Transkript
FORTBILDUNG
Statine zur kardiovaskulären Primärprävention
Neue Empfehlungen der United States Preventive Services Task Force
Kardiovaskuläre Erkrankungen gehören zu den führenden
Ursachen von Morbidität und Mortalität. Statine reduzieren
das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt
und Schlaganfall. Welche Personengruppen sollten Statine
primärpräventiv erhalten?
JAMA
Die United States Preventive Services Task Force (USPSTF) ist eine Institution, die Empfehlungen zur Effektivität spezifischer Präventivmassnahmen bei Patienten ohne manifeste Zeichen oder Symptome gibt. Kürzlich hat die USPSTF ein Statement zum Einsatz von Statinen in der Primärprävention veröffentlicht und dabei unter anderem folgende Empfehlungen formuliert (1): O Bei 40- bis 75-Jährigen ohne kardiovaskuläre Erkrankun-
gen (CVD), die einen oder mehrere kardiovaskuläre (CV-) Risikofaktoren (Dyslipidämie, Diabetes, Hypertonie oder Rauchen) sowie ein errechnetes 10-Jahres-Risiko für ein CVD-Ereignis von 10 Prozent oder mehr aufweisen, sollte eine Statintherapie in niedriger bis mittlerer Dosis eingeleitet werden. O 40- bis 75-Jährigen ohne CVD, die einen oder mehrere CVRisikofaktoren und ein errechnetes 10-Jahres-Risiko für ein CVD-Ereignis von 7,5 bis 10 Prozent aufweisen, sollte selektiv eine Statintherapie in niedriger bis mittlerer Dosierung angeboten werden. O Die aktuelle Evidenz reicht nicht aus, um das NutzenRisiko-Verhältnis einer Statintherapie bei Menschen ab 76 Jahren zu bewerten. Ausser der aktuellen USPSTF-Guideline wurden seit 2013 vier wichtige Leitlinien zum Einsatz von Statinen veröffentlicht, nämlich die Guideline des American College of Cardiology (ACC) und der American Heart Association (AHA)
MERKSÄTZE
O Bei 40- bis 75-Jährigen ohne kardiovaskuläre Erkrankungen (CVD), die einen oder mehrere kardiovaskuläre Risikofaktoren sowie ein errechnetes 10-Jahres-Risiko für ein CVD-Ereignis von 10 Prozent oder mehr aufweisen, sollte eine Statintherapie in niedriger bis mittlerer Dosis eingeleitet werden.
O Liegt das 10-Jahres-Risiko zwischen 7,5 und 10 Prozent, sollte selektiv eine Statintherapie angeboten werden.
sowie die Leitlinien der Canadian Cardiovascular Society
(CCS), des UK National Institute for Health and Care Excel-
lence (NICE) und der European Society of Cardiology/Euro-
pean Atherosclerosis Society (ESC/EAS).
Diese fünf Leitlinien stimmen in vielen Punkten überein,
doch gibt es auch einige wichtige Unterschiede, vor allem zu
Themen, für die die Datenlage limitiert ist, heisst es in einem
begleitenden Editorial (2).
Es besteht Übereinstimmung, dass starke Evidenz hinsichtlich
der Statineffektivität sowie breite Behandlungsindikationen
vorliegen – insbesondere bei Hochrisikosegmenten, einschliess-
lich Personen mit familiärer Hypercholesterinämie oder Dia-
betes und Patienten mit manifester atherosklerotischer CVD.
Über die Leitlinien hinweg besteht Einigkeit, dass Statine im
Allgemeinen sicher sind, vor allem bei Personen unter 76 Jah-
ren. Dies wird durch eine gute Evidenzlage gestützt.
