Transkript
POLITFORUM
Xundheit in Bärn
MOTION vom 9.6.2016
Sebastian Frehner Nationalrat SVP Kanton Basel-Stadt
Keine Prämienerhöhungen für Präventionsprogramme
Die Motion von Sebastian Frehner haben wir in ARS MEDICI 16/16 vorgestellt.
Der Bundesrat wird aufgefordert, auf weitere Prämienzuschläge zu Präventionszwecken zu verzichten. Die Finanzierung neuer Projekte und Präventionsfelder soll durch die Streichung alter und unnötiger Tätigkeiten kompensiert werden.
Stellungnahme des Bundesrats vom 16.9.2016 (gekürzt)
Für den Bundesrat besteht im Bereich der Prävention psychischer sowie nicht übertragbarer chronischer Krankheiten ein ausgewiesener Handlungsbedarf. Des Weiteren besteht aufgrund der steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung die Notwendigkeit, die Aktivitäten im Bereich der Zielgruppe ältere Menschen auszubauen. Gemäss den Hochrechnungen werden sich die Ausgaben für die Langzeitpflege von rund 6 Milliarden Franken (2011) bis 2045 verdreifachen. Die Hauptbetroffenen dieses finanziellen Anstiegs werden die Kantone und die privaten Haushalte sein. Vor diesem Hintergrund hat der Vorsteher des Eidgenössischen Departementes des Innern (EDI) den Beitrag für die allgemeine Krankheitsbekämpfung (KVG-Prämienzuschlag) auf Antrag der Stiftung
Gesundheitsförderung Schweiz am 1. Juli 2016 für die kommenden Jahre neu festgesetzt. Der Antrag der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz wurde unter anderem in einer fakultativen Vernehmlassung vom April bis Juni 2016 geprüft. Deren Ergebnisse zeigen, dass die grosse Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden (84% bzw. 133 von 159 Rückmeldungen) die Erhöhung des KVG-Prämienzuschlags befürwortetet. So begrüsste insbesondere die grosse Mehrheit der Kantone (20) die Erhöhung. Lediglich 2 Kantone lehnten die Erhöhung vollständig ab. Verschiedene kritische Anmerkungen aus der Vernehmlassung wurden zudem aufgenommen. So wird eindeutig festgehalten, dass der Betrag bis mindestens Ende 2024 nicht mehr erhöht wird. Zudem werden die Einzelheiten der Verwendung
der Mittel auf der Grundlage eines regelmässigen Monitorings jährlich neu beurteilt. Zudem wird die finanzielle Belastung der Versicherten aufgrund dieses vergleichsweise geringen zusätzlichen Beitrags kaum erhöht: Bei der Einführung des KVG-Prämienzuschlags im Jahr 1998 entsprach der Beitrag von Fr. 2.40 pro Jahr und versicherte Person 0,15 Prozent der damaligen Standardprämie. Heute entspricht dieser Beitrag 0,04 Prozent der Standardprämie 2015. Mit der ersten Erhöhung des KVG-Prämienzuschlags auf Fr. 3.60 entspricht der Beitrag 0,06 Prozent der Standardprämie 2015. Mit der Festsetzung des Beitrags auf Fr. 4.80 ab dem Jahr 2018 wird der Beitrag 0,08 Prozent der Standardprämie 2015 entsprechen. Angesichts des Handlungsbedarfs im Bereich psychische Gesundheit, Alter und Prävention in der Gesundheitsversorgung sowie der hohen volkswirtschaftlichen Kosten, welche
durch nicht übertragbare chronische Krankheiten verursacht werden (2011: 51,7 Mrd. Fr.), ist die zusätzliche finanzielle Belastung der Versicherten vertretbar. Zudem werden sich Investitionen in Prävention und Gesundheitsförderung langfristig positiv auf die Entwicklung der Gesundheitskosten auswirken. Die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz publiziert regelmässig die Ergebnisse der durchgeführten Wirkungsanalysen und Evaluationen. Und nicht zuletzt sei darauf hingewiesen, dass die Ausgaben des Bundes im Bereich Prävention in den letzten zehn Jahren um rund 12,4 Millionen Franken von 32,2 Millionen Franken im Jahr 2005 auf 19,8 Millionen Franken im Jahr 2015 gekürzt wurden.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
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90 ARS MEDICI 3 I 2017
POLITFORUM
INTERPELLATION vom 17.6.2016
Gesetzeswidrige Praktiken der Versicherer. Sind die Versicherten die Gelackmeierten?
