Transkript
FORTBILDUNG
Rund um die Blutentnahme
Vermeidbare Fehler bei Blutentnahme, Lagerung und Transport von Probenmaterial
Auch bei einer alltäglichen Tätigkeit wie der Blutentnahme
kann vieles falsch laufen. Eine sorgfältige Präanalytik
trägt wesentlich dazu bei, fehlerhafte Laborresultate zu
vermeiden.
Roman Fried und Alma Haag
Zeitpunkt der Blutentnahme Der Termin zum Blutabnehmen sollte am Morgen zwischen 7 und 9 Uhr vereinbart werden, da viele Messgrössen starken Tagesschwankungen unterliegen. Der Patient muss nüchtern sein, das heisst, seit zwölf Stunden ohne Nahrungsaufnahme. Potenziell störende Substanzen wie beispielsweise Nahrungsergänzungsmittel oder Medikamente sind erst nach der Blutabnahme einzunehmen. Bei der Überwachung eines Medikamentenspiegels sind das Konzentrationsmaximum und die Steady-State-Phase zu berücksichtigen. Vor der Blutentnahme ist eine Ruhephase von 5 bis 10 Minuten nach dem Eintreffen der Patienten in der Praxis einzuhalten.
mit einem freundlichen «Guten Tag, Sie sind doch Herr Peter Kunz» begrüsst, worauf der Angesprochene mit einem begeisterten Kopfnicken antwortet, obwohl der Name nicht stimmt und er nur mit Vornamen Peter heisst. Liebe MPA, lassen Sie sich bei der Terminvereinbarung nicht auf einen Handel mit dem Patienten ein! Insbesondere für die Blutentnahme am Samstagmorgen ist darauf hinzuweisen, dass nur die Blutprobe eines ausgeruhten Menschen, nüchtern und ohne Alkoholkonsum am Vorabend, aussagekräftig ist; auch «nur ein Glas» Wein oder Bier ist nicht erlaubt. Trübes Probenmaterial wird als lipämisch bezeichnet und kann oft vermieden werden. Ursache sind meist Chylomikronen, welche nach der Nahrungsaufnahme vermehrt im Blut auftreten. Stress, das heisst sowohl der Morgenlauf vor der Blutentnahme wie kurzfristiger Stress durch Zuspätkommen und ins Labor hetzen, ist zu vermeiden. Stress sowie Lipämie beeinflussen diverse Messgrössen. Auch die Körperlage des Patienten hat einen Einfluss auf die Konzentration vieler Messgrössen. Besonders bei Patienten mit Ödemen ist darauf zu achten, dass die Blutentnahme immer in der gleichen Position, sitzend oder liegend, erfolgt.
Vermeidbare Fehler vor der Blutentnahme Nehme ich beim «richtigen» Patienten Blut ab? Falsche Identifikation kommt vor, wenn man den Patienten zum Beispiel
MERKSÄTZE
O Blut am besten morgens entnehmen; der Patient muss nüchtern sein. Kein Alkohol am Vorabend!
O Ruhephase von 5 bis 10 Minuten vor der Blutentnahme einhalten.
O Blut möglichst immer in der gleichen Position abnehmen (sitzend oder liegend).
O Röhrchen mit internationalen Farbcodes verwenden und die korrekte Entnahmereihenfolge beachten.
O Röhrchen sofort nach der Blutentnahme beschriften.
O Bei der Gewinnung von Kapillarblut den ersten Tropfen, der sich spontan ohne Druck bildet, nicht verwenden.
O Für Röhrchen mit Trenngel eine Zentrifuge mit Ausschwingrotor verwenden. Für alle verwendeten Röhrchentypen im Voraus die richtigen Drehzahlen berechnen.
