Transkript
FORTBILDUNG
Aktuelle Aspekte der Therapie bei Herzinsuffizienz
Neue europäische und amerikanische Guidelines
Seit Kurzem ist zur Behandlung symptomatischer Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und reduzierter Auswurffraktion auch ein Angiotensinrezeptor-Neprilysin-Inhibitor verfügbar. Dieser kann bei entsprechend ausgewählten Patienten im Rahmen einer leitlinienbasierten Basistherapie einen ACE-Hemmer oder Angiotensinrezeptorblocker ersetzen. Ziel ist es, die Hospitalisationshäufigkeit und die Mortalität weiter zu senken.
European Journal of Heart Failure/Circulation
Kürzlich hat die European Society of Cardiology (ESC) ein Update ihrer Guideline zum Management der akuten und chronischen Herzinsuffizienz herausgegeben (1). Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Pharmakotherapie der chronischen Herzinsuffizienz, da hier die Einführung einer neuen Medikamentenklasse, der Angiotensinrezeptor-NeprilysinInhibitoren (ARNI), berücksichtigt wurde.
ESC: ARNI bei symptomatischer chronischer Herzinsuffizienz als Alternative Die ESC-Guideline hält unverändert fest, dass für neurohormonale Antagonisten (ACE-[angiotensin-converting-enzyme-]
MERKSÄTZE
O Die aktualisierten europäischen Guidelines zur Therapie der chronischen Herzinsuffizienz berücksichtigen neu auch den Angiotensin-Neprilysin-Inhibitor Sacubitril/Valsartan bei jenen Patienten, die den Kriterien der PARADIGM-HFStudie entsprechen.
O Die ebenfalls neu angepassten amerikanischen Guidelines stimmen mit dieser Therapieerweiterung überein und gehen in der Indikation sogar einen Schritt weiter, indem sie den Ersatz von ACE-Hemmern oder Angiotensinrezeptorblockern auch bei Patienten empfehlen, die diese Wirkstoffe vertragen, aber weiterhin symptomatisch sind.
O Neu wird in den amerikanischen ebenso wie in den europäischen Guidelines Ivabradin bei Patienten mit stabiler chronischer Herzinsuffizienz und Sinustachykardie empfohlen.
Hemmer, Mineralokortikoidantagonisten [MRA] und Betablocker) nachgewiesen ist, dass sie bei Herzinsuffizienzpatienten mit reduzierter Auswurffraktion das Überleben verbessern und daher bei jedem solchen Patienten empfohlen werden, sofern sie nicht kontraindiziert sind und vertragen werden (Empfehlungsgrad I, basierend auf mehreren randomisierten, kontrollierten Studien [Evidenzniveau A]). Mit Bezug auf die PARADIGM-HF-Studie konstatiert die ESCGuideline, dass für eine neue Verbindung (LCZ696, die Kombination von Valsartan und dem Neprilysininhibitor Sacubitril, Entresto®) nachgewiesen wurde, dass sie dem ACEHemmer Enalapril (Reniten® oder Generika) überlegen war. In dieser Studie mit strikten Ein- und Ausschlusskriterien reduzierte Sacubitril/Valsartan das Risiko für Tod und Hospitalisation wegen Herzinsuffizienz. «Sacubitril/Valsartan wird daher empfohlen, um bei ambulanten Herzinsuffizienzpatienten mit reduzierter Auswurffraktion, die trotz optimaler Therapie symptomatisch bleiben und die den Studienkriterien entsprechen, die ACE-Hemmer zu ersetzen», so die ESC-Guideline 2016. Dies ist eine IB-Empfehlung, da bis anhin nur eine einzige grosse randomisierte, kontrollierte Studie vorliegt. Ausserdem erwähnt das Dokument, dass für Angiotensinrezeptorblocker (ARB) nicht konsistent nachgewiesen werden konnte, dass sie bei Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter Auswurffraktion die Mortalität senken, weshalb ihr Einsatz auf Patienten, welche ACE-Hemmer nicht vertragen, oder auf Patienten, die einen ACE-Hemmer einnehmen, aber keinen MRA tolerieren, beschränkt bleiben sollte (IB-Empfehlung). Die ESC-Guideline besagt unverändert, dass Ivabradin (Procoralan®) die bei Herzinsuffizienzpatienten mit reduzierter Auswurffraktion häufig beobachtete erhöhte Herzfrequenz reduziert und auch den Verlauf günstig beeinflusst, weshalb Ivabradin bei geeigneten Patienten in Betracht gezogen werden sollte (IIa/B-Empfehlung). Ausserdem sollten Diuretika bei Patienten mit Symptomen und/oder Stauungszeichen in Kombination mit den anderen Medikamenten eingesetzt werden (IB-Empfehlung). Die Diuretikamedikation soll jeweils dem klinischen Zustand angepasst werden.
