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Arteriosklerose von aussen nach innen?
Untertitel
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In der Zeitschrift «Circulation» hat der deutsche Chirurg Prof. Axel Haverich seine Überlegungen zur Pathogenese der Arteriosklerose formuliert (1) und damit ein grosses Medienecho ausgelöst. Schuld seien nicht die Blutfette, sondern geschädigte Vasa vasorum, kleine Adern, welche die Wand der grossen Blutgefässe versorgen: «Nicht Fette aus dem Blut, sondern Versorgungsstörungen der Arterienwand führen zu Ablagerungen in der Gefässinnenwand und lösen Arterienverkalkung aus», heisst es in der Pressemitteilung der Medizinischen Hochschule Hannover.
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31027
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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN

Kardiologie
Arteriosklerose von aussen nach innen?

In der Zeitschrift «Circulation» hat der deutsche Chirurg Prof. Axel Haverich seine Überlegungen zur Pathogenese der Arteriosklerose formuliert (1) und damit ein grosses Medienecho ausgelöst. Schuld seien nicht die Blutfette, sondern geschädigte Vasa vasorum, kleine Adern, welche die Wand der grossen Blutgefässe versorgen: «Nicht Fette aus dem Blut, sondern Versorgungsstörungen der Arterienwand führen zu Ablagerungen in der Gefässinnenwand und lösen Arterienverkalkung aus», heisst es in der Pressemitteilung der Medizinischen Hochschule Hannover. Bei den Plaques handele es sich um Überreste abgestorbener Zellen der Gefässwand inklusive Lipiden, aber nicht um Blutfette, die sich von innen an die Gefässwand anlagern, so Haverich. Da alle kleineren Arterien des Menschen nur selten betroffen seien, bezweifelt er, dass der Prozess eine generalisierte Erkrankung ist, die an der Gefässinnenwand beginnt. Als weiteres Argument verweist Haverich auf teils sehr alte Beobachtungen, die für eine zentrale Bedeutung von Entzündungsreaktionen

für die Entstehung einer Arteriosklerose sprechen, aber in Vergessenheit geraten seien. So beobachtete ein Pathologe bereits 1924 bei mehr als 300 Kindern, die an Infektionskrankheiten verstorben waren, regelmässig arteriosklerotische Veränderungen. Schuld am Verschluss der Vasa vasorum und des nachfolgenden Infarktes in der Wand des grossen Gefässes seien vor allem Entzündungsreaktionen, zum Beispiel infolge von Infektionskrankheiten oder Umwelteinflüssen wie Feinstaub; auch «schädliche Fettpartikel» wie oxidiertes LDL-Cholesterin nennt Haverich als Ursache. Seine Hypothese erscheint auf den zweiten Blick nicht so völlig neu, wie es die Schlagzeilen suggerieren. Dass Entzündungsreaktionen mit Arteriosklerose einhergehen können, weiss man schon lange. Der antiarteriosklerotische Effekt der Statine wird von einigen Forschern darum auch nicht primär auf die Lipidsenkung an sich, sondern letztlich auf eine antiinflammatorische Wirkung der Statine zurückgeführt. Ebenfalls nicht neu ist die Erkenntnis,

dass Überreste geschädigter Gefässwandzellen der Ausgangspunkt arteriosklerotischer Plaques sind – nur dass die gängige Lehrmeinung den Prozess in der Gefässwand von innen nach aussen definiert und Haverich umgekehrt von aussen nach innen. Sollten die Inhaltsstoffe des Blutes für die Plaques wirklich gar keine Rolle spielen? Der Internist Dr. Thomas G. Schätzler, Dortmund, glaubt das nicht (2). Die Arteriosklerose auf zunehmende Hypoxie in Durchblutung und Gewebe beziehungsweise zunehmende Insuffizienz und Untergang der Vasa vasorum herunterbrechen zu wollen, sei zu schlicht gestrickt, kritisiert er den Chirurgen in einem Online-Kommentar.
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1. Haverich A: A surgeon’s view on the pathogenesis of atherosclerosis. Circulation 2017; 135: 205–207.
2. Kommentar vom 18.1.2017 auf www.aerztezeitung.de zum Artikel «Blutfette doch nicht Ursache für Arteriosklerose?».

