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FORTBILDUNG
Morbus Crohn: Wann operieren?
Die chronisch-entzündliche Darmerkrankung Morbus Crohn ist heute gut behandelbar – wenn auch nach wie vor nicht heilbar. Welche Therapien sich eignen, um die Beschwerden des Patienten zu bessern, hängt stark davon ab, wie schwer welche Teile seines Verdauungstrakts betroffen sind. In besonders schweren Fällen kann auch eine Operation notwendig sein. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten Operationsindikationen und -strategien.
Julia Hardt und Peter Kienle
Die Operationsindikationen bei Morbus Crohn können in relative und absolute sowie je nach klinischer Dringlichkeit in (semi-)elektive und notfallmässige unterteilt werden. Allerdings sind die Übergänge hier fliessend.
MERKSÄTZE
O Absolute Operationsindikationen sind hochgradige Dysplasien, Karzinom, Kolonstenosen unklarer Dignität, enterovesikale, retroperitoneal blind endende, enterokutane, stark sezernierende und hohe Fisteln mit resultierendem Kurzdarmsyndrom sowie Notfälle wie Perforation, Blutung, toxisches Megakolon oder konservativ frustran therapierter Ileus.
O Patienten mit komplexer Erkrankung sollten interdisziplinär diskutiert und chirurgische Optionen frühzeitig im Behandlungskonzept berücksichtigt werden.
O Komplexe Operationen sollten ausschliesslich von CEDerfahrenen Chirurgen in Zentren durchgeführt werden.
O Bei isoliertem Ileozökalbefall ist die chirurgische Therapie gegenüber einer Eskalation der medikamentösen Behandlung als gleichwertig zu betrachten.
O Mit Ausnahme von onkologischen Indikationen sollten stets limitierte Resektionen oder Strikturoplastiken erfolgen; Kolonstenosen sollten nur in Ausnahmefällen mittels Strikturoplastik behandelt werden.
O MIC stellt mittlerweile das Standardverfahren dar und kann bei Vorliegen entsprechender laparoskopischer Expertise auch bei komplexen Befunden und voroperierten Patienten zum Einsatz kommen.
Kasuistik
Eine 23-jährige Patientin mit Morbus Crohn und multiplen medikamentösen Vortherapien (u.a. Azathioprin, Adalimumab, Infliximab), aktuell unter 30 mg/Tag Prednisolon, wird konsiliarisch chirurgisch vorgestellt. Es liegen ein Gewichtsverlust von 10 kg in acht Wochen und eine Subileussymptomatik vor. Die Entzündungsparameter sind mässig erhöht (CRP = 80 mg/l), und es besteht eine ausgeprägte Hypalbuminämie von 18 g/l. Im MR-Sellink zeigt sich eine längerstreckige (ca. 10 cm), entzündliche Stenose ileozökal mit kleinem mesenterialen Abszess bei Verdacht auf Fistel und mit konsekutiver Dilatation des vorgeschalteten Darms.
Interdisziplinär wird nun das weitere Prozedere bei therapierefraktärer Situation und zunehmender klinischer Verschlechterung festgelegt: Nach antibiotischer Therapie mit Ciprofloxacin und Metronidazol und nach Reduktion der Prednisolondosis auf < 10 mg/Tag wird eine laparoskopische Ileozökalresektion mit Resektionsstomaanlage durchgeführt, woraufhin sich der Zustand der Patientin rasch konsolidiert und das Resektionsstoma bei deutlich verbesserter Ernährungssituation nach acht Wochen zurückverlegt wird.
Relative Operationsindikationen Zu den relativen Operationsindikationen zählen interenterische und perianale Fisteln, Stenosen und Abszesse, die primär interventionell drainierbar sind, sowie niedriggradige Dysplasien. Bei Vorliegen einer relativen Operationsindikation sollte der Patient sorgfältig auch über Alternativen aufgeklärt werden. Laut deutscher Leitlinie kann beispielsweise bei medikamentös ausgereizter Dünndarmstenose < 5 cm entweder eine endoskopische Dilatation (sofern diese endoskopisch zugänglich ist) oder die chirurgische Sanierung mit dem Patienten besprochen werden. Bei Stenosen ≥ 5 cm (vgl. Abbildung 1 und 2) empfiehlt die Leitlinie eine chirurgische Therapie, entweder im Sinne einer Resektion oder einer Strikturoplastik. Zudem sollte der Patient bei isoliertem Ileozökalbefall über die Möglichkeit einer primären Operation, auch vor Eskalation der medikamentösen Therapie, aufgeklärt werden, da über 80 Prozent mit einem derartigen Befall ohnehin in der Folge operiert werden müssen und über die Hälfte der resezierten Patienten
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Abbildung 1: Kurzstreckige Stenose (durch Pfeile markiert) am aufgeschnittenen Operationspräparat
Abbildung 2: Stenose mit sogenanntem «creeping fat» (durch Pfeil markiert) – typisch für dieses Krankheitsbild
Perforation, Blutung, toxisches Megakolon oder konservativ frustran therapierter Ileus dar (4). Intraabdominelle oder pelvine Abszesse sollten zunächst antibiotisch therapiert und interventionell (oder chirurgisch) drainiert werden, da hierdurch die Rate an Stomaanlagen sowie die postoperative Morbidität gesenkt werden können (5, 6). Anschliessend muss die Operationsindikation zeitnah reevaluiert werden, da das Risiko eines Rezidivabszesses bei über 50 Prozent liegt, die Abszessursache häufig eine blind endende Fistel ist und die meisten der Patienten unter Immunsuppression stehen, was die Gefahr einer Sepsisentstehung naturgemäss erhöht (7, 4).