Rebecca Ana Ruiz Ständerätin SP Kanton Waadt
Die Praxis einzelner Krankenkassen, Ärztinnen und Ärzte der Grundversorgung, die über einen zusätzlichen Facharzttitel verfügen, nicht auf die Liste der von ihnen im Hausarztmodell anerkannten Ärztinnen und Ärzte zu setzen, wurde vom Bundesgericht im September 2015 für gesetzeswidrig erklärt. Im März 2016 fällte
das Bundesgericht zu dieser Praxis ein weiteres Urteil, in dem es bestätigt, dass Versicherte, die das Hausarztmodell gewählt haben, die Kosten für Leistungen von Allgemeinmedizinerinnen und -medizinern, die über einen weiteren Titel verfügen, vergütet erhalten müssen. Aufgrund dieser gesetzeswidrigen und absolut willkürlichen Praxis der Versicherer sahen sich viele Versicherte gezwungen, auf das Hausarztmodell zu verzichten, um weiterhin von ihrem Hausarzt oder ihrer Hausärztin behandelt werden zu können. Völlig ungerechtfertigterweise mussten sie eine
teurere Versicherungsform wählen. Es wäre deshalb angezeigt, dass die betroffenen Krankenkassen den Versicherten die deswegen zu viel bezahlten Prämien zurückerstatten.
1. Wie gedenkt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) als Aufsichtsbehörde die Versicherten, die während Jahren ungerechtfertigterweise zu hohe Prämien bezahlt haben, zu schützen vor den Praktiken, die das Bundesgericht als missbräuchlich eingestuft hat?
2. Ist das BAG der Ansicht, dass die aufgrund der gesetzes-
widrigen Praxis zu viel bezahlten Prämien den Versicherten von den betroffenen Krankenkassen zurückbezahlt werden müssen? 3. Hat das BAG nach dem zweiten Bundesgerichtsurteil, das die Unrechtmässigkeit dieser Praxis bestätigt, bei den betroffenen Kassen interveniert? 4. Sind Sanktionen gegenüber diesen Kassen geplant? 5. Wie gedenkt das BAG die betroffenen Krankenkassen zu verpflichten, die Versicherten, die zu einem anderen Versicherungsmodell gewechselt haben, darüber zu informieren, dass sie wieder zum Hausarztmodell zurückwechseln können? 6. Gedenkt das BAG, die Assura und die anderen Krankenkassen dazu zu verpflichten, die ausgeschlossenen Ärztinnen und Ärzte wieder auf ihre Hausarztliste zu setzen?
Die Antwort des Bundesrats vom 16.9.2016
1./3./4. Die Versicherer können besondere Versicherungsformen mit eingeschränkter Wahl des Leistungserbringers anbieten. Der Bundesrat hat wenige Ausführungsbestimmungen erlassen. Er lässt somit den Versicherern viel Spielraum bei der Ausgestaltung dieser Versicherungsformen in ihren allgemeinen Versicherungsbedingungen (siehe Interpellation Feller: «Benachteiligung von Fachärztinnen und Fachärzten für allgemeine innere Medizin mit einem zweiten Facharzttitel. Weshalb hat das BAG geschwiegen?»). Je nach angebotenem Versicherungsmodell muss die versicherte Person sich zum Beispiel zuerst an einen bestimmten Arzt (Hausarzt) oder an eine Einrichtung wenden, die der ambulanten Krankenpflege durch Ärztinnen und Ärzte dient (Versorgungsnetzwerk). In seinem Urteil vom 22. September 2015 kam das Bundesgericht zum Schluss, dass es willkürlich ist, wenn ein Versicherer einen Arzt oder eine Ärztin nur deshalb von der Liste der im Hausarztmodell anerkannten Leistungserbringer ausschliesst, weil er oder sie über eine Spezialisierung verfügt. Der Versicherer muss nachweisen,
dass dieser Ausschluss durch die höheren Kosten der jeweiligen Leistungen gerechtfertigt ist. Aufgrund dieses Urteils erkundigte sich das BAG umgehend beim betroffenen Versicherer, wie er diese Rechtsprechung umzusetzen gedenke. Im November 2015 teilte der Versicherer dem BAG mit, dass er sein Versicherungsmodell entsprechend abgeändert habe. In einem Urteil vom 22. März 2016 betreffend denselben Versicherer kam das Bundesgericht zum Schluss, dass der Versicherer vergütungspflichtig bleibt, wenn die Weigerung, einen Arzt oder eine Ärztin zum Hausarztmodell zuzulassen, willkürlich ist. Es ist festzuhalten, dass der Versicherer in dieser Sache noch vor dem Entscheid des Bundesgerichts eingewilligt hatte, die Erwägungen des Urteils vom September 2015 zu berücksichtigen. Bis heute hat der Bundesrat Kenntnis von zwei Versicherern, die vom Ausschluss der Ärztinnen und Ärzte mit mehreren Titeln aus der Liste der Grundversorger betroffen waren. Da diese Versicherer der Rechtsprechung des Bundesgerichtes direkt Folge leisteten, war es nicht notwendig, dass das BAG
zusätzliche Massnahmen gegen sie ergreift. Wie der Bundesrat in seiner Antwort auf die Interpellation Feller dargelegt hat, ist per 1. Januar 2016 das Krankenversicherungsaufsichtsgesetz in Kraft getreten, wonach die AVB neu einer Bewilligung des BAG bedürfen. Das Amt prüft unter anderem die Auswahlkriterien bei diesen besonderen Versicherungsformen. Die Kontrolle und Bewilligung des BAG gewährleisten, dass die Interessen der Versicherten geschützt werden. Im Gegensatz zu den neuen Modellen, die das BAG unverzüglich prüft, werden die bestehenden Modelle gemäss Übergangsrecht spätestens ab 1. Januar 2018 bei Einreichung des Geschäftsplans kontrolliert. 2. Das Bundesgericht vertrat die Ansicht, dass es willkürlich ist, wenn ein Versicherer einen Arzt oder eine Ärztin nur deshalb von der Hausarztliste ausschliesst, weil er oder sie neben dem Grundversorgertitel noch einen zusätzlichen Facharzttitel besitzt. Die Auswahl der Leistungserbringer muss sich an das gesetzliche Kriterium der kostengünstigeren Versorgung halten. Das Bundesgericht hat sich nicht allgemein zur Rechtmässigkeit des angebotenen Versicherungsmodells mit Ausschluss be-
stimmter Leistungserbringer geäussert. Es vertrat lediglich die Ansicht, dass das vom Versicherer angewandte Kriterium für den Ausschluss des rekurrierenden Arztes von seiner Hausarztliste willkürlich war. Das Bundesgericht äusserte sich indes nicht, ob daraus ein Anspruch geltend gemacht werden kann. 5. Die Versicherer informieren die Versicherten grundsätzlich in den AVB (siehe Interpellation Moret: «Ausschluss von Ärztinnen und Ärzten aus der Liste der Grundversorger im Rahmen des Hausarztmodells»). Ausserdem haben die betroffenen Versicherer in ihren Zeitschriften einen Artikel über die Änderung ihrer AVB in Bezug auf die alternativen Modelle publiziert. 6. Gemäss den dem BAG vorliegenden Informationen haben die von der Problematik betroffenen Versicherer ihre Versicherungsmodelle abgeändert, um die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu berücksichtigen. Zurzeit besteht daher kein Handlungsbedarf. Das BAG beobachtet die Situation aber genau und wird im Rahmen der Genehmigung der AVB alle neuen Modelle prüfen.
ARS MEDICI 3 I 2017
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