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FORTBILDUNG
Vitamin-D-Mangel – besonders bei Senioren nicht selten
Empfehlungen für die Supplementationstherapie
In der Ernährungsmedizin dreht sich derzeit vieles ums Vitamin D. Aus gutem Grund: In vielen Industrienationen ist Vitamin-D-Mangel weit verbreitet, insbesondere in den Wintermonaten. Das «Sonnenvitamin» ist nicht nur essenziell für die Knochengesundheit, sondern beugt vermutlich auch kardiovaskulären Erkrankungen, Diabetes und Hypertonie vor. Dokumentiert ist ein Zusammenhang zwischen dem 25-Hydroxy-Vitamin-D (25[OH]D)-Serumspiegel und der Mortalität. Empfohlen werden ausreichend hohe 25(OH)D-Spiegel insbesondere bei älteren Männern und Frauen zur Prävention von Stürzen, Frakturen und vorzeitigem Tod. Dazu ist bei vielen Patienten eine Supplementation von Vitamin D erforderlich. Kombinationspräparate mit synergistisch wirkenden Kofaktoren wie Magnesium können die Wirksamkeit einer Supplementationstherapie optimieren.
Klaus Kisters
Vitamin D (Calciferol) ist ein fettlösliches Vitamin, das eigentlich gar kein echtes Vitamin ist, weil es nicht mit der Nahrung zugeführt werden muss. Vitamin D3 (Cholecalciferol) wird in der Haut unter Exposition mit UV-B-Strahlung (280–320 nm) aus tierischem 7-Dehydrocholesterol (Provitamin D3) synthetisiert (1, 2). Daneben, aber in der Regel in deutlich geringerem Mass, wird Vitamin D3 auch mit der Nahrung zugeführt und ist zum Beispiel in fettem Seefisch (Hering, Lachs, Sardinen), in Leber und Eigelb enthalten (vgl. Tabelle 1) (3). Vitamin D2 (Ergocalciferol) wird nur in Form von pflanzlichen Lebensmitteln aufgenommen, es ist zum Beispiel in einigen Pilzen enthalten, die es aus Ergosterol (Provitamin D2) synthetisieren (4).
MERKSÄTZE
O Als geeignete Messgrösse für die Vitamin-D-Versorgung hat sich der 25(OH)D-Serumwert etabliert.
O Anzustrebende 25(OH)D-Serumspiegel liegen bei ≥ 20 ng/ml (≥ 50 nmol/l).
Die Ernährung spielt aber bei den meisten Menschen für die Vitamin-D-Zufuhr nur eine untergeordnete Rolle. Selbst Fischliebhaber müssten für eine Deckung des Tagesbedarfs ausschliesslich über die Ernährung täglich mindestens 200 g fetten Fisch verspeisen. Unter unseren Lebensbedingungen bei regelmässigem Aufenthalt im Freien stammen schätzungsweise 80 bis 90 Prozent des Vitamin D im Körper aus der endogenen Synthese in der Haut, etwa 10 bis 20 Prozent des Vitamin D werden mit der Nahrung aufgenommen (1). Allerdings: Je geringer die endogene Syntheseleistung ist, desto bedeutsamer wird die alimentäre Zufuhr. Bei Annahme einer fehlenden endogenen Vitamin-D-Synthese (z.B. bei Menschen, die sich so gut wie nie im Freien aufhalten oder den Körper unter freiem Himmel vollständig bedecken) ist laut Schätzung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zur Deckung des Tagesbedarfs für Kinder, Jugendliche und Erwachsene eine tägliche Zufuhr von 20 µg (800 IE) Vitamin D erforderlich. Für Säuglinge werden 10 µg (400 IE) pro Tag empfohlen (vgl. Tabelle 2) (5). Durch eine normale Ernährung ist dieser Bedarf kaum zu decken. Nach Daten der Nationalen Verzehrsstudie II erreichen 80 Prozent der Männer und 90 Prozent der Frauen eine entsprechende Zufuhr von Vitamin D über die Nahrung nicht, bei Personen über 65 Jahre lag der Anteil sogar bei 94 beziehungsweise 97 Prozent. Im Median kamen Männer im Alter von 14 bis 80 Jahren auf nur 2,9 µg und gleichaltrige Frauen auf 2,2 µg pro Tag (6).