Operationszeitpunkt
Die Wahl des Operationszeitpunkts wird durch die «Härte» der Indikation (relativ vs. absolut), die Beeinträchtigung der Lebensqualität, den Allgemein- beziehungsweise Ernährungszustand des Patienten sowie die aktuelle medikamentöse Therapie beeinflusst. Postoperative lokalseptische Komplikationen sind bei schlechtem Ernährungszustand des Patienten (Albumin < 30 g/l), intraabdominellen Abszessen und immunsuppressiver Therapie erhöht (8). Daher sollten diese Prädiktoren postoperativer Morbidität möglichst präoperativ adressiert werden. So lässt sich der Ernährungszustand des Patienten durch präoperative enterale und gegebenenfalls auch parenterale Zusatzernährung verbessern, intraabdominelle Abszesse sollten drainiert und Steroide reduziert werden (< 20 mg/Tag Prednisolon oder Äquivalenzdosen anderer Steroide). Auch wenn die bisherige Evidenz widersprüchlich ist, finden sich in der Literatur doch eindeutige Hinweise darauf, dass insbesondere auch Biologika die perioperative Komplikationsrate erhöhen (9–12). In unserer Klinik werden deshalb präoperativ – sofern keine Notfallindikation vorliegt – Steroide auf < 10 mg/Tag reduziert, das Albumin auf ≥ 30 g/l gesteigert und Biologika (Anti-TNF-[Tumornekrosefaktor-] Antikörper) mindestens vier Wochen pausiert.
Abbildung 3: Seit-zu-Seit-Anastomose Dünndarm (durch Pfeile markiert)
dann langfristig rezidivfrei bleiben (1, 2, 3). Zudem ist die Morbidität der Operation sehr gering, potenziell nebenwirkungsreiche immunsuppressive Therapien können beendet werden. Die Lebensqualität bessert sich in der Regel rasch – im Gegensatz zur medikamentösen Therapieeskalation.
Absolute Operationsindikationen Absolute Operationsindikationen stellen hochgradige Dysplasien, Karzinome, Kolonstenosen unklarer Dignität und bestimmte Fisteln (enterovesikale, retroperitoneal blind endende, enterokutane, stark sezernierende und hohe Fisteln mit resultierendem Kurzdarmsyndrom) sowie Notfälle wie
Operationsstrategie
Da der Morbus Crohn chirurgisch nicht heilbar ist (Ausnahme «Quasiheilung» in gut 50 Prozent nach Ileozökalresektion bei isoliertem ileozökalem Befall, siehe neue deutsche Leitlinie), sollte stets nur eine limitierte Resektion oder noch besser, wenn anwendbar, eine Strikturoplastik erfolgen, damit der Patient so wenig Darm wie möglich verliert. Neuere Strikturoplastiktechniken erlauben die Anwendung dieser darmerhaltenden Operationstechnik auch bei langstreckigen Stenosen (bis >50 cm!) (13). Nur wenn ein Karzinom vorliegt, ist die radikale onkologische Resektion analog zum Vorgehen beim sporadischen Karzinom indiziert. Malignitätsverdacht und unklare Kolonstenosen sind absolute Kontraindikationen, Darmphlegmone/-fistel und verdickte und fibrosierte Darmwand sowie massive Darmdilatation stellen relative Kontraindikationen für eine Strikturoplastik dar (14). Laut aktueller Leitlinie kann Patienten mit Crohn-Kolitis, bei denen weder ein perianaler noch ein Dünndarmbefall vorliegt, die Proktokolektomie mit ileoanaler Pouchanlage angeboten werden (4). Bei derartigen Patienten mit isoliertem Kolonbefall ist das Risiko einer chronischen Pouchitis oder eines Pouchversagens im Vergleich zu Colitis-ulcerosaPatienten nicht erhöht (15).
