Transkript
EDITORIAL
Mehr Swissness statt lausige Importe
Axel Müller, Pharmazeut und Geschäftsführer Intergenerika, an der öffentlichen APA-Informationsveranstaltung zur Zukunft der Medikamentenabgabe: «Die Schweiz neigt dazu, Systeme, die sich im Ausland nicht bewährt haben, mit zeitlicher Verzögerung ebenfalls einzuführen.» Wie wahr! Das war bei den DRG so, bei denen man glaubte, mit einem cleveren Swiss Finish Fehlentwicklungen, wie in Deutschland zu beobachten, vermeiden zu können. Natürlich gelingen da und dort Verbesserungen, aber verfehlte Systeme bleiben nun mal verfehlt. Kommt hinzu, dass in der Regel jede Fehlerbehebung neue Mängel an anderer Stelle zur Folge hat.
derten Kind der FMH aus Zeiten ihres Präsidenten HHB, liesse sich das Gleiche sagen. Und auch Alain Bersets Glaube an die kostendämpfende Wirkung des Referenzpreises (eine verharmlosende Bezeichnung für ein rigides System von Festbeträgen, d.h. fixen Preisen für – je nachdem – bestimmte Substanzen, bestimmte Wirkstoffgruppen oder – noch schlimmer – unterschiedliche Arzneimittel mit identischer Indikation) ist nichts anderes als der Versuch, unter Ausblendung von mehr oder weniger absehbaren Kollateraleffekten das politisch offenbar einzig wichtige Ergebnis zu erreichen: weniger Kosten für die Krankenkassen. Referenzpreise treffen die Generika, die zwar teurer sind als im Ausland (genau wie Autos, Zahnpasta, Küchengeräte, Konsultationen beim Psychologen und so ziemlich der gesamte Rest der Wirtschaft), aber seit Jahren auch ohne Festbetragspolitik kontinuierlich sinken. Ausweichstrategien von Ärzten wie Patienten sind zudem heute schon absehbar. Wer bei über dem Referenzpreis liegenden Generika Zuzahlungen vermeiden will, wechselt halt einfach auf das patentierte teurere Original. Nicht dem Referenzpreis unterliegende Produkte werden vermutlich tendenziell teurer. Ohnehin ist im Referenzpreis-Ausland zu beobachten, dass der Spareffekt nur kurzfristig anhält und danach aufgrund von Verlagerungen auf andere Produkte wieder verschwindet. Dass der Wechsel auf günstigere Generika der Compliance und der Therapiesicherheit nicht dienlich ist, das wissen sowieso alle. Und Lieferengpässe sind nicht nur bei Impfstoffen denkbar, wenn sich die Herstellung wegen der gedrückten Preise nicht mehr lohnt.
Müllers Satz stimmt im Übrigen auch für andere Politikfelder. Der Atomausstieg etwa, genannt Energiewende, ist auch in der Schweiz wenig mehr als ein ideologisch motivierter Import vom nördlichen Nachbarn, den man zwar etwas entideologisieren und dem schweizerischen Tempo anpassen kann, der aber ein erzwungener Chrampf bleibt. Er wird viel kosten, wenig bringen und garantiert Korrekturbedarf ohne Ende generieren – mit den genannten Folgen. Vom Tarmed, dem behin-
Alles in allem kann man auch einem zweiten Zitat von Axel Müller nur – mit Bedauern – zustimmen: «Bei allgemeiner Ratlosigkeit sucht man die Lösungen im Ausland.» Bevorzugt in Deutschland, wäre anzufügen. Dabei hatten die Schweizer in der Vergangenheit fast durchwegs die erfolgreicheren Lösungen. Zeit für einen ideologischen Swixit und mehr originale Swissness.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 7 I 2017
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