Transkript
MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Rosenbergstrasse
Hannes Germann, Ständerat: «Das Gesundheitswesen ist verwelscht.» Kein Wunder bei drei welschen Bundesräten, davon einer fürs Gesundheitswesen verantwortlich. Die Romands sind zwar gegen die Selbstdispensation, weil die so teuer ist, produzieren im Gesundheitswesen aber sehr viel höhere Kosten als die Deutschschweizer. Die welsche Kostenführerschaft hat viele Gründe – die welschen Bundesräte werden die Ursachen kaum bei sich suchen. Vielleicht sollte man es in der Romandie mal mit der Einführung der Propharmacie versuchen.
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Bob Dylan, Literaturnobelpreisträger. Nichts gegen Bob Dylan, schliesslich war er ein Idol unserer Sturm-undDrang-Jahre. Aber warum gerade er? Warum nicht Victor Jara? Hannes Wader? Mani Matter? Oder Gölä?
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Dylan sei der «Willy Brandt der Rockmusik», meinte jemand (Brandt erhielt 1971 den Friedensnobelpreis). Okay, dann fehlt nur noch, dass der Nobelpreis für Medizin nächstes Mal an Keith Richards und Mick Jagger geht, für ihr Lebenswerk, das ganz dem Studium und der Erprobung von Drogen gewidmet war. Und sie jemand zu «Watson und Crick der Psychedelik» erklärt (Watson und Crick erhielten 1962 den Nobelpreis für die Erforschung der DNA).
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Jüngste Entwicklung: Dass Bob Dylan sich nicht überwältigt von der Ehre öffentlich bedankt, ärgert die Verleiher des Preises. Dylan, ein arroganter, unhöflicher Pinsel? Oder ist der Verzicht auf Dankbarkeit für ein Geschenk, um das man nicht gebeten hat und schon gar nicht von diesen Leuten, nachvollziehbar und eigentlich nur konsequent? Entlarvt sich vielleicht das Nobelpreis-
komitee mit ihrem Beleidigt-Tun über die Undankbarkeit des Geehrten und Beschenkten selbst als eingebildet und durchaus eigennützig? Vielleicht ist’s ja so: Ein Club von Gnädigen motzt über einen selbstgefälligen Einzelnen beziehungsweise dünkelhafte Erwartung von Dankbarkeit trifft auf die schnöde Weigerung, Dankbarkeit gegen Ehre und Geld zu tauschen. Diese Betrachtungsweise enthebt einen zumindest des Zwangs, für die eine oder andere Seite Stellung zu beziehen. Es treffen einfach zwei mässig sympathische, eher selbstgefällige «Institutionen» aufeinander. Immerhin: Zusammen haben sie eine spannende Diskussion über das Wesen der Dankbarkeit ausgelöst.
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Ein älterer Herr (Ex-Politiker): Ich bin zwar nicht mehr so schnell wie früher, dafür kenne ich alle Abkürzungen.
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Freiheit und Wohlstand – manchmal kann man nicht beides haben und muss um des einen willen auf das andere verzichten. Und wenn man wählen müsste? «Wohlstand!», sagt der Satte. «Freiheit!», sagt der Freie.
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Uiuiui, jetzt fängt sogar Gölä an, sich über Grüne, Sozialmafia und «die da oben» zu ärgern und anzusingen: «Ja si tüe studiere, aues therapiere u nähme sich Zyt für jede fuule Hung ... Si verschäiche mis Gäut, jedem Arsch uf dere Wäut ... (…) I ha ke Zyt zum Umehange, zum La bambala lah … wot das mis Meitschi vo mir dänkt: Läck, mi Typ isch no e Maa ...» Und wenn er im Interview nachschiebt, dass die Schweiz mehr FDP und SVP brauche …, ja dann ist der shitstorm unvermeidlich. Mutig, mutig. Mit linker Mainstream-Romantik hätte Gölä garantiert mehr Erfolg. Jetzt muss er in den Online-Chats die üblichen Beschimpfungen über sich ergehen las-
sen. Typisch übrigens: Die kommentarlosen Likes sind bei Weitem in der Mehrzahl. Das heisst: die Mehrheit stimmt Gölä zwar zu, schweigt aber lieber.
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Die frivole Gisela hat sich gemeldet: Sie habe ihn gefunden, den idealen Job, bei dem man nichts arbeiten müsse, gut bezahlt werde und null Konsequenzen zu befürchten habe. Statt Unter- werde sie Übernehmerin. Und zwar von Verantwortung. Sie übernehme – am liebsten allein – die Verantwortung für alles und jedes, jederzeit und in unbeschränktem Umfang, sogar gleichzeitig für mehrere Ereignisse, Entwicklungen, Fehler, peinliche Äusserungen. Und zwar die volle – und erst noch günstig.
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Wenn junge muslimische Männer bei uns – angeblich – innert Monaten zu islamistischen Terroristen werden, nennt man das «Blitzradikalisierung». Bei vielen Politikern, Medienleuten und Experten lässt der zu diesem Phänomen verbreitete Unsinn darauf schliessen, dass es auch eine «Blitzverdummung» gibt.
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Und das meint Walti: Manchmal habe ich den Eindruck, meine Entscheidungen treffen sich heimlich ohne mich.
Richard Altorfer
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