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STUDIE REFERIERT
Alirocumab senkt Lipidaphereserate bei heterozygoter familiärer Hypercholesterinämie
Bei heterozygoter familiärer Hypercholesterinämie sind oft trotz lipidsenkender Medikamente regelmässige Lipidapheresen erforderlich. In der kleinen Studie ODYSSEE ESCAPE konnte die Anzahl der Lipidapheresen mit dem PCSK9-Hemmer Alirocumab deutlich gesenkt werden.
European Heart Journal
Die familiäre Hypercholesterinämie ist durch erhöhte Serumkonzentrationen von LDL-(low-density-lipoprotein-)Cholesterin (LDL-C) und eine vorzeitige Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen gekennzeichnet. Mit Statinen kann das kardiovaskuläre Risiko gesenkt werden. Dennoch ist bei den Betroffenen die Rate der kardiovaskulären Todesfälle doppelt so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung. Mithilfe einer Lipidapharese können Lipoproteine aus dem Blut entfernt werden. Dieses Verfahren gilt als letzte Option für Patienten mit progressiver kardiovaskulärer Erkrankung und dauerhaft erhöhten LDL-C-Spiegeln. Da die LDL-C-Konzentrationen danach jedoch schnell zu den Ausgangswerten zurückkehren, muss die Lipidapherese je nach Höhe des Serumspiegels jede Woche oder alle zwei Wochen durchgeführt werden. Die Lipidapherese senkt die LDL-C-Konzentration unmittelbar um 50 bis 75 Prozent, die durchschnittliche Reduktion über die Zeit liegt jedoch nur bei etwa 30 Prozent. Der vollständig humane monoklonale Antikörper Alirocumab (Praluent®) bindet an das Enzym PCSK9 (Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9) und hemmt den PCSK9-vermittelten hepatischen Abbau des LDL-Rezep-
MERKSÄTZE
O Bei Patienten mit heterozygoter familiärer Hypercholesterinämie kann die Lipidaphereserate mit Alirocumab gesenkt werden.
O Alirocumab wird als Einzelmedikament oder in Kombination mit anderen Lipidsenkern angewendet.
tors. Dies führt zu einer vermehrten Aufnahme von LDL-C aus dem Blut in die Leber. Als Einzelmedikament reduzierte Alirocumab bei Patienten mit familiärer oder nicht familiärer Hypercholesterinämie den LDL-C-Serumspiegel um 44 bis 58 Prozent. In Kombination mit Statinen (mit oder ohne weitere Lipidsenker) reduzierte Alirocumab in einer Dosierung von 150 mg alle zwei Wochen den LDL-CSerumspiegel um 62 bis 72 Prozent.
Studie ODYSSEE ESCAPE
Patrick Moriarty vom University of Kansas Medical Center (USA) und seine Arbeitsgruppe untersuchten in der Studie ODYSSEE ESCAPE die Wirksamkeit von Alirocumab im Vergleich zu Plazebo bezüglich der Aphereserate bei Patienten mit heterozygoter familiärer Hypercholesterinämie in 14 Zentren in den USA und in Deutschland. An der doppelblinden Studie nahmen 62 Patienten teil, die sich jede Woche oder alle zwei Wochen einer Lipidapherese unterzogen. Das durchschnittliche Alter der Teilnehmer lag bei 58,7 ± 9,7 Jahren, und 36 Patienten (58,1%) waren männlich. Die durchschnittlichen LDL-C-Spiegel lagen vor Studienbeginn in der Alirocumabgruppe bei 4,5 ± 1,4 mmol/l und in der Plazebogruppe bei 5,0 ± 1,8 mmol/l. Von den 62 Patienten nahmen 34 (54,8%) ein Statin ein, und 19 (55,9%) von diesen erhielten die maximale Dosis. Bei den Patienten, die Statine einnahmen, betrug der LDL-C-Wert 4,0 ± 1,4 mmol/l. Bei denen, die keine Statine einnahmen, lag er bei 5,4 ± 1,4 mmol/l. Im Rahmen von ODYSSEE ESCAPE erhielten die Patienten randomisiert im Verhältnis 2:1 alle zwei Wochen subkutan 150 mg Alirocumab (n = 41) oder Plazebo (n = 21) über einen Zeitraum
von 18 Wochen. Von Tag 1 bis zu
Woche 6 wurden die Lipidapheresen
zunächst weiterhin entsprechend dem
jeweiligen Behandlungsplan der Teil-
nehmer durchgeführt. Von Woche 7 bis
Woche 18 wurde die Aphereserate
dann dem individuellen LDL-C-Spiegel
angepasst. Bei LDL-C-Spiegeln, die
30 Prozent oder mehr unter dem Aus-
gangswert lagen, wurde keine Lipid-
apherese durchgeführt. Als primärer
Endpunkt wurde die Lipidaphereserate
über 12 Wochen (7–18) im Vergleich
zur geplanten Frequenz des jeweiligen
Patienten definiert.
Bei den mit Alirocumab behandelten
Patienten konnte die Lipidaphereserate
in den Wochen 7 bis 18 im Vergleich
zu Plazebo um 75 Prozent gesenkt
werden. Unter Alirocumab benötigten
63,4 Prozent der Teilnehmer gar keine
Lipidapherese mehr, und bei 92,7 Pro-
zent wurde die Behandlungshäufigkeit
um mindestens die Hälfte reduziert.
In Woche 6 war der durchschnittliche
LDL-C-Wert unter Alirocumab von
4,5 mmol/l auf 2,3 mmol/l gesunken
und hatte somit um 53,7 Prozent abge-
nommen. In der Plazebogruppe verrin-
gerte sich der durchschnittliche LDL-C-
Serumwert dagegen nur von 5,0 mmol/l
auf 4,8 mmol/l. In Woche 18 betrugen
die durchschnittlichen LDL-C-Werte
unter Alirocumab 2,9 mmol/l und in
der Plazebogruppe 4,9 mmol/l. Die
Raten unerwünschter Ereignisse waren
unter Alirocumab (75,6%) und Pla-
zebo (76,2%) vergleichbar.
Aufgrund der Studienergebnisse kom-
men die Autoren zu dem Schluss, dass
zukünftig mit Alirocumab bei Patien-
ten mit heterozygoter familiärer Hy-
percholesterinämie ein beträchtlicher
Anteil der Lipidapheresen eingespart
werden könnte. Als Limitation ihrer
Studie erachten sie die geringe Teilneh-
merzahl und den kurzen Untersu-
chungszeitraum.
O
Petra Stölting
Quelle: Moriarty PM et al.: Alirocumab in patients with heterozygous familial hypercholesterolemia undergoing lipoprotein apheresis: the ODYSSEY ESCAPE trial. Eur Heart J 2016, published online Aug 29, pii: ehw388.
Interessenlage: Die referierte Studie wurde von Sanofi und Regeneron Pharmaceuticals Inc. finanziert. Die Sponsoren waren am Studiendesign, der Niederschrift und der Entscheidung zur Veröffentlichung beteiligt. 13 der 16 Autoren haben Gelder von diesen und anderen Pharmaunternehmen erhalten oder sind dort angestellt.
ARS MEDICI 22 I 2016
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