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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Prävention
Gute Nachrichten für Wochenendsportler
Das Schweizer Bundesamt für Sport BASPO empfiehlt, dass sich Erwachsene mindestens 150 Minuten pro Woche bei Alltagsaktivitäten oder beim Sport mit mindestens mittlerer Intensität bewegen (oder 75 Minuten mit hoher Intensität) und zwar am besten über mehrere Tage in der Woche verteilt (1). Die Autoren einer kürzlich publizierten Studie aus Grossbritannien kommen nun zu dem Schluss, dass es im Hinblick auf die lebensverlängernde Wirkung ausreichender Bewegung ausreicht, wenn man die sportliche Aktivität konzentriert am Wochenende absolviert (2) – eine gute Nachricht für Berufstätige mit wenig Zeit unter der Woche (und eine Ausrede weniger). Wer beispielsweise nur einmal pro Woche ins Fitness-Studio geht und länger trainiert, tut demnach etwas vergleichbar Gutes für ein langes Leben wie ein ande-
rer, der dreimal die Woche, aber jeweils kürzer dort ist. Die Autoren stützen sich auf Daten des «Health Survey for England (HSE)» und des «Scottish Health Survey (SHS)». Sie werteten die Daten von über 40-Jährigen aus, die zwischen 1994 und 2012 befragt wurden, insgesamt 63 591 Personen. Deren körperliche Freizeitaktivitäten wurde in vier Klassen eingeteilt: O inaktiv O aktiv, aber zu wenig: Ͻ150 min/Woche O Wochenendsportler: Ն 150 min/Woche,
auf einmal oder auf höchstens zwei Einheiten verteilt O regelmässige Aktivität: Ն 150 min/Woche, auf drei oder mehr Einheiten verteilt Die meisten Befragten waren inaktiv (62,8%). Etwa jeder Fünfte (22,4%) war ein bisschen, aber zu wenig aktiv. Die empfohlenen mindestens 150 Minuten schafften
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die Wochenendsportler (3,7%) und regelmässig aktive Personen (11,8%). Diese beiden vorbildlich aktiven Gruppen lagen dabei im Durchschnitt weit über dem geforderten Minimum. Die Wochen-
Kardiologie
TMAO – ein neuer kardiovaskulärer Marker
Die Darmflora hat nicht nur auf gastroenterologische Phänomene einen erheblichen Einfluss. So zeigte sich in den letzten Jahren, dass das Mikrobiom auch bei atherosklerotischen Veränderungen eine Rolle spielt. Vermittelt wird der Mikrobiomeinfluss zum Beispiel durch das Molekül TMAO (Trimethylamin-N-oxid). TMAO ist Stoffwechselmetabolit, der bei der Verdauung von Fleisch, Eiern und fettreichen Milchprodukten unter Einfluss des Mikrobioms entsteht. Die Darmbakterien verstoffwechseln das in solchen Lebensmitteln enthaltene Lecithin und andere Substanzen, wobei TMA (Trimethylamin) entsteht, das dann durch ein Leberenzym zu TMAO oxidiert wird. Hohe TMAO-Plasmaspiegel sind mit einem höheren kardiovaskulären Risiko assoziiert, was man aufgrund von Zellkultur- und Tierversuchen auf eine Thrombozytenaktivierung durch TMAO zurückführt. Kardiologen in der Schweiz und den USA haben nun in einer gemeinsamen Studie mit 2213 Patienten herausgefunden, dass TMAO auch bei Herzpatienten mit akuten
Symptomen ein prognostischer Faktor ist: Je höher der TMAO-Spiegel bei Patienten war, die mit akuten Koronarsyndromen ins Spital kamen, umso höher war auch deren Risiko, in den nächsten Tagen einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, eine Revaskularisierung zu benötigen oder gar zu sterben. TMAO erwies sich insbesondere auch bei Patienten mit negativem Troponinbefund als guter prognostischer Faktor. Nach Aussage der Studienautoren war TMAO hier sogar besser als traditionelle Risikofaktoren, Biomarker und das EKG. In der Schweiz waren an der Studie unter
Federführung der Zürcher Kardiologen die
Universitätsspitäler Zürich, Bern, Lausanne
und Genf beteiligt; sie untersuchten insge-
samt etwa drei Viertel der Studienpatien-
ten. In den USA beteiligte sich die Cleve-
land Clinic an der Studie. In den USA hat-
ten die Patienten im Durchschnitt höhere
TMAO-Werte als in der Schweiz, und die
Komplikationen nach einem Herzinfarkt
waren bei den amerikanischen Patienten
häufiger als bei den Schweizer Patienten.
