Transkript
ARGUS PHARMAKOTHERAPIE
Neue Medikamente bereichern die Therapielandschaft
Hepatitis, Hyperlipidämie, Asthma, Parkinson, Colitis ulcerosa ... – es tut sich was
An kaum einem anderen Beispiel konnte man in letzter Zeit das Potenzial neuer Therapieoptionen so deutlich sehen wie bei der Hepatitis C. Deren Behandlungsoptionen waren lange Zeit unbefriedigend, Regimes und Erfolge unterschieden sich je nach Genotyp deutlich und gingen mit zum Teil erheblichen Nebenwirkungen einher. Besonders schwierig war es jedoch für Patienten, die auf Therapien nicht oder nur partiell ansprachen, für die eine Behandlung mit Interferon nicht infrage kam oder die unter einer fortgeschrittenen Erkrankung litten. Meilensteine waren die Einführung des pegylierten Interferons sowie der Proteasehemmer. Diese haben als Bestandteil einer Tripeltherapie die Chancen zwar verbessert, aber im Vergleich zur dualen Therapie auch weitere Nebenwirkungen mit sich gebracht. Die Zulassung von Sofosbuvir, einem nukleosi-
dischen NS5B-Polymerase-Inhibitor, erweiterte die Behandlungsoptionen der chronischen Hepatitis-C-Infektion noch einmal. Zwischenzeitlich liessen sich die Ansprechraten insbesondere für die schwierig zu behandelnden Patientengruppen weiter steigern.
Nicht nur Meilensteine
verändern die Praxis
Bahnbrechende Veränderungen sind auch in der Onkologie zu finden, man denke nur an die neuen Immuntherapien, die hoffnungslosen Patienten eine Chance auf Langzeitüberleben gebracht haben, bei erst noch besserer Verträglichkeit als bei den bislnag bekannten Therapien. Wenn es um neue Medikamente geht, die Arzt und Patient den Alltag erleichtern können, müssen aber auch die Fortschritte bei vielen anderen Erkrankungen berück-
sichtigt werden, die eine Verbesserung
oder Erleichterungen mit sich bringen
und für die Betroffenen einen grossen
Unterschied bedeuten können.
Und geforscht wird weiter: Die Pipe-
lines der Pharmaindustrie seien gut
gefüllt, konstatiert der Quintiles-IMS-
Report. In den nächsten Jahren sind
insbesondere in der Onkologie, bei den
Autoimmunerkrankungen, bei den Stoff-
wechselkrankheiten und bei Erkran-
kungen des Zentralnervensystems wei-
tere Neuerungen zu erwarten, pro-
gnostiziert werden durchschnittlich
45 Neuzulassungen pro Jahr.
Im Folgenden stellen wir Ihnen eine
kleine Auswahl aus den Neuzulassun-
gen der jüngeren Zeit vor, die in ihren
Indikationen die Praxis bereichern
können. Via QR-Code können Sie ein-
fach auf die entsprechenden Fachinfor-
mationen zugreifen.
MüO
Acarizax®: SLIT-Therapie jetzt auch bei Hausstaubmilbenallergie
https://www.rosenfluh.ch/qr/acarizax
Auch für die Sensibilisierung gegen Hausstaubmilben ist mit der neuen SLIT-Tablette Acarizax® 12 SQ-HDM nun eine sublinguale Immuntherapie verfügbar. 2 Studien konnte ihre Wirksamkeit bei durch Hausstaubmilben ausgelösten allergischen Atemwegserkrankungen belegt werden: Die MERIT-Studie zeigte bei 992 Patienten mit allergischer Rhinitis, die trotz Medikation stark symptomatisch waren, eine Verbesserung der Symptomatik sowie einen geringeren Bedarf an Medikamenten (1). Als erste grosse Studie hat die MITRA-Studie aufzeigen können, dass eine SLIT zudem bei Rhinitispatienten, die auch an einem allergischen Asthma leiden, das Risiko von Exazerbationen reduziert (2). In der prospektiven, randomisierten Doppelblindstudie wurden 834 Patienten, die seit mindestens einem Jahr an einem partiell kontrollierten, durch HDM-
Allergene ausgelösten allergischen Asthma litten, eine dokumentierte reversible Atemwegsobstruktion aufwiesen und regelmässig Asthmacontroller entsprechend der GINA-Stufe 2 bis 4 einnahmen, untersucht und in 1 von 3 Therapiearmen randomisiert: SLIT mit 12 SQ-HDM (n = 282), SLIT mit 6 SQ-HDM (n = 275) und PlazeboSLIT. Nach 7 bis 12 Monaten Therapie wurden die Inhalationssteroide halbiert und komplett abgesetzt, wenn nach weiteren 3 Monaten keine Exazerbation auftrat. Mit beiden SLITDosierungen wurde im Vergleich zu Plazebo eine signifikante und klinisch relevante Verlängerung der Zeit bis zur ersten mittelschweren oder schweren Exazerbation erzielt. Der Effekt zeigte sich bereits während der Steroidhalbierung und setzte sich auch in der zweiten Reduktionsphase (Steroidabsetzung) fort. Das Risiko einer Exazerbation
wurde unter der Dosis von 12 SQHDM, die auch zur Zulassung gebracht wurde, um 34 Prozent versus Plazebo reduziert.