Sonne allein reicht nicht
Bei häufigen Aufenthalten im Freien und ausreichender Sonnenexposition kann eine ausreichende Versorgung auch ohne Vitamin-D-Supplementation erreicht werden. Die Syntheseleistung hängt ausser vom Hauttyp (geringer bei dunklerem Hauttyp) vor allem von Kleidung, Sonneneinstrahlung und geografischen Faktoren (Länge, Breite, Höhe) ab. Die Exposition des Körpers in Badekleidung mit einer minimalen Erythemdosis (MED), jener UV-Dosis, die eine gerade sichtbare Hautrötung hervorruft, entspricht nach Schätzungen etwa der oralen Einnahme von 10 000 bis 25 000 IE (250–635 µg) Vitamin D (1). Eine Exposition von Händen, Armen und Gesicht (< 18% der Körperoberfläche), 2- bis 3-mal pro Woche mit einer Dosis von bis zu einem Drittel oder der Hälfte der MED, reicht nach Ansicht einiger Autoren im Frühjahr, Sommer und Herbst aus, um eine suffiziente Vitamin-D-Versorgung zu gewährleisten (7). Aber: In Deutschland wird rund 6 Monate im Jahr ein UV-Index von 3 (mittlere Bestrahlungsstärke) unterschritten, sodass
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FORTBILDUNG
Tabelle 1:
Vitamin-D-Gehalt in Lebensmitteln
Lebensmittel
Vitamin-D-Gehalt in 100 g
Lebensmittelmenge in g für die tägliche Abdeckung des präventiven Vitamin-DBedarfs von 2000 bis 4000 IE
Lebertran Hering Lachs Sardinen Butter
12 000 IE 1040 IE 680 IE 440 IE 48 IE
17–34 g 193–386 g 294–588 g 455–910 g 4,2–8,4 kg
aus: Gröber U, Holick MF: Vitamin D: Die Heilkraft des Sonnenvitamins. 304 S, WVG, 2012
Tabelle 2:
Schätzwerte für eine angemessene Vitamin-DZufuhr bei fehlender endogener Synthese
Alter
Vitamin D bei fehlender endogener Synthese, µg/Tag
Säuglinge (0 bis unter 12 Monate) Kinder (1 bis unter 15 Jahre) Jugendliche und Erwachsene (15 bis unter 65 Jahre) Erwachsene (ab 65 Jahren) Schwangere Stillende
10 20 20
20 20 20
1 µg = 40 internationale Einheiten (IE); 1 IE = 0,025 µg.
Quelle: D-A-C-H-Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr, 2. Auflage, 1. Ausgabe 2015, Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE)
25-OHD-Spiegel > 150 ng/ml
Beurteilung Intoxikation
30–100 ng/ml
Ideal: 40–60 ng/ml
21–29 ng/ml < 20 ng/ml unzureichende Versorung ausgeprägter Vitamin-D-Mangel Abbildung 1: Holicks-Barometer der Vitamin-D-Gesundheit eine ausreichende Vitamin-D3-Synthese nicht mehr gewährleistet ist (8). Zudem setzen sich viele Menschen wegen der karzinogenen Wirkung von UV-Licht bewusst immer seltener Sonnenstrahlung aus und wenn, dann nur unter Verwendung von Sonnenschutzmitteln mit hohem Lichtschutzfaktor. Was in puncto Hautkrebsprävention unbedingt zu empfehlen ist, wird somit zur Hürde für eine ausreichenden Versorgung mit Vitamin D. In Grossteilen unserer Bevölkerung besteht deshalb eine erhebliche Unterversorgung mit Vitamin D, insbesondere bei Senioren und insbesondere in den Wintermonaten. Wo beginnt der Vitamin-D-Mangel? Als geeignete Messgrösse für die gesamte Vitamin-D-Versorgung (endogen und exogen) hat sich der 25-Hydroxy-Vitamin-D (25[OH]D)-Serumwert etabliert (9). Als Grenzen für eine unzureichende Vitamin-D-Versorgung gelten in der Regel 25(OH)D-Serumwerte unter 30 ng/ml (75 nmol/l) und für einen Mangel Werte unter 20 ng/ml (50 nmol/l) (3, 9). Etwas zurückhaltender bewertet die DGE den Bedarf und spricht erst bei 25(OH)D-Serumwerten von weniger als 10 ng/ml (25 nmol/l) von einem echten