ACC, AHA, HFSA: ARNI zur
zusätzlichen Morbiditäts- und Mortalitätsreduktion
Um der neuen Entwicklung in der medikamentösen Behandlung der chronischen Herzinsuffizienz Rechnung zu tragen und eine internationale Übereinstimmung herzustellen, haben das American College of Cardiology (ACC), die American Heart Association (AHA) und die Heart Failure Society of America (HFSA) einen Teil ihrer Herzinsuffizienz-Guide-
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ARS MEDICI 21 I 2016
FORTBILDUNG
line ebenfalls aktualisiert (2, 3). Die europäischen und amerikanischen Gremien arbeiteten voneinander unabhängig, kamen aber zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Die amerikanische Guideline betont ebenfalls die Bedeutung der Hemmung des Renin-Angiotensin-Systems mithilfe von ACE-Hemmern oder ARB, denen sie beiden das Evidenzniveau A zubilligt, oder neu von ARNI, deren einziger bisheriger Vertreter Sacubitril/Valsartan ist. Die starke Empfehlung (Grad I) zum Einsatz von ARNI erhält das Evidenzniveau B-R (basierend auf Evidenz mittlerer Qualität). ACE-Hemmer, ARB oder ARNI sollen zusammen mit evidenzbasierten Betablockern und Aldosteronantagonisten bei ausgewählten Patienten eingesetzt werden (IA-Empfehlung). ARB sollen gemäss amerikanischer Guideline bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und reduzierter Auswurffraktion eingesetzt werden, wenn sie ACE-Hemmer wegen Husten oder Angioödem nicht vertragen (IA-Empfehlung). Das Update der ACC, der AHA und der HFSA hält – im Gegensatz zur zurückhaltenderen europäischen Guideline – ausdrücklich fest, dass bei symptomatischen Herzinsuffizienzpatienten der NYHA-Klassen II oder III, auch wenn sie einen ACE-Hemmer oder ARB vertragen, der Ersatz durch einen ARNI empfohlen wird, um die Morbidität und Mortalität weiter zu senken (Empfehlungsgrad I, Evidenzniveau B-R). Ein ARNI sollte jedoch keinesfalls zusammen mit einem ACE-Hemmer oder innerhalb von 36 Stunden nach der letzten ACE-Hemmer-Dosis verabreicht werden. Anamnestische Hinweise auf Angioödem verbieten den Einsatz eines ARNI.
Übereinstimmung bei Ivabradin
Bisher hatten die amerikanischen Guidelines Ivabradin, einen
Wirkstoff aus der Gruppe der If-Inhibitoren, der schon seit
2012 in den ESC-Guidelines figuriert, nicht berücksichtigt.
Neu erwähnt die amerikanische Guideline jetzt, dass
Ivabradin bei Patienten mit Symptomen der NYHA-Klas-
sen II bis III und stabiler chronischer Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion (LVEF ≤ 35%), die eine leit-
linienbasierte Basisbehandlung inklusive Betablocker in der
maximalen tolerierten Dosis erhalten und einen Sinusrhythmus mit einer Herzfrequenz ≥ 70/min in Ruhe aufweisen, zur
Reduktion von Hospitalisationen wegen Herzinsuffizienz
nützlich sein kann. Die Empfehlung für Ivabradin hat die
Empfehlungsstärke IIa und das Evidenzniveau B-R.
O
Halid Bas
Quellen: 1. Ponikowski P et al.: 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and
chronic heart failure. Eur J Heart Fail 2016, published online 20 May, doi:10.1002/ejhf.592. 2. Yancy CW et al.: 2016 ACC/AHA/HFSA focused update on new pharmacological therapy
for heart failure: an update of the 2013 ACCF/AHA guideline for the management of heart failure. Circulation 2016; 134: 839–846. 3. Antman EM et al.: Updated clinical practice guidelines on heart failure: an international alignment. Circulation 2016; 134(13): e280–e281.
Interessenkonflikte: Die Autoren der Guideline-Komitees deklarieren vielfältige Beziehungen zur Pharmaindustrie.