Wie wirkt das Lyophilisat?
Die neue SLIT-Tablette enthält einen
standardisierten Allergenextrakt aus
den jeweils zwei wichtigsten Allergenen
der beiden Hausstaubmilben Dermato-
phagoides pteronyssinus und Dermato-
phagoides farinae, mit 12 SQ-HDM
pro Tablette. Eine klinische Wirkung
kann 8 bis 14 Wochen nach Therapie-
beginn erwartet werden.
red O
Literatur: 1. Arzneimittelinformation Acarizax®
www.compendium.ch 2. Virchow JC et al.: Efficacy of a house dust mite sublin-
gual allergenimmunotherapy tablet in adults with allergic asthma – a randomized clinical trial. JAMA 2016; 315: 1715–1725.
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Acarizax 69
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Adenuric® (Febuxostat): Neues Urikostatikum zum Einsatz bei Hyperurikämie
https://www.rosenfluh.ch/qr/adenuric
Die Zulassung von Febuxostat (Adenuric®) hat die Optionen zur Behandlung einer symptomatischen Hyperurikämie erweitert (1). Xanthinoxidase-Inhibitoren gelten in dieser Situation als Mittel der Wahl. Als Alternative zu Allopurinol entwickelt, senkte Febuxostat in Phase-III-Studien die Harnsäurespiegel effektiver: In der FACT-Studie (n = 760) erhielten Patienten mit Harnsäurewerten von mindestens 480 µmol/l (8 mg/dl) über 52 Wochen Febuxostat (80 oder 120 mg) oder Allopurinol (300 mg) (2). Im Ergebnis erreichten signifikant mehr Gichtpatienten die Serumharnsäurewerte von unter 360 mol/l unter Febuxostat (53% mit einer Dosierung von 80 mg, 62% mit einer Dosierung von 120 mg) als unter Allopurinol (21%). Eine aktuelle Metaanalyse von 16 kontrollierten Stu-
dien mit 6645 Patienten bestätigt die Ergebnisse (3). Demnach war Febuxostat effektiver als andere Medikamente, um eine Normalisierung der Harnsäurewerte im Serum zu erreichen. Zudem bestand bei der Therapie mit Allopurinol ein höheres Risiko für Nebenwirkungen als unter Febuxostat 120 mg. Die empfohlene orale Anfangsdosis ist 40 mg 1× täglich, die Einnahme kann unabhängig von der Nahrungsaufnahme erfolgen.
Wie wirkt Febuxostat?
Febuxostat ist ein 2-Aryl-Thiazol-Derivat, das seine therapeutische Wirkung über eine selektive XO-Hemmung entfaltet und so den Serumharnsäurespiegel senkt. Es verfügt über einen schnellen Wirkungseintritt, sodass die Harnsäurewerte bereits 2 Wochen nach
Therapiebeginn erneut kontrolliert wer-
den können. Das Urikostatikum wird
hauptsächlich in der Leber metaboli-
siert; eine Dosisanpassung bei leichter
bis mittelschwerer Niereninsuffizienz
mit einer Kreatininclearance zwischen
30 und 80 ml/min ist daher nicht not-
wendig.
red O
Literatur: 1. Arzneimittelinformation Adenuric®;
www.compendium.ch 2. Becker MA et al.: Febuxostat compared with allo-
purinol in patients with hyperuricemia and gout. N Engl J Med 2005; 353: 2450–2461. 3. Fan M et al.: Indirect comparison of urate-lowering therapies for hyperuricemic patients with or without gout: Meta-Analysis of randomized-controlled trials. Ann Rheum Dis 2016; 75(Suppl2): 1183.