Vielleicht könnte TMAO sogar mehr als ein
Labormarker sein und auch den Weg zu
neuen Herzmedikamenten weisen. Sein
Spiegel hängt von der Ernährung, der Ak-
tivität der Darmflora und dem Leberenzym
ab, das den letzten Schritt in der Stoff-
wechselkette bewirkt – mithin gleich drei
potenzielle Angriffspunkte für therapeu-
tische Massnahmen wie Diät oder spezi-
fische Medikamente, die den Stoffwech-
selweg blockieren.
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Li XS et al.: Gutmicrobiota-dependent trimethylamine N-oxide in acute coronary syndromes: a prognostic marker for incident cardiovascular events beyond traditional risk factors. Eur Heart J 2017; published online January 11, 2017.
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endsportler gaben pro Woche 300 Minuten moderate Aktivität an plus 138 Minuten intensive; bei den regelmässig Aktiven waren es 450 Minuten moderates und 125 Minuten intensives Training. Die nur ein bisschen aktiven Personen lagen mit durchschnittlich 60 Minuten mittlerer Aktivität plus 25 Minuten intensiver Bewegung weit darunter. Im Vergleich mit inaktiven Personen hatten alle drei aktiven Gruppen ein um rund 30 Prozent niedrigeres Mortalitätsrisiko. Betrachtete man nur kardiovaskuläre bedingte Todesfälle lag die Risikominderung in einer Grössenordnung von 40 Prozent und für den Krebstod bei rund 20 Prozent. «Diese Studie legt nahe, dass jegliche körperliche Freizeitaktivität besser ist als gar keine», so die Studienautoren. Völlig gleich sei der Aktivitätsgrad für die Langlebigkeit aber auch nicht, denn es gebe «Anhaltspunkte dafür, dass die Mortalitätsrisiken bei den regelmässig aktiven Teilnehmern am niedrigsten waren und die Dosis-Wirkungsbeziehung in dieser, wie auch in anderen Studien, als L-förmig beschrieben werden kann».
Dr. Gary O`Donovan und seine Koautoren
verschweigen die Schwächen ihrer Studie
nicht. So wurde die körperliche Aktivität nur
ein einziges Mal erfragt und nur für den Zeit-
raum der zurückliegenden vier Wochen.
Umgekehrte Kausalitäten sind nicht auszu-
schliessen. Wer krank ist bewegt sich weni-
ger und stirbt möglicherweise früher – an
seiner Krankheit und nicht wegen mangeln-
der Bewegung. Man habe allerdings gerade
diesen Bias durch das Streichen der Daten
bei Todesfall innert 24 Monaten nach der
Befragung und den Ausschluss der chro-
nisch Kranken minimiert, so die Studien-
autoren. Auch den Einfluss der Faktoren
Alter, Geschlecht, Rauchen, Beruf und chro-
nische Krankheiten habe man statistisch
berücksichtigt.
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1. Gesundheitswirksame Bewegung. Grundlagendokument. www.hepa.ch, Stand: 19. Januar 2017.
2. O’Donovan G et al.: Association of «weekend warrior» and other leisure time physical activity patterns with risks for all-cause, cardiovascular disease, and cancer mortality. JAMA Intern Med 2016; published online January 9, 2017.
Prostatakrebs
Operieren, bestrahlen oder abwarten?