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Abbildung 4: Kono-Anastomose (funktionelle End-zu-EndAnastomose) nach Fertigstellung der Hinterwandnaht (durch Pfeile markiert)
Abbildung 6: Konglomerattumor bei fistulierendem Crohn
Abbildung 7: Zweiter postoperativer Tag nach laparoskopischer Ileozökalresektion mit 4 cm grossem umbilikalem Bergeschnitt
Abbildung 5: Abschlussbild Kono-Anastomose nach Fertigstellung der Vorderwandnaht (durch Pfeile markiert): sehr weit und potenziell gut endoskopisch dilatierbar
Bei Patienten in schlechtem Allgemein- und Ernährungszustand, unter immunsuppressiver Therapie sowie bei Vorliegen einer Notfallindikation ist die Komplikationsrate deutlich erhöht, weswegen potenziell sicherere Eingriffe durchgeführt, also entweder eine Diskontinuitätsresektion erfolgen oder zumindest ein protektives Stoma einer primären Anastomose vorgeschaltet werden sollten (4). Weil bei komplexen Operationen bei Morbus Crohn die Mortalität einer operativen Therapie von der Fallzahl signifikant abhängig ist, sollten diese Patienten nach aktueller Leitlinie von CED(chronisch entzündliche Darmerkrankungen-)erfahrenen Chirurgen in Zentren behandelt werden. Bei perianalen Crohn-Manifestationen gilt, dass asymptomatische Fisteln nur in Ausnahmefällen chirurgisch therapiert werden sollten. Vor Beginn einer konservativen Fisteltherapie muss ein
Abszess ausgeschlossen beziehungsweise drainiert sein. Komplexere Fisteln sollten in der Regel nicht gespalten, sondern mit einer Fadendrainage versorgt werden (4).
Operationstechnik In randomisiert kontrollierten Studien ergab sich weder zwischen Seit-zu-Seit- (Abbildung 3: breite Seit-zu-Seit-Anastomose) und End-zu-End-Anastomose noch zwischen Handund Klammernaht ein Unterschied hinsichtlich Rezidiv- und Komplikationsrate (16, 17), sodass die Anastomosentechnik letztendlich der Präferenz des Chirurgen obliegt. In unserer Klinik führen wir mittlerweile häufig eine Kono-S-Anastomose durch (Abbildung 4 und 5), die einer antimesenterialen funktionellen End-zu-End-Handnaht entspricht und den Vorteil hat, dass sie breit angelegt, aber bei Stenose auch gut endoskopisch dilatiert werden kann, was bei den Seit-zu-SeitAnastomosen oft technisch schwierig ist (18).
Minimalinvasive Chirurgie (MIC) Ausgedehnte abdominelle Voroperationen, das Vorhandensein eines Konglomerattumors (Abbildung 6) oder eines ausgeprägten interenterischen Fistelsystems, Malignitätsverdacht und ein schlechter Allgemeinzustand, der eine möglichst
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geringe Operationszeit besonders erstrebenswert macht, stel-
len mittlerweile nur noch relative Kontraindikationen für ein
minimalinvasives Vorgehen dar. Bei Dünndarm- und Ileozö-
kalresektionen wird die minimalinvasive Operationstechnik
mittlerweile explizit empfohlen, da hochwertige Studien
neben der offensichtlich besseren Kosmetik (Abbildung 7)
Vorteile im postoperativen Verlauf gegenüber einem konven-
tionell offenen Vorgehen belegt haben (19). Auch bei Rezidi-
ven und in komplexen Fällen kann – bei Vorliegen adäquater
Expertise in der minimalinvasiven Chirurgie – gemäss aktu-
eller Leitlinie ein laparoskopisches Vorgehen gewählt wer-
den, weil hier Vorteile in der frühen postoperativen Phase
(u.a. kürzere Verweildauer) bei gleicher Komplikationsrate
gezeigt worden sind (20, 21). In der eigenen Klinik klären wir
– sofern kein grösserer Konglomerattumor vorliegt – prinzi-
piell über die Option des laparoskopischen Zugangs auf,
konvertieren jedoch frühzeitig, falls ein minimalinvasives
Vorgehen zum Beispiel aufgrund von schweren Verwachsun-
gen nicht oder nur unter erhöhtem Risiko möglich ist. Auch
die Operation über einen einzelnen grösseren Trokar («single
incision surgery») kann beim Morbus Crohn eingesetzt wer-
den. Allerdings liefert die bisherige Evidenz keinen Hinweis
auf einen Vorteil gegenüber dem konventionell laparoskopi-
schen Zugang (22).
O
Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Peter Kienle Chirurgische Klinik Universitätsmedizin Mannheim (UMM) Theodor-Kutzer-Ufer 1–3 D-68167 Mannheim Tel. 0049 621 383 1501 E-Mail: peter.kienle@umm.de
Interessenkonflikte: keine
Alle Abbildungen: © J. Hardt
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 14/2016. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autoren.
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