Mangel (7). Werte zwischen 40 und 60 ng/ml gelten als ideal, die Obergrenze liegt bei 100 ng/ml. Der toxische Bereich, der nur durch langfristige Überdosierung einer Vitamin-D-Supplementation erreicht werden kann, liegt oberhalb von 150 ng/ml (3, 9) (vgl. Abbildung 1). Laut repräsentativen Untersuchungen in Deutschland im Zeitraum 2005 bis 2008 hatten im Jahresdurchschnitt rund 60 Prozent aller Personen im Alter von 65 bis 75 Jahren, im Winterhalbjahr fast 70 Prozent, 25(OH)D-Serumspiegel unter 20 ng/ml. Mehr als jeder Fünfte hatte einen schweren Mangel mit Serumspiegeln von 10 ng/ml oder weniger (10). Ältere sind für einen Vitamin-D-Mangel besonders gefährdet, weil die Vitamin-D-Synthese in der Haut mit zunehmendem Alter abnimmt (9). Zudem halten sich ältere Menschen in der Regel weniger im Freien auf als jüngere. Zur Resorption von Vitamin D aus dem Darm ist das Vorhandensein von Nahrungsfetten erforderlich. Deshalb können chronische Magen-Darm-Erkrankungen, die mit einer Fettmalabsorption einhergehen, wie Zöliakie oder Morbus Crohn, oder auch chirurgische (Teil-)Resektionen des Darms zu einem Vitamin-D-Mangel führen (11). Auch bei Übergewichtigen ist das Risiko für einen VitaminD-Mangel erhöht, da in der Haut synthetisiertes Vitamin D in geringerem Masse als bei Normalgewichtigen in den Kreislauf freigesetzt wird (9). Sowohl in der Haut synthetisiertes Vitamin D3 als auch mit der Nahrung zugeführtes Vitamin D2 und D3 werden in unserem Körper auf die gleiche Art und Weise verstoffwechselt. Inaktives Vitamin D wird über das Blut zur Leber befördert, wo es zunächst in 25(OH)D umgewandelt wird, den Hauptmetaboliten von Vitamin D im Blut. Vor allem in der Niere, aber auch in einigen extrarenalen Geweben wird schliesslich die aktive Form 1,25-Dihydroxy-Vitamin D gebildet (vor allem 1,25[OH]2D3, Calcitriol). Deshalb kann durch eine stark beeinträchtigte Nierenfunktion ebenfalls ein Vitamin-D-Mangel ausgelöst werden (9). Last, not least: Ein niedriger Magnesiumstatus prädestiniert für einen Vitamin-D-Mangel (12). So sind das Bindungsprotein für Vitamin D im Blut und die drei Enzyme, die für die Umwandlung in 25(OH)D und in aktives 1,25(OH)2D benötigt werden, magnesiumabhängig (13, 14) (Abbildung 2). Zwischen dem Spurenelement und dem Vitamin gibt es zahl- 854 ARS MEDICI 19 I 2016 FORTBILDUNG Tabelle 3: Empfehlungen für die Vitamin-D-Substitution zur Prävention eines Vitamin-D-Mangels Schweizer Empfehlungen (27) 1. Lebensjahr 2. bis 59. Lebensjahr ≥ 60. Lebensjahr 400 IE/Tag 600 IE/Tag 800 IE/Tag Empfehlungen gemäss Konsensus-Meeting* und (4,5) < 60 Jahre (nach Körpergewicht) bis 50 kg 500–1000 IE/Tag oder 3500–7000 IE/Woche 50–75 kg 750–1500 IE/Tag oder 5250 bis 10 500 IE/Woche 75–100 kg 1000–2000 IE/Tag oder 7000 bis 14 000 IE/Woche > 60 Jahre
800–20001 IE/Tag oder 5250 bis 10 500 IE/Woche
1 im 1. Jahr nach einer Hüftfraktur * Konsensus-Meeting Frankfurt, 10.8.2012
reiche Wechselwirkungen. Eine insuffiziente Versorgung mit Vitamin D fördert auch eine Hypomagnesiämie. Auch bei Sarkopeniepatienten wurde ein Zusammenhang mit dem Vitamin-D- und dem Magnesiumstatus dokumentiert. So wurde in einer Studie an insgesamt 66 älteren Patienten in der Sarkopeniegruppe bei der Klinikeinweisung bei 38 Prozent
eine verringerte Vitamin-D- und bei 6 Prozent eine verringerte Magnesiumaufnahme nachgewiesen (15).