Wird ein Prostatakrebs in einem frühen Stadium entdeckt, stellt sich die Frage nach der besten Strategie: Operien, bestrahlen oder abwarten? In der gross angelegten deutschen PREFERE-Studie wollte man diese Frage klären. Nachdem man innert drei Jahren jedoch nur 343 der geplaten 7600 Patienten rekrutieren konnte, wurde die Studie abgebrochen. Der «Todesstoss» dürfte die im Herbst publizierte britische ProtecT-Studie gewesen sein, die der gleichen Fragestellung gewidmet war. Verglichen wurde der Verlauf über zehn Jahre nach der Diagnose eines frühen Prostatakarzinoms (nach PSA-Test entdecktes, lokalisiertes Prostatakarzinom) bei 1643 Patienten. Sie wurden in drei etwa gleich grosse Gruppen randomisiert: aktive Überwachung, OP, Bestrahlung. Innert zehn Jahren starben 17 Männer an ihrem Prostatakarzinom, 8 in der Überwachungsgruppe, 5 in der OP-Gruppe und 4 in der Gruppe mit Bestrahlung. Das waren nicht nur weniger Prostatakrebstote, sondern auch eine insgesamt niedrigere Mortalität als erwartet. Es bestand kein statistisch signifikanter Unterschied bezüglich der Mortalität zwi-
schen den drei Gruppen. Kann man also getrost abwarten? Die Studienautoren beantworten diese Frage nicht mit Ja oder Nein. Sie kommen zu dem Schluss, dass man in jedem Einzelfall die Vor- und Nachteile jeder Strategie gemeinsam mit dem Patienten abwägen muss, zumal es bei OP-, Bestrahlungs- und Behandlungsmethoden im letzten Jahrzehnt erhebliche Fortschritte gegeben habe. Jeder vierte der Patienten in der Gruppe mit der aktiven Überwachung wurde bereits in den ersten drei Jahren operiert, nach zehn Jahren mehr als die Hälfte. Nach zehn Jahren hatte man somit 44 Prozent der Patienten mit der «Watchful-Waiting»-Strategie OP oder Bestrahlung erspart, ohne dass dies ihr Leben verkürzt hätte. Andererseits waren das Fortschreiten der Erkrankung und Metastasen bei den Patienten in der OP- und der Bestrahlungsgruppe wie zu erwarten seltener.
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Hamdy FC et al.: 10-year outcomes after monitoring, surgery, or radiotherapy for localized prostate cancer. N Engl J Med 2016; 375: 1415–1424.
Rückspiegel
Vor 10 Jahren
Weibliche Altersrekorde
Mitte Januar 2007 stirbt in einem Altersheim in Kanada die bis anhin älteste Frau der Welt im Alter von 115 Jahren. Gleich zu Jahresbeginn erregt ein anderer weiblicher Altersrekord Aufmerksamkeit: In Barcelona hatte kurz vor dem Jahreswechsel eine 67-Jährige per Kaiserschnitt gesunde Zwillinge zur Welt gebracht. Sie ist damit die älteste Erstgebährende der Welt. Das späte Mutterglück soll sie einer künstlichen Befruchtung in den USA mit gekauften Ei- und Spermazellen verdanken. Zwei Jahre später sind die Zwillinge Waisen. Ihre Mutter stirbt mit 69 an Krebs.
Vor 50 Jahren
Mother’s little helper
«In letzter Zeit schenkt man dem Phänomen der Abhängigkeit von so genannten harmlosen Medikamenten verstärkt Aufmerksamkeit», so beginnt ein Fallbericht im «British Medical Journal» zum Abhängigkeitspotenzial des neuen, äusserst erfolgreichen Medikaments Diazepam. Zu dieser Zeit gelten Benzodiazepine noch als «leichte» Beruhigungsmittel. Diazepam steht heute auf der WHO-Liste der unentbehrlichen Medikamente – freilich nicht mehr als Langzeitmedikament.
Vor 100 Jahren
Erdnussbrot für Diabetiker
Noch gibt es kein Insulin für Diabetiker. Im
British Medical Journal empfiehlt Dr. Frank
Nicholson, Hull Royal Infirmary, als Alter-
native für Brot aus Getreide ein selbstge-
backenes Brot aus Erdnussmehl. Das
Rezept ist einfach: 230 g Erdnussmehl, 56 g
Casein, Eiklar von 8 bis 9 Eiern und eine
Prise Salz. Das Erdnussbrot soll schmack-
haft sein, die Konsistenz ähnlich wie bei kon-
ventionellem Brot. Man könne auch Mandeln
nehmen, aber das mögen seine Patienten
nicht so sehr, berichtet Nicholson. Auch für
das Fasten zur Senkung des Blutzuckers lie-
fert er Ideen. Die Patienten würden sich
klaglos für bis zu fünf Tage an eine Fastenkur
halten, die aus nichts anderem als viermal
täglich 280 ml schwarzen Kaffee besteht.
Dann sei der Zucker aus dem Urin ver-
schwunden und die Ernährung könne all-
mählich, in kleinen Schritten wieder aufge-
nommen werden.
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