Unsicherheit besteht in den Guidelines in Bezug auf Nutzen
und Risiken der Statine bei älteren Menschen, für die nur be-
grenzte Evidenz aus randomisierten klinischen Studien vor-
liegt. Wenig Übereinstimmung besteht hinsichtlich spezifi-
scher LDL-(low-density lipoprotein-)Cholesterin-Zielwerte,
da es hierzu nur Daten aus Beobachtungsstudien gibt. Die
Frage spezifischer LDL-Cholesterin-Zielwerte bleibt dem-
nach weiterhin unbeantwortet. Zudem besteht keine Einig-
keit bezüglich eines spezifischen Schwellenwerts, ab dem die
Therapie eingeleitet werden sollte. Da es keine allgemeine an-
erkannte Risikoschwelle gibt, könnten zusätzliche Untersu-
chungen bei der Therapieentscheidung helfen. Die Editoria-
listen merken an, dass die Bestimmung des Koronarkalks
(Kalzium-Scoring) hilfreich ist, wenn nach der Arzt-Patien-
ten-Diskussion weiterhin Unsicherheit besteht, ob eine Sta-
tintherapie eingeleitet werden soll oder nicht.
Trotz recht guter Evidenzlage aus Studien zum Einsatz von
Statinen in der Primärprävention der CVD (siehe Tabelle) be-
stehen also nach wie vor gewisse Unsicherheiten. Alle fünf
Leitlinien empfehlen, dass immer eine klinische Einschätzung
sowie umsichtige Patienten-Arzt-Gespräche indiziert sind –
unabhängig vom Risikoprofil des Patienten. Auch betonen
die Guidelines die Wichtigkeit von Lebensstilinterventionen,
um das Risiko bei allen Patienten unabhängig von der medi-
kamentösen Lipidsenkung zu reduzieren.
O
Andrea Wülker
Quellen: 1. Bibbins-Domingo K et al.: Statin use for the primary prevention of cardiovascular
disease in adults: US Preventive Services Task Force recommendation statement. JAMA 2016; 316(19): 1997–2007. 2. Greenland P et al.: Interpretation and use of another statin guideline. JAMA 2016; 316(19): 1977–1979.
Interessenlage: Ein Teil der Autoren hat Forschungsgelder/Stipendien und Honorare von verschiedenen Institutionen und Unternehmen erhalten.
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FORTBILDUNG
Tabelle:
In verfügbaren Studien verwendete Statine und Dosierungen
Statin Atorvastatin
Fluvastatin Fluvastatin ER Lovastatin Pitavastatin Pravastatin
Rosuvastatin Simvastatin
in CH zugelassene Präparate
Atorsan® Atorva® Pfizer Atorvastatin® Actavis Atorvastatin® Axapharm Atorvastatin® Helvepharm Atorvastatin® Pfizer Atorvastatin® Sandoz Atorvastatin® Spirig Atorvastatin® Streuli Atorvastatin® Zentiva Atorvastatin®-Mepha Atorvastax® Sortis®
Fluvastatin® Sandoz Fluvastatin®-Mepha Fluvastatin®-Teva Lescol®
Fluvastatin® Sandoz Retard Fluvastatin®-Mepha Retard Fluvastatin®-Teva Retard Lescol® Retard
Nicht im AK der Schweiz
Livazo®
Helveprasin® Mevalotin® Pravastatin® Actavis Pravastatin® Axapharm Pravastatin® Helvepharm Pravastatin® Sandoz Pravastatin® Spirig Pravastatin® Streuli Pravastatin®-Mepha Pravastax® Selipran®
Crestastatin® Crestor®
Simcora® Simvasin® Spirig Simvastatin® Avtavis Simvastatin® Axapharm Simvastatin® Helvepharm Simvastatin® Streuli Simvastatin®-Mepha Zocor®
Dosis (mg)a Niedrig
20–40 20 1 10–20
10
Moderat 10–20
Hoch 40–80
40 2-mal/Tag
80 40 2–4 40–80
5–10
20–40
20–40
a Dosiskategorien aus ACC (American College of Cardiology)/AHA (American Heart Association)-Guideline 2013 für die Behandlung von Bluta cholesterin zur Reduzierung des kardiovaskulären Risikos bei Erwachsenen (Stone NJ et al., Circulation 2014; 129[25] [Suppl 2]: S1–S45)
(modifiziert nach USPSTF)
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