQ) im Alter von 5 Jahren untersuchte (2). Dazu wurden Einlingsschwangerschaften vor der 20. Woche gescreent. 677 Frauen mit subklinischer Hypothyreose (TSH: ≥ 4,00 mIU/l bei normalem T4 [0,08–1,90 ng/dl]) und 526 Schwangere mit Hypothyroxinämie (TSH: 0,08–3,99 mIU/l und tiefes T4 [< 0,86 ng/dl]) wurden in zwei getrennten Gruppen jeweils zu einer Levothyroxinsubstitution oder zu Plazebo randomisiert. Im Studienarm mit subklinischer Hypothyreose betrug der mediane kindliche IQ 97 (95%-Konfidenzintervall [KI]: 94–99) in der Levothyroxingruppe und 94 (95%-KI: 92–96) in der Plazebogruppe (p = 0,71). Im Studienarm mit Hypothyroxinämie lag der mediane IQ bei 94 (95%-KI: 91–95) in der Levothyroxingruppe und bei 91 (95%-KI: 89–93) in der Plazebogruppe (p = 0,30). Auch für andere neurokognitive oder Schwangerschaftsverlaufsparameter oder die Häufigkeit von Nebenwirkungen ergaben sich zwischen den Vergleichsgruppen keine signifikanten Differenzen.
Screening der Schilddrüsenfunktion
in der Frühschwangerschaft
Die Ergebnisse dieser randomisierten Studie legen den Schluss nahe, dass ein Screening auf subklinische Hypothyreose und eine Therapie mit Levothyroxin wahrscheinlich keinen Nutzen bringen, wenn sie erst bis weit in das zweite Trimenon hinein
erfolgen, wie ein begleitendes Editorial feststellt (1). Wenn eine erste Schwangerschaftsuntersuchung aber früher (vor der 12. Schwangerschaftswoche) stattfindet, kann auch eine frühere tief dosierte Substitutionsbehandlung erfolgen, wie sie die American Thyreoid Association in ihren Guidelines empfiehlt. Auch zwei neue retrospektive Kohortenstudien sprechen für einen Nutzen der Substitution von Schwangeren mit subklinischer Hypothyreose. In einer Datenbankanalyse wurden von 5405 schwangeren Frauen 843 mit einem medianen unbehandelten TSH von 4,8 mIU/l mit Levothyroxin behandelt und 4562 mit einem medianen unbehandelten TSH von 3,3 nicht (3). Im Vergleich zur unbehandelten Gruppe hatten die Frauen unter Levothyroxinsubstitution weniger Schwangerschaftsverluste (Odds Ratio [OR]: 0,62; 95%-KI: 0,48–0,82), aber eine höhere Wahrscheinlichkeit für Frühgeburt (OR: 1,60; 95%-KI: 1,14–2,24), Schwangerschaftsdiabetes (OR: 1,37; 95%KI: 1,05–1,79) und Präeklampsie (OR: 1,61; 95%-KI: 1,10–2,37). Das geringere Risiko für Schwangerschaftsverlust war nur bei TSH-Werten zwischen 4,1 und 10 mIU/l statistisch signifikant. Die häufigeren Schwangerschaftskomplikationen bleiben vorerst unerklärt. Eine Analyse der elektronischen Patientendaten der Mayo-Klinik untersuchte die Auswirkungen einer Steigerung der Levotyhroxindosis bei schwangeren Frauen, die wegen einer bekannten Hypothyreose in Behandlung standen, aber im ersten Trimenon einen TSH-Wert > 2,5 mIU/l aufwiesen (4). Bei 85 Frauen wurde die Therapie angepasst, bei 11 Frauen unterblieb dieser Schritt. Die Erhöhung der Levothyroxindosis im ersten Schwangerschaftsdrittel senkte das Risiko für einen Schwangerschaftsverlust, andere schwangerschaftsassoziierte Verlaufsparameter zeigten jedoch keinen Unterschied. O
Halid Bas
Quellen: 1. Cooper DS et al.: Subclinical hypothyroidism and hypothyro-
xinemia in pregnancy – still no answers (Editorial). N Engl J Med 2017; 376: 876–877. 2. Casey BM et al.: Treatment of subclinical hypothyroidism or hypothyroxinemia in pregnancy. N Engl J Med 2017; 376: 815–825. 3. Maraka S et al.: Thyroid hormone treatment among pregnant women with subclinical hypothyroidism: US national assessment. BMJ 2017; 356: i6865. 4. Maraka S et al.: Effects of increasing levothyroxine on pregnancy outcomes in women with uncontrolled hypothyroidism. Clin Endocrinol 2017; 86: 150–155.
Interessenlage: Für alle zitierten Publikationen verneinen die Autoren Interessenkonflikte.
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ARS MEDICI 7 I 2017