Wirkungen von Vitamin D
Vitamin D beziehungsweise die aktive Form 1,25-(OH)2D hat vielfältige positive Wirkungen in unserem Körper: Die Beteiligung an der Regulation des Kalzium- und Phosphathaushalts ist lange bekannt. Vitamin D fördert dadurch die Mineralisierung und Härtung des Knochens (9). Deshalb sind ausreichend hohe Vitamin-D-Spiegel für die Knochengesundheit und die Vorbeugung einer Rachitis von grosser Bedeutung. Neben einer Mineralisationsstörung der Knochen gilt die Myopathie als klassisches klinisches Zeichen einer schweren Vitamin-D-Unterversorgung. Die Vitamin-D-Mangel-Myopathie äussert sich in Muskelschmerzen und Gangstörungen (7). Unter Vitamin-D-Supplementation ist die Vitamin-D-Mangel-Myopathie innerhalb von Wochen reversibel. Vitamin D schützt darüber hinaus die Nerven und moduliert das Immunsystem.
Kardiovaskulärer Schutz
Zudem gibt es Hinweise für eine vorbeugende Wirkung von Vitamin D, was Krebs, periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), Diabetes, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Komplikationen einer koronaren Herzkrankheit (KHK) angeht (3, 16). Beobachtungsstudien ergaben inverse Assoziationen zwischen den 25(OH)D-Serumspiegeln und der allgemeinen und kardiovaskulären Sterblichkeit (7). Assoziationen zwischen niedrigen Vitamin-D-Spiegeln und erhöhter Mortalität wurden vor allem bei Personen mit niedriger Magnesiumzufuhr beobachtet (12, 13). So war in einer Studie bei gleichzeitigem Vitamin-D- und Magnesiummangel
Gröber U: Mikronährstoffe, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2016
Nahrung z.B. Aal, Lebertran
Darm Vitamin D3 Mg
Bindung an VDBP
Haut
UV-B-Strahlung 290–315 bm
Mg Leber
renale 1α-OHase
Mg
Niere 25(OH)-Vitamin D
Niere 24-OHase Mg
endokrine Effekte 1,25-(OH)2D
Mg lokale 1α-OHase
autokrine/parakrine Effekte 25-(OH)2D
Organe (z.B. Knochen, GIT, Nieren, Nebenschilddrüse)
Zellen (z.B. Endothel, Herz- und Skelettmuskulatur, Brust, Darm, Pankreas, Immunsystem, z.B. Makrophagen etc.)
Abbildung 2: Magnesiumabhängige Verstoffwechslung von Vitamin D (VDBP: Vitamin-D-bindendes Protein, GIT: Gastrointestinaltrakt)
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FORTBILDUNG
das Mortalitätsrisiko im Vergleich zum alleinigen Vitamin-DMangel um 29 Prozent erhöht (13). In einer Untersuchung an Patienten mit metabolischem Syndrom war ein optimaler Vitamin-D-Spiegel assoziiert mit einer um 69 Prozent reduzierten kardiovaskulären Mortalität im Vergleich zu einem schweren Vitamin-D-Defizit (25).