Cortiment® MMX® (Budesonid MMX): Neuartige Formulierung zur Kolitistherapie
https://www.rosenfluh.ch/qr/cortiment
Budesonid MMX (Cortiment MMX®) ist eine neuartige Formulierung zur oralen Anwendung bei Colitius ulcerosa. Sie ist in einer Dosierung von 9 mg zur Einleitung einer Remission bei Patienten mit aktiver, leichter bis mässig schwerer Colitis ulcerosa dann zugelassen, wenn die Behandlung mit 5-Aminosalicylsäure (5-ASA, Mesalazin) nicht ausreicht (1). Drei achtwöchige multinationale Phase-III-Studien haben die Wirksamkeit bei Patienten mit aktiver, leichter bis mittelschwerer Colitis ulcerosa untersucht (2). Darin wurde die Substanz entweder einmal täglich als Monotherapie (CORE-I- und -II-Studien) oder als Add-on-Therapie zu 5-ASA (CONTRIBUTE-Studie) eingesetzt. Bei der CORE-I- und der CORE-II-Studie handelte es sich um randomisierte, doppelblinde und plazebokontrollierte Phase-III-Studien, in denen auch Budesonid-MMX-Dosierungen von 6 mg
und 3 mg untersucht wurden. Budesonid MMX 9 mg erwies sich bezüglich der Einleitung einer Remission gegenüber Plazebo als signifikant überlegen. Es kam sowohl zu einer Linderung der klinischen Symptomatik als auch zu einer Verbesserung des endoskopischen Befunds. In einer achtwöchigen Anschlussstudie zu CORE I wurde die Wirksamkeit von Budesonid MMX 9 mg als Monotherapie bei Patienten gezeigt, die die CORE-I-Studie zwar abgeschlossen, jedoch die klinische Remission nicht erreicht hatten. Das Verträglichkeitsprofil war sowohl als Monotherapie als auch als Add-onTherapie zu 5-ASA im Allgemeinen sehr gut und vergleichbar mit demjenigen von Plazebo. Nebenwirkungen waren in der Regel mild oder von mässiger Intensität (2). Auch eine weitere Analyse bestätigte diese Aussage (3). Die Gabe von Budesonid MMX er-
höhte nicht das Risiko für glukokortikoidbedingte Nebenwirkungen.
Wie wirkt Budesonid MMX?
Die Multi-Matrix-Struktur der neuen Formulierung ermöglicht eine kontrollierte Freisetzung des Wirkstoffs im gesamten Kolon, der magensaftresistente Überzug löst sich ab einem ph-Wert > 7 auf. Im Unterschied dazu setzen die herkömmlichen Formulierungen ihren Wirkstoff erst im terminalen Ileum frei.
red O
Literatur: 1. Arzneimittelinformation Cortiment®;
www.compendium.ch 2. Hoy SM: Budesonide MMX®: a review of its use in
patients with mild to moderate ulcerative colitis. Drugs 2015; 75(8): 879–886. 3. Lichtenstein GR et al.: Budesonide MMX for the induction of remission of mild to moderate ulcerative colitis: a pooled safety analysis. J Crohns Colitis 2015; 9(9): 738–746.
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Nucala® (Mepolizumab): Erster Antikörper zur Behandlung des eosinophilen Asthmas
https://www.rosenfluh.ch/qr/nucala
Mepolizumab (Nucala®) ist das erste Biologikum, das speziell für Asthmapatienten mit eosinophiler Atemwegsentzündung zugelassen wurde (1). Die randomisierte, plazebokontrollierte, doppelblinde MENSA-Studie (Mepolizumab as adjunctive therapy in patients with severe asthma; n = 576) zeigte, dass eine subkutane Therapie mit 100 mg alle 4 Wochen im Vergleich zu Plazebo die Exazerbationsrate nach 32 Wochen signifikant um 53 Prozent senken kann (2). Zudem verbesserte das Biologikum die Lungenfunktion. Die durchschnittliche Zunahme des FEV1 (vor Bronchodilatatoranwendung) betrug nach 32 Wochen im Vergleich zum Ausgangswert in der Plazebogruppe 86 ml und in der Gruppe mit subkutanem Mepolizumab 183 ml. Die multizentrische, randomi-
sierte, plazebokontrollierte Doppelblindstudie SIRIUS (Steroid reduction with mepolizumab study, n = 135) wies bei Patienten mit schwerem eosinophilem Asthma, die orale Kortikosteroide als tägliche Dauerbehandlung benötigten, zudem einen Spareffekt bezüglich der Glukokortikoide nach (3). In der Mepolizumabgruppe war versus Plazebo bei mehr Patienten eine Reduktion der Dosis möglich (Dosisreduktion um 90 bis 100% bei 23 bzw. 11% der Patienten; Dosisreduktion um 75 bis 89% bei 17 bzw. 8% der Patienten). Die mediane Reduktion der täglichen Dosis des oralen Kortikosteroids betrug in der Mepolizumabgruppe 50 und in der Plazebogruppe 0 Prozent. Die auf 1 Jahr bezogene Exazerbationsrate konnte durch die Mepolizumabzusatztherapie um 32 Prozent reduziert
werden (1,44 bzw. 2,12). Kopfschmerzen und Nasopharyngitis waren in beiden Gruppen die häufigsten Nebenwirkungen (2).
Wie wirkt Mepolizumab?
Mepolizumab ist ein humanisierter mo-
noklonaler Antikörper, der sich hoch-
affin und spezifisch gegen das humane
Interleukin 5 (IL-5) richtet. In klinischen
Studien wurde eine dosisabhängige Ver-
minderung der Eosinophilenzahl im
Blut beobachtet.
red O
Literatur: 1. Arzneimittelinformation Nucala®;
www.compendium.ch 2. Ortega HG et al.: Mepolizumab treatment in patients
with severe eosinophilic asthma. N Engl J Med 2014; 371: 1198–1207. 3. Bel EH et al.: Oral glucocorticoid-sparing effect of mepolizumab ineosinophilic asthma. N Engl J Med 2014; 371: 1189–1197.
Praluent® (Alirocumab): Erweitert Therapiespektrum der Hypercholesterinämie
https://www.rosenfluh.ch/qr/praluent
Die Zulassung von monoklonalen Antikörpern, die eine LDL-Cholesterinsenkung bewirken, erweitert die Möglichkeiten zur Behandlung einer Hyperlipidämie. Der humane, monoklonale Antikörper Alirocumab (Praluent®) ist begleitend zu einer Diät und zusätzlich zur maximal tolerierten Statindosis mit oder ohne weitere lipidmodifizierende Therapie indiziert zur Behandlung von Patienten mit primärer Hyperlipidämie (schwere heterozygote familiäre Hypercholesterinämie [HeFH] sowie klinisch manifeste atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankung), bei denen eine zusätzliche Senkung des LDL-Cholesterins notwendig ist (1). Wirksamkeit und Sicherheit wurden im ODYSSEY-Forschungsprogramm untersucht. Die übereinstimmenden Ergebnisse aus zehn Phase-III-Studien mit einer Dauer von 6 Monaten bis zu 2 Jahren zeigen eine gute cholesterin-
senkende Wirkung von Alicorumab sowohl gegenüber Plazebo als auch im Vergleich zu Ezetimib. Im Vergleich zu Plazebo konnte nach 24 Wochen eine durchschnittliche Senkung der LDL-CWerte von 46 bis 61 Prozent erreicht werden, gegenüber Ezetimib lag die LDLSenkung nach 2 Jahren in einer Grössenordnung von 45 bis 47 Prozent (2). Aussagen zur Wirkung auf die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität sind derzeit noch nicht abschliessend möglich, die laufende Endpunktstudie ODYSSEY OUTCOMES soll hierzu nähere Erkenntnisse liefern. Die Ergebnisse werden für 2017 erwartet.
Wie wirkt Alirocumab?
Das Wirkprinzip beruht darauf, die Bildung eines LDL-Rezeptor-PCSK9Komplexes zu verhindern. Da PCSK9 den Abbau von LDL-Rezeptoren in der Leber fördert, wird durch dessen Hem-
mung die Anzahl der zur Beseitigung von LDL verfügbaren LDL-Rezeptoren erhöht und eine Senkung der LDL-CSpiegel erreicht. Die Injektionslösung steht in einer Fertigspritze oder einem Fertigpen in zwei Dosierungen (75 mg und 150 mg) zur Verfügung. Die Injektionen werden alle 14 Tage von den Patienten selbst vorgenommen. red O
Literatur: 1. Arzneimittelinformation Praluent®;
www.compendium.ch 2. Pressemitteilung Sanofi
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Praxbind® (Idarucizumab): Neues Antidot für Thrombininhibitor Dabigatran
https://www.rosenfluh.ch/qr/praxbind
Für den direkten Thrombininhibitor Dabigatranetexilat steht mit Idarucizumab (Praxbind®) nun erstmals ein spezifisches Antidot zur Verfügung. Dessen Einsatz ist indiziert bei Patienten, die unter Behandlung mit Dabigatran schwere nicht kontrollierbare Blutungen haben. Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit der Substanz wurden in drei klinischen Phase-I-Studien mit insgesamt 283 gesunden Probanden untersucht (1–4). Die Teilnehmer erhielten über 31/2 Tage hinweg 2-mal täglich 220 mg Dabigatran. Eine Aufhebung der Wirkung des direkten Thrombininhibitors konnte mit einer Idarucizumabdosierung von ≥ 2 g erzielt werden. Die anschliessende einarmige Phase-III-Studie REVERSE schloss Patienten ein, die unter Dabigatran entweder eine schwere Blutung entwickelt hatten oder bei denen eine Notopera-
tion erforderlich worden war. Auf Basis einer klinischen Entscheidung erhielten diese eine Infusion mit 5 g Idarucizumab. In die bis anhin verfügbare Interimsanalyse konnten Daten von 123 Patienten einfliessen, deren medianes Lebensalter bei 77 Jahren und deren mediane Kreatinclearance bei 61 ml/min lag (1). Nach der Infusion zeigte sich eine schnelle Antagonisierung der Wirkung von Dabigatran, diese Wirkung blieb mehrheitlich bestehen.
Wie wirkt Idarucizumab?
Idarucizumab ist ein humanisiertes monoklonales Anti-Dabigatran-Antikörperfragment (Fab), das mit sehr hoher Affinität an Dabigatran bindet und spezifisch dessen gerinnungshemmende Wirkung umkehrt, indem es die gerinnungshemmede Wirkung von Dabigatran und seinen Metaboliten neutra-
lisiert. Die Applikation erfolgt als in-
travenöse Infusion.
red O
Literatur: 1. Arzneimittelinformation Praxbind®;
www.compendium.ch 2. Glund S et al.: A randomised study in healthy volun-
teers to investigate the safety, tolerability and pharmacokinetics of idarucizumab, a specific antidote to dabigatran. Thromb Haemost 2015; 113: 943–951. 3. Glund S et al.: Idarucizumab, a specific antidote for dabigatran: immediate, complete and sustained reversal of dabigatran induced anticoagulation in elderly and renally impaired subjects. Blood 2014; 124: 344. 4. Glund S et al.: Safety, tolerability, and efficacy of idarucizumab for the reversal of the anticoagulant effect of dabigatran in healthy male volunteers: a randomised, placebo-controlled, double-blind phase 1 trial. Lancet 2015; 386 (9994): 680–690.
Repatha® (Evolocumab): Antikörper als PCSK9-Inhibitor bei Hypercholesterinämie
https://www.rosenfluh.ch/qr/repatha
Der monoklonale Antikörper Evolocumab (Repatha®) ist indiziert bei begleitender Diät und maximal tolerierbarer Statindosis mit oder ohne andere lipidsenkende Therapien zur Behandlung Erwachsener mit schwerer heterozygoter familiärer Hypercholesterinämie oder klinischer atherosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankung oder ab 12 Jahren bei homozygoter familiärer Hypercholesterinämie, wenn eine zusätzliche LDL-Senkung notwendig ist (1). Bei etwa 6000 Patienten mit primärer Hypercholesterolämie und gemischter Dyslipidämie zeigten Studien eine deutliche und konsistente Reduktion der LDL-Cholesterin-Spiegel. Etwa 4500 Patienten mit erhöhten LDL-Spiegeln waren in 10 Phase-III-Studien eingeschlossen. Im Vergleich zu Plazebo wurde das LDL signifikant um 55 bis
76 Prozent beziehungsweise um zirka 36 bis 47 Prozent im Vergleich zu Ezetimib gesenkt. Als ebenso wirksam erwies sich Evolocumab bei homozygoter familiärer Hypercholesterinämie. In einer der Studien konnte der Antikörper in Kombination mit Statinen, mit oder ohne Ezetimib, nach 12-wöchiger Gabe von 420 mg pro Monat das LDL-Cholesterin im Vergleich zu Plazebo um durchschnittlich 30 Prozent reduzieren (2). Die Wirkung von Evolocumab (als Zusatzmedikation bei Statinbehandlung und einem LDL-C > 70 mg/dl) auf die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität wird in der laufenden FOURIERStudie (Further Cardiovascular Outcomes Research with PCSK9 Inhibition in Subjects with Elevated Risk) mit mehr als 27 500 kardiovaskulär vor-
erkrankten Patienten untersucht. Die Daten werden 2017 erwartet (3).
Wie wirkt Evolocumab?
Der spezifische Antikörper Evolocumab bindet selektiv an zirkulierendes PCSK9 und verhindert so die Bindung des Proteins an die LDL-Rezeptoren auf den Leberzellen. Damit erhöht sich die Zahl der LDL-Rezeptoren auf der Zelloberfläche, was mit einer Reduktion der LDL-Serumspiegel einhergeht. red O
Literatur: 1. Arzneimittelinformation Repatha®;
www.compendium.ch 2. Keating GM: Evolocumab: a review in hyperlipidemia.
Am J Cardiovasc Drugs 2016; 16 (1): 67–78. 3. Gemeinsame Stellungnahme zur Nutzenbewertung
gem. § 35a SGB V von Evolocumab. www.dgk.org.
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Spedra® (Avanafil): PDE-5-Hemmer zur Behandlung der erektilen Dysfunktion
https://www.rosenfluh.ch/qr/spedra
Nach Sildenafil, Vardenafil und Tadalafil ist Avanafil (Spedra®) der vierte Phosphodiesterase-5-Hemmer (PDE-5Hemmer), der zur Behandlung der erektilen Dysfunktion zugelassen wurde. Seine Wirksamkeit wurde in vier randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudien gezeigt. Unter den insgesamt 1774 Teilnehmern (im Alter zwischen 23 und 88 Jahren) waren unter anderem auch Typ-1- und Typ-2-Diabetiker (n = 390) sowie Patienten mit Zustand nach bilateraler nervenerhaltender radikaler Prostatektomie (n = 298) in die Studien eingeschlossen. Die Dosierung betrug je nach Bedarf 50, 100 oder 200 mg Avanafil beziehungsweise Plazebo, die jeweils 30 Minuten, in der vierten Studie etwa 15 Minuten vor der sexuellen Aktivität eingenommen wurden. In einer offenen Anschlussstudie testete
eine Subgruppe von 712 Studienteilnehmern über mindestens 6 Monate und 153 Patienten über mindestens 12 Monate die Langzeitanwendung von 100 mg Avanafil. Je nach individuellem Ansprechen konnte die Dosis auf 200 mg erhöht oder auf 50 mg reduziert werden. Der PDE-5-Hemmer erwies sich in allen Studien und allen Dosierungen im Vergleich mit Plazebo als signifikant überlegen (1). Obwohl Vergleichsstudien mit den bekannten PDE-5-Hemmern der ersten Generation fehlen, deuten die bis jetzt verfug̈ baren Daten darauf hin, dass Avanafil bei vergleichbar guter Wirksamkeit eine geringere Nebenwirkungsrate und damit eine bessere Vertrag̈ lichkeit aufweisen kon̈ nte, wie die Autoren einer kur̈ zlich publizierten Metaanalyse berichten. Um diese Hinweise zu bestaẗ igen, wird die Durchfuḧ rung ver-
gleichender Studien mit lan̈ gerer Laufzeit angeregt (2).
Wie wirkt Avanafil?
Der Wirkeintritt ist bei sexueller Stimulation nach etwa 20 bis 45 Minuten zu erwarten. Avanafil hemmt PDE-5 um ein Vielfaches star̈ ker als andere bekannte Phosphodiesterasen wie zum Beispiel PDE-6, die in der Retina fur̈ die Fototransduktion verantwortlich sind, oder PDE-3, die an der Steuerung der kardialen Kontraktilität mitwirken (1).
red O
Literatur: 1. Arzneimittelinformation Spedra®;
www.compendium.ch 2. Corona G et al.: The safety and efficacy of Avanafil, a
new 2nd generation PDE5i: comprehensive review and meta-analysis. Expert. Opin Drug Saf 2016; 15 (2): 237–247.
Zepatier® (Elbasvir + Grazoprevir): Neue Fixkombination zur Behandlung der Hepatitis C
https://www.rosenfluh.ch/qr/zepatier
Die Fixombination aus Elbasvir und Grazoprevir (Zepatier®) wurde im beschleunigten Verfahren zugelassen zur Behandlung Erwachsener mit chronischer Hepatitis C (HCV) vom Genotyp 1 und 4 ± Ribavirin. Als erste interferonfreie Kombination für den Genotyp 4 bereichert sie die Therapiepalette und erweitert zudem die bestehenden Optionen beim häufigsten Genotyp 1. Sicherheit und klinische Wirksamkeit der Kombination wurden in acht klinischen Studien bei etwa 1800 Patienten mit chronischer HCV-Infektion der Genotypen 1, 3, 4 sowie 6 untersucht, darunter sowohl vorbehandelte mit als schwierig geltenden Behandlungskonstellationen als auch therapienaive Patienten (1). Als primärer Endpunkt war die virologische Ansprechrate 12 Wochen nach Ende der Therapie definiert (sustained virologic response, SVR12).
Unter den behandlungsnaiven mit Genotyp 1b infizierten Patienten erreichten mit einer Behandlung über 12 Wochen 96 Prozent eine SVR 12, unter den behandlungsnaiven Patienten mit chronischer HCV-GT1a-Infektion wurde nach 12-wöchiger Therapie bei 94 Prozent und unter den erfolglos vorbehandelten nach 16 wöchiger Therapie mit der Fixkombination plus Ribavirin (RBV) bei 95 Prozent eine Heilung erzielt. Unter den behandlungsnaiven Patienten mit chronischer HCV-GT4Infektion erzielten 96 Prozent eine Heilung nach 12-wöchiger Therapie mit der Fixkombination und 100 Prozent der erfolglos vorbehandelten Patienten nach 16-wöchiger Therapie mit Elbasvir und Grazoprevir plus RBV. Daraus resultiert eine Empfehlung zur 12-wöchigen Therapie mit einmal täglicher Einnahme bei Patienten mit HCV-GT 1-
oder -GT4-Infektion. Abhängig von den RNA-Werten und/oder der Präsenz spezifischer NS5A-Polymorphismen ist in bestimmten Konstellationen eine Therapie über 16 Wochen zuzüglich RBV zu erwägen.
Wie wirkt die Fixkombination?
Die Fixkombination vereint mit dem Inhibitor des HCV-NS5A-Proteins Elbasvir (50 mg) und Grazoprevir (100 mg), einem Inhibitor der HCV-NS3/4A-Protease, zwei direkt wirkende antivirale Wirkstoffe mit unterschiedlichen Wirkungsmechanismen ohne überlappende Resistenzprofile. So wird das Hepatitis-C-Virus in verschiedenen Phasen des viralen Lebenszyklus angegriffen. red O
Literatur: 1. Arzneimittelinformation Zepatier®;
www.compendium.ch
ARS MEDICI 1+2 I 2017
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