Transkript
STUDIE REFERIERT
Kardiovaskuläre Effekte der Testosteronbehandlung
Kohortenstudie zeigt nur für Kurzzeittherapie erhöhtes Risiko
Eine populationsbasierte Kohortenstudie kommt zu dem Ergebnis, dass die Gabe von Testosteron im Rahmen einer Testosteronersatztherapie mit einem geringeren Mortalitätsrisiko sowie mit einer niedrigeren Häufigkeit von kardiovaskulären Ereignissen und von Prostatakrebs einhergeht.
Lancet Diabetes Endocrinology
Das Drittel der Patienten mit der längsten Therapiedauer hatte eine verminderte Gesamtmortalität (HR: 0,67; 95%-KI: 0,62–0,73) und ein geringeres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (HR: 0,84; 95%-KI: 0,72–0,98). Der Zusammenhang zwischen Therapiedauer und Risiko war signifikant (p < 0,001). Das Risiko für Prostatakrebs war im Vergleich zur Kontrollgruppe bei dem Drittel der Patienten mit der längsten Therapiedauer (HR: 0,6; 95%-KI: 0,45–0,80) geringer, jedoch nicht beim Drittel der Patienten mit der kürzesten Therapiedauer. Ob es einen Zusammenhang zwischen einer Testosterontherapie und kardiovaskulären Ereignissen sowie einer erhöhten Mortalität gibt, konnte bis anhin nicht einheitlich geklärt werden. Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) gab bekannt, dass die Testosteronersatztherapie möglicherweise das Risiko für einen Herzinfarkt und einen Schlaganfall erhöhen könnte. Diese Vermutung beruht auf den Ergebnissen einiger Studien mit kurzen Follow-up-Perioden. Studiendesign und -ziel Ziel der populationsbasierten Kohortenstudie war es festzustellen, ob ein Zusammenhang zwischen einer langzeitigen Testosteronersatztherapie einerseits sowie Mortalität, kardiovaskulären Ereignissen und Prostatakrebs andererseits besteht. Die Studienteilnehmer waren mindestens 66 Jahre alt. Die Patienten wurden MERKSÄTZE O Die langfristige Gabe von Testosteron bei einer Testosteronersatztherapie ging in einer Kohortenstudie mit einem geringeren Mortalitätsrisiko sowie mit einer niedrigeren Häufigkeit von kardiovaskulären Effekten und von Prostatakrebs einher. O Unter Berücksichtigung der eingeschränkten Aussagefähigkeit einer Beobachtungsstudie müssen diese Ergebnisse in randomisierten Studien geprüft werden. so gruppiert, dass in jeder Gruppe bestimmte Kriterien übereinstimmten (Matching). Hierzu gehörten Alter, Wohnort, Komorbiditäten und Einstellung eines Diabetes mellitus. Genutzt wurden Daten aus den Jahren 2007 bis 2012 der Ontario-Drug-Benefit-Datenbank, des CIHI (Canadian Institute for Health Information), des CIHI National Ambulatory Care Reporting System, der Ontario-Diabetes-Datenbank, des Krebsregisters von Ontario und der Registered-Persons-Datenbank. Primärer Endpunkt war die Gesamtmortalität. Sekundäre Endpunkte waren eine Prostatakarzinomdiagnose sowie der kombinierte kardiovaskuläre Endpunkt, bestehend aus Herzinfarkt, zerebrovaskulärem oder venös-thromboembolischem Ereignis. Studienergebnisse In die Studie wurden 10 311 Männer, welche eine Testosteronersatztherapie erhalten hatten, und 28 029 Kontrollpatienten aufgenommen. Innerhalb eines durchschnittlichen Follow-upZeitraums von 5,3 Jahren (Interquartile Range [IQR]: 3,6–7,5) bei den mit Testosteron behandelten Patienten und eines mittleren Follow-up-Zeitraums von 5,1 Jahren (IQR: 3,4–7,4) in der Kontrollgruppe zeigte sich bei den mit Testosteron behandelten Patienten eine geringere Mortalität als in der Kontrollgruppe (Hazard Ratio [HR]: 0,88; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,84–0,93). Das Drittel der Patienten mit der kürzesten Therapiedauer hatte jedoch ein höheres Mortalitätsrisiko (HR: 1,11; 95%-KI: 1,03–1,2) und ein höheres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (HR: 1,26; 95%-KI: 1,09–1,46). Fazit Wie die Autoren feststellten, geht eine langfristige Gabe von Testosteron mit einem geringeren Mortalitätsrisiko sowie mit einer niedrigeren Häufigkeit von kardiovaskulären Ereignissen und von Prostatakrebs einher. Jedoch er- höhte die kurzzeitige Gabe von Testo- steron die Risiken für Mortalität und kardiovaskuläre Ereignisse. Unter Be- rücksichtigung der eingeschränkten Aus- sagefähigkeit einer Beobachtungsstudie (Selektionsbias) müssen diese Ergeb- nisse in randomisierten Studien geprüft werden. O Claudia Borchard-Tuch Quelle: Wallis CJ et al.: Survival and cardiovascular events in men treated with testosterone replacement therapy: an intention-to-treat observational cohort study. Lancet Diabetes Endocrinol 2016; 4(6): 498–506. Interessenlage: Die Autoren der referierten Originalarbeit haben keinerlei Interessenkonflikte deklariert. 986 ARS MEDICI 21 I 2016