Vitamin D und Magnesium
Insbesondere in puncto kardiovaskuläre Gesundheit wirken Vitamin D und Magnesium synergistisch, worauf zunehmend mehr aktuelle Forschungsdaten hinweisen. So können bei Patienten mit Hypertonie und Herzinsuffizienz ebenso wie bei Patienten mit metabolischem Syndrom und Diabetes gehäuft ein Magnesium- und ein Vitamin-D-Mangel nachgewiesen werden (17). In einer Studie bei 11 Patienten mit Hypertonie und Typ-2-Diabetes wurde neben diesen Defiziten auch eine Erhöhung der Interleukin (IL-)6-Spiegel belegt. IL-6 ist ein Marker für die systemische Entzündung und ein Risikofaktor von Arteriosklerose und Gefässschäden (18). Diese Daten legen nahe, bei kardiovaskulären Risikopatienten und bei Patienten mit metabolischen Störungen sowohl auf den Vitamin-D- als auch den Magnesiumhaushalt zu achten und bei Bedarf das Vitamin gemeinsam mit dem Spurenelement zu substituieren. Empfohlen wird bei Patienten mit Magnesiumdefizit und Vitamin-D-Mangel die Gabe von 300 bis 500 mg Magnesium täglich und von mindestens
1000 IE Vitamin D. Als Referenzwerte für einen ausreichend hohen Magnesiumstatus gelten Serumwerte von 0,90 mmol/l oder mehr (17). Die Gesellschaft für Magnesiumforschung e.V. nennt vier mögliche Mechanismen für die günstigen Wirkungen von Magnesium auf den Kohlenhydratstoffwechsel und die Gefässe: O Insulin-Sensitizing-Effekt O Kalziumantagonismus O Stressregulation O endothelstabilisierender Effekt (19).
Risikogruppen
Die amerikanische endokrinologische Gesellschaft (American Endocrine Society, AES) empfiehlt in ihrer Leitlinie zum Management eines Vitamin-D-Mangels ein Screening anhand eines verlässlichen 25(OH)D-Assays in Risikogruppen (9). Dazu zählen zum Beispiel Patienten mit Osteoporose und chronischer Niereninsuffizienz, mit Leberversagen, Hyperparathyreoidismus und mit Malabsorptionssyndromen, ausserdem alle schwangeren und erwachsenen Frauen, übergewichtige Kinder und Erwachsene sowie Ältere mit Sturzbeziehungsweise Frakturanamnese (vgl. Tabelle 3). Hingewiesen wird ausserdem darauf, dass bestimmte Medikamente einen Vitamin-D-Mangel begünstigen können, zum Beispiel Antiepileptika und Antifungizide wie Ketoconazol, Glukokortikoide, Cholestyramin sowie Aids-Medikamente.
FORTBILDUNG
Zur Prävention vieler chronischer Erkrankungen sowie von Stürzen, Frakturen und vorzeitigem Tod sind bei älteren Männern und Frauen 25(OH)D-Serumspiegel von mindestens 20 ng/ml (50 nmol/l) wünschenswert (7, 9). Einige Experten und Teilnehmer eines Konsensus-Meetings in Frankfurt am Main im Jahr 2012 sehen die 25(OH)D-Zielwerte eher bei 30 ng/ml (75 nmol/l) oder höher und empfehlen für Personen über 60 Jahre mit Vitamin-D-Mangel eine orale Supplementation von 800 IE bis zu 2000 IE täglich (im 1. Jahr nach Hüftfraktur) und für Jüngere eine gewichtsadaptierte Supplementation; die Schweizer Empfehlungen (27) weichen davon leicht ab (keine Gewichtsadaptation) (Tabelle 3) (20, 21). Die Zusammenhänge zwischen dem Vitamin-D-Status und der Prävention chronischer Erkrankungen wurden nicht nur in Beobachtungsstudien, sondern zum Teil auch in Interventionsstudien mit Vitamin-D-Supplementation dokumentiert. Überzeugend ist nach Einschätzung der DGE die Datenlage in der Sturz- und Frakturprävention bei Älteren, wahrscheinlich ist der Zusammenhang zwischen Vitamin D und Funktionseinbussen des Bewegungsapparats sowie