Vorgehen bei der venösen Blutentnahme
Die Staubinde soll eine Handbreit proximal von der Punktionsstelle angelegt werden. Der Puls muss fühlbar sein (Staudruck 50–100 mmHg). Falls die Venen schlecht oder kaum sichtbar sind, Armbeuge mit einem Wärmekissen oder warmen Umschlägen vorbereiten. Kanülen mit genügend grossem Lumen, zum Beispiel grün (Durchmesser 0,8 mm) oder gelb (Durchmesser 0,9 mm) verwenden. Bei «schwierigen Venen» Flügelkanülen benutzen und mit Monovetten arbeiten, da die Aspiration individuell unter Beobachtung der Venenverhältnisse geregelt werden kann (siehe Abbildung 1). Es hat sich gezeigt, dass so die Chance, eine Hämolyse zu vermeiden, bedeutend grösser ist als bei der Anwendung der Vakuumtechnik. Zudem gilt es, die Länge des Schlauches der Flügelkanüle zu beachten, wenn Probenröhrchen mit Antikoagulans als erste Probe entnommen werden. Sobald das Blut fliesst, die Staubinde lösen. Bei Röhrchen mit einem Antikoagulans ist der Füllstand zu beachten. Wichtig ist auch die richtige Entnahmereihenfolge nach CLSI und der Farbcode der Röhrchen (Tabelle 1 und Abbildung 2). Blutröhrchen mit einem Antikoagulans müssen während beziehungsweise unmittelbar nach der Entnahme, das heisst vor dem Ablegen des Röhrchens, 6- bis 8-mal gekippt werden. Die Blutproben sofort (!) mit Name, Vorname, Geburtsdatum, Entnahmedatum und Zeit (nüchtern oder postprandial) beschriften.
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Tabelle 1:
Entnahmereihenfolge von Blutproben und Farbcode
Entnahmereihenfolge
1 2 3a 3b
3c
4
5 6 7
Farbcode international
hellblau rot goldgelb
Beschriftung beachten grün
lila grau schwarz
Präparierung
Anwendungsbereich
Blutkulturen Natriumzitrat 1:10 ohne Zusatz Aktivator und Trenngel (Wartezeit vor Zentrifugation 30 min) Thrombin (Wartezeit vor Zentrifugation 5 min)
Mikrobiologie Gerinnung Blutgruppen und Blutgruppenserologie Serumgewinnung für klinische Chemie, Serologie, Spezialuntersuchungen Serumgewinnung im Notfalllabor
Lithiumheparin, mit oder ohne Trenngel
EDTA Natriumfluorid Natriumzitrat 1:5
Plasmagewinnung für klinische Chemie, Serologie Hämatologie, HbA1c, Blutgruppe Glukose- und Laktatbestimmung Blutsenkung
CLSI Procedures for the Collection of Diagnostic Blood Specimens by Venipuncture, Approved Standard,6th edition GP 41-A6 (former H3-A6), 27 (26) 2012.
Abbildung 1: Venöse Blutentnahme mit Monovette (links) oder mit Flügelkanüle (rechts)
Venenklopfen und Pumpen sowie eine Stauzeit von mehr als einer Minute sind zu vermeiden. Dadurch findet unter anderem eine Verschiebung von Wasser und niedermolekularen Verbindungen vom Intravasalraum ins Interstitium statt. Durch eine vermehrte Muskelaktivität steigen die Kaliumund Magnesiumwerte an. Unzureichendes oder zu spätes Mischen (erst nach der Blutentnahme) der Röhrchen mit Antikoagulanzien führt zu Mikrogerinnselbildung und zu Thrombozytenaggregation. Zu frühes Entfernen der Röhrchen von der Kanüle und die Missachtung der Füllmarke führen zur Änderung des Mischverhältnisses zwischen Blut und Antikoagulans und damit zu einer Verfälschung der Messwerte.
Abbildung 2: Röhrchen mit internationalen Farbcodes sind bei allen Herstellern erhältlich.
Vorgehen bei der kapillaren Blutentnahme
Die gut durchblutete, warme Fingerbeere des Zeige-, Mitteloder Ringfingers wird seitlich punktiert (Abbildung 3). Der erste Tropfen Blut, der sich spontan und ohne Druck auf der Fingerbeere bildet, wird mit einem sterilen Tupfer weggewischt. Geeichte Kapillaren sind nach der Blutentnahme aussen zu reinigen. Wichtig ist die Entnahmereihenfolge bei mehreren Analysen: 1. Gerinnungsanalysen (kapillare PT) 2. EDTA-Microvette 3. Lithium-Heparin-Microvette 4. Fluorid-Microvette (externe Glukoseanalyse) 5. Microvette für die Serumgewinnung.
Vermeidbare Fehler bei der venösen Blutentnahme
Durch ein zu kleines Lumen der Kanüle (schwarze Kanüle) oder durch zu starke Aspiration kommt es zur Hämolyse. Dadurch treten Kaliumionen, AST (Aspartat-Aminotransferase) und LDH aus den Erythrozyten aus, was zu erhöhten Werten führt. Mit S-Monovetten kann der Sog reguliert werden.
Vermeidbare Fehler bei der kapillaren Blutentnahme
Die Beimischung von Desinfektionsmittel, Gewebesaft oder Schweiss durch Verwendung des ersten Bluttropfens und starkes Pressen führen zu falschen Messwerten. Pressen und «Melken» der Fingerbeere führt überdies zu Hämolyse und ist grundsätzlich zu unterlassen. Bei kalter, schlecht durchbluteter Fingerbeere hilft das Einwickeln der ganzen Hand in
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Abbildung 3: Kapilläre Blutentnahme
Drehachse
DrehAchse
Radius
Radius
AB
Abbildung 4: Radius von Zentrifugen mit feststehendem (A) oder einem Ausschwingrotor (B)
Tabelle 2:
Zentrifugationsbedingungen für verschiedene Blutentnahmeröhrchen
Blutentnahmeröhrchen Venenblut-Röhrchen Monovetten-Serum (ohne Gel) Monovetten-Serum-Gel Monovetten-Li-Heparin Monovetten-Li-Heparin-Gel Monovetten-EDTA-Gel Monovetten-Na-Citrat 1:101
Zeit (min)
10 10 10 10 oder 15 10 10
Zentrifugalkraft (g)
2000 g 2500 g 2000 g 3000 g oder 2500 g 2500 g 1800 g
Kapillarblut-Röhrchen2 Microvetten-Serum (ohne Gel) Microvetten-Serum-Gel Microvetten-Heparin Microvetten-Heparin-Gel Microvetten-Fluorid
5 5 5 5 5
10 000 g 10 000 g 2000 g 10 000 g 2000 g
1 Zeit und g-Zahl sind abhängig von der Art der Gerinnungsanalysen. 2 Die Zentrifugation der Microvetten erfolgt in einer hochtourigen 2 Spezialzentrifuge.
ein maximal 40 °C warmes, feuchtes Tuch oder das Wärmen der Hand während 3 bis 5 Minuten in einem Becken mit warmem Wasser.
Zentrifugation
Die relative Beschleunigung (g-Zahl), mit der die Röhrchen für die optimale Probengewinnung zentrifugiert werden müssen, ist abhängig vom Probenmaterial, der Beschaffenheit des Röhrchens und dem verwendeten Antikoagulans (Tabelle 2). Der Röhrchenhersteller schreibt die Zeit und die g-Zahl für die Zentrifugation vor. Diese Zentrifugationsbedingungen sind unbedingt einzuhalten. Der Radius der Praxiszentrifuge (Abbildung 4) kann im Handbuch nachgelesen, beim Hersteller erfragt oder selbst gemessen werden. Anhand einer Formel oder eines Nomogramms werden die Umdrehungen pro Minute (U/min) berechnet, die für die erforderliche g-Zahl auf der eigenen Zentrifuge gewählt werden müssen. Für die Berechnung der U/min gibt es Online-Hilfen (z.B. www.sarstedt.com/ service/zentrifugationsrechner). Die Blutgerinnung dauert 30 Minuten; diese Zeit muss vor der Zentrifugation des Serumröhrchens unbedingt eingehalten werden. Eine unvollständige Gerinnung kann zur Bildung von Fibrinfäden im Serum und zu einer Hämolyse führen. Muss zwingend früher zentrifugiert werden, verwendet man Röhrchen mit Thrombinzusatz. Darin ist die Gerinnung nach 30 Sekunden abgeschlossen (BD, RST). Für Röhrchen mit Trenngel empfiehlt der Hersteller die Zentrifugation in einer Zentrifuge mit Ausschwingrotor. Falls die Zentrifugation in einem Gerät mit Festwinkelrotor erfolgt, ist die Trennung des Überstands von den Zellen zu empfehlen, da die Bildung einer stabilen Gelbarriere nicht garantiert wird.
Vermeidbare Fehler bei der Zentrifugation
Eine zu frühe Zentrifugation der Serumröhrchen führt zu einer Hämolyse und somit beispielsweise zu fehlerhaften Kalium und AST- sowie LDH-Werten. Die zweifache Zentrifugation der Röhrchen mit Trenngel führt zu einer Zerstörung der Gelbarriere. Man sollte die Anschaffung von Analysensystemen vermeiden, für die hochtourig zentrifugiertes Probenmaterial erforderlich ist. Die Tourenzahl der üblichen Praxiszentrifugen ist beschränkt.
Blutproben verschicken
Flüchtig ausgestellte Formulare sind Zeitfresser! Die Auftragsformulare für das externe Labor müssen vollständig ausgefüllt sein, inklusive Angaben der Blutentnahmezeit (nüchtern oder postprandial), Identifikation des Patienten, der MPA und des Auftraggebers sowie Angaben zur Fragestellung. Ohne Angaben zu Anamnese, Therapie oder ohne Fragestellung erfolgt ein Mehraufwand bei der Beurteilung der Werte. Die Proben sind dunkel und kühl zu lagern. Der Postversand von Proben soll nach Absprache mit dem externen Labor in einer schlagfesten Hülle und einer Spezialtüte erfolgen. Auch die Sekundärgefässe müssen korrekt beschriftet sein. Serum muss innerhalb von 45 bis 60 Minuten nach der Blutabnahme von den Zellen getrennt werden (ausser bei der Serumgewinnung mittels Ausschwingzentrifuge und Trenngel).
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Für die Glukoseanalyse wird ein spezielles Röhrchen mit kein Kurierdienst angeboten wird, sollten die Proben korrekt
Fluoridzusatz verschickt.
verpackt am Postschalter direkt aufgegeben werden.
O
Vermeidbare Fehler beim Lagern und Verschicken
von Blutproben
Die Lagerung von Vollblut bewirkt unter anderem einen Elektrolyteaustausch und eine Glykolyse. Durch Lichteinwirkung werden Bilirubin/Gallenfarbstoffe sowie Vitamin C und Folsäure abgebaut. In offenen Gefässen verdunsten die Proben nicht nur bei Zimmertemperatur, sondern auch im Kühlschrank. Die Probengefässe sind darum immer mit einem geeigneten Deckel oder mit Parafilm zu verschliessen. Durch Temperaturschwankungen im Aussenbriefkasten können die Proben unbrauchbar werden. Falls vom externen Labor
Korrespondenzadresse: Dr. Roman Fried Verein für med. Qualitätskontrolle Universitätsspital Zürich 8091 Zürich E-Mail: roman.fried@usz.ch Internet: www.mqzh.ch
Interessenkonflikte: keine
Die Abbildungen sind folgendem Buch entnommen: «Laborlehrmittel medizinische Praxisassistentin» von Roman Fried, Alma Haag und Martha Oehy. Zu beziehen unter: www.llm.ch, info@llm.ch
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