Onkologie
HPV ist nicht bei allen Zervixkarzinomen die Ursache

© Tatiana Shepeleva – Fotolia.com

Auf der Suche nach genetischen Veränderungen in primären Zervixkarzinomen identifizierten Forscher des amerikanischen Netzwerks «The Cancer Genome Atlas (TCGA)» nicht nur eine Vielzahl an

Mutationen. In 8 von 178 Tumoren konnten sie keine Anhaltspunkte für eine HPV-Infektion finden. Ein kleiner Anteil der Zervixkarzinome hat demnach andere, noch unbekannte Ursachen. Ziel der genetischen Analyse war nicht die Überprüfung, ob HPV vorhanden war oder nicht, sondern die Identifizierung potenzieller Angriffspunkte für neue Therapien. Es bestehe kein Zweifel daran, dass die allermeisten Zervixkarzinome auf HPV zurückzuführen sind, kommentierte Dr. Douglas Lowy, einer der Studienautoren, die neuen Erkenntnisse in einer Pressemitteilung des TCGA-Netzwerks. Die Impfung könne langfristig dafür sorgen, dass weniger Frauen ein Zervixkarzinom bekommen. Da viele potenziell gefährdete Frauen aber bereits zu alt für die

Impfung sind, sei es nach wie vor wichtig, nach neuen Therapien zu suchen, so Lowy. Als potenzielle Angriffspunkte gelten Schlüsselgene bei Aktivierungsund Deaktivierungssignalwegen der Zelle. In 70 Prozent der Tumoren habe man Veränderungen in solchen Genen gefunden, schreiben die Studienautoren.
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The Cancer Genome Atlas Research Network: Integrated genomic and molecular characterization of cervical cancer. Nature 2017, published online January 23, 2017.

86 ARS MEDICI 3 I 2017

MEDIEN, MODEN, MEDIZIN

© iana_kolesnikova – Fotolia.com

Prävention
Pokémon GO brachte nicht viel mehr Bewegung Rückspiegel

Gemäss einer amerikanischen Studie (1) mit 1182 Personen im Alter von 16 bis 35 Jahren brachte das Online-Spiel Pokémon GO weniger für die Bewegung als man es sich angesichts der zahlreichen Freiluftspieler erhoffte. Die 560 Teilnehmer in der Pokémon-GO-SpielerGruppe brachten es vor der Studie auf durchschnittlich 4256 Schritte pro Tag. Mit Pokémon GO waren es in der ersten Woche rund 1000 Schritte mehr (zwischen 697 bis 1213 Schritten mehr im üblichen 95%-Konfidenzintervall). Die Begeisterung flachte aber rasch wieder ab, sodass die Schrittzahl pro Tag nach sechs Wochen im Durchschnitt wieder annähernd auf das Ausgangsniveau sank. In der Kontrollgruppe ohne Pokémon GO (n = 622) änderte sich das Bewe-

gungsverhalten im Studienzeitraum nicht, sodass andere Faktoren, wie etwa schlechtes Wetter, keinen Einfluss auf das Studienergebnis haben sollten. Diese Befunde seien enttäuschend, so Prof. Helmut Schatz (2), dachten doch viele, dass der Effekt grösser sei und zumindest während der sechs Wochen des Spielens anhalten würde. Offenbar seien die Probanden anfangs engagiert darauf losmarschiert, hätten mit der Zeit aber ein «ökonomischeres» Gehen gelernt. Selbst die maximal gut 5000 Schritte zu Beginn der Studie lägen immer noch weit entfernt von den 10 000 Schritten pro Tag, die als nachhaltige Gesundheitsförderung empfohlen werden. Dennoch sei diese aktive Art von SmartphoneSpielen viel besser als das bisherige Spielen in sitzender Position, so Schatz. Er hofft, dass in Zukunft weiterhin zur körperlichen Aktivität anregende Computerspiele entwickelt und angeboten werden. Diese sollten aber noch mehr körperliche Bewegung bewirken als Pokémon Go. redO
1. Howe BK et al.: Gotta catch em all! Pokémon Go and physical activity among young adults. Brit Med J 2016; 355.i6270
2. Helmut Schatz, dge-Blog vom 16. Januar 2017; http://blog.endokri nologie.net/pokemen-go-3181/

Kardiologie
Weitere Hypothese zur Arteriosklerose

Vor 10 Jahren
BMI taugt nichts
In einer schwedischen Studie zeigt sich, dass sich fast jeder fünfte mit einem BMI über 30 bester Gesundheit erfreut. Wissenschaftler nehmen dies zum Anlass, einmal mehr daran zu erinnern, dass die Verteilung des Körperfettes sowie der Anteil an Muskelmasse viel wichtiger sei zur Beurteilung allfälliger Gesundheitsrisiken als die simple BMI-Formel mit den Parametern Grösse und Gewicht. Viel aussagekräftiger sei das Verhältnis von Taillenund Hüftumfang; notfalls reiche bereits der Taillenumfang zur Risikobeurteilung aus.
Vor 50 Jahren
Haltbare Blutkonserven
In den USA werden neue Tiefkühlverfahren für Blutkonserven entwickelt. Diese erlauben eine sehr lange Aufbewahrungsdauer. Zuvor konnten Blutkonserven höchstens drei Wochen lang gekühlt aufbewahrt werden.

In einem Tiermodell sind Forscher aus Boston einer Hypothese nachgegangen, wonach mutierte Blutstammzellen eine Rolle bei der Entstehung von Arteriosklerose spielen könnten. Gut jeder zweite ältere Patient mit Arteriosklerose weist keinen oder höchsten einen der konventionellen Risikofaktoren auf, heisst es in einer Pressemitteilung anlässlich der in «Science» publizierten Studie. Es müsse darum weitere, noch unbekannte Faktoren geben. DNA-Mutationen werden mit dem Alter häufiger. Manche davon bewirken Krebs oder andere Erkrankungen. Man hat in Studien am Menschen beobachtet, dass die klonale Vermehrung mutierter Blutstammzellen mit einer höheren Arteriosklerose-Inzidenz einhergeht. Warum das so ist, weiss bisher niemand. Die Forscher aus Boston transplantierten Labormäusen Blutstammzellen, die eine bei Menschen im Alter häufige Genmutation auf-

weisen. Die Mäuse entwickelten hierauf rasch

arteriosklerotische Plaques. Diese Plaques

waren Folge einer Entzündung der Gefässin-

nenwand. Sie wurde durch mutierte Makro-

phagen bewirkt, unter anderem durch die ver-

stärkte Ausschüttung des entzündungsför-

dernden Zytokins Interleukin 1.

Im Alter häufiger werdende Mutationen in

Leukozyten könnten demnach zu Arterioskle-

rose führen, argumentiert Prof. Kenneth Walsh,

korrespondierender Autor der Studie. Diese

neue Erkenntnis ermögliche seiner Ansicht

nach neue therapeutische Möglichkeiten so-

wie ein exakteres Risikoprofil durch zusätzli-

che genetische Analysen.

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Fuster JJ et al.: Clonal hematopoiesis associated with Tet2 deficiency accelerates atherosclerosis development in mice. Sciene 2017, published online Jan 19, 2017

Vor 100 Jahren
Leukämiediagnose ohne Mikroskop

Ein Professor aus Leipzig berichtet in ARS

MEDICI 2/1917 von seiner Methode, «leuk-

ämisches Blut» rasch und einfach zu er-

kennen. Man müsse das Blut nur mit der

fünf- bis zehnfachen Menge Natron- oder

Kalilauge mässig schütteln. Normales

Blut würde sich dann in ein klares, dünn-

flüssiges Lysat verwandeln, während das

Lysat bei Leukämie wegen der hohen Zahl

an Leukozyten eher gelatinös und zäh-

flüssig sei.

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ARS MEDICI 3 I 2017