der Gesamtmortalität. Möglich ist es auch, dass ein ausreichend hoher Vitamin-D-Status vor kardiovaskulären Erkrankungen schützt und das Risiko für ein kolorektales Karzinom verringert (7). In Interventionsstudien zur Frakturprävention wurden erst bei einer Vitamin-D-Dosierung im Bereich von etwa 500 bis 800 IE (12,5–20 µg) pro Tag Effekte nachgewiesen. Zur Sturzprävention war nach den Ergebnissen einer Metaanalyse eine Dosierung von mehr als 700 IE (17,5 µg) pro Tag effektiv (22). In den Mortalitätsstudien lag die Dosierung von Vitamin D meistens zwischen 400 und 833 IE (10–20 µg) pro Tag. Bei den Studien mit guter statistischer Power wurde die Gesamtmortalität im Verlauf von im Mittel 5,7 Jahren relativ um 8 Prozent verringert (23). In einer weiteren Metaanalyse von 50 randomisierten Interventionsstudien mit fast 95 000 Teilnehmern, meist Frauen im Alter über 70 Jahre, wurde ebenfalls eine signifikant verringerte Mortalität durch Vitamin-D3-Supplementation ermittelt (24). Empfohlen wird von der DGE bei älteren Männern und Frauen (≥ 65 Jahre) eine Vitamin-D-Supplementation von mindestens 800 IE (20 µg) täglich (7); Schweizer Experten raten dazu bereits ab einem Alter von 60 Jahren (27). Einige Experten sprechen sich für eine Zufuhr von mindestens 1000 IE (25 µg) für alle Erwachsenen aus. Dabei ist zu beachten, dass in der Schwangerschaft Dosen über 500 IE nur nach strenger Indikationsstellung eingesetzt werden dürfen. Durch eine Vitamin-D-Supplementation von 800 bis 1000 IE täglich werden bei über 90 Prozent der Behandelten 25(OH)DSerumspiegel von 20 ng/ml (50 nmol/l) oder mehr erreicht (7). Die AES unterscheidet in ihren Empfehlungen zur diätetischen Vitamin-D-Zufuhr zwischen Prävention und Therapie bei Patienten mit nachgewiesenem Mangel (9).
Prävention
In der Prävention wird zur Optimierung der Knochengesundheit (bei Erwachsenen) eine tägliche Aufnahme von mindestens 600 IE Vitamin D bei Kindern über 1 Jahr (0–1 Jahre 400 IE) und Erwachsenen von 19 bis 70 Jahren empfohlen; bei Senioren über 70 Jahre wird eine Zufuhr von mindestens 800 IE täglich empfohlen; in der Schweiz werden
generell 800 IE ab dem Alter von 60 Jahren empfohlen (27). Um die 25(OH)D-Serumspiegel konstant auf Werte über 30 ng/ml (75 nmol/l) zu heben, können bei Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahren Tagesdosen von mindestens 1000 IE, bei Erwachsenen von 1500 bis 2000 IE erforderlich sein. Schwangere und stillende Frauen brauchen täglich mindestens 600 IE Vitamin D und zum Anheben der 25(OH)DSerumspiegel auf Werte über 30 ng/ml 1500 bis 2000 IE täglich. Bei übergewichtigen Kindern und Erwachsenen sowie Patienten unter Medikamenten, die den Vitamin-D-Stoffwechsel beeinträchtigen, sind mindestens 2- bis 3-fach höhere Dosierungen erforderlich als für die Altersgruppen üblich.
Therapie
Bei Personen mit nachgewiesenem Vitamin-D-Mangel wer-
den zeitlich befristet Supplementationen in höheren Dosie-
rungen empfohlen: bei Kindern und Jugendlichen bis
18 Jahre über mindestens 6 Wochen 2000 IE täglich oder
50 000 IE 1-mal pro Woche, danach folgt eine Erhaltungs-
therapie mit 400 bis 1000 IE täglich (0–1 Jahre) beziehungs-
weise mit 600 bis 1000 IE täglich. Alle Erwachsenen mit
Vitamin-D-Mangel sollten über 8 Wochen 6000 IE täglich
oder 50 000 IE 1-mal pro Woche erhalten, danach 1500 bis
2000 IE täglich.
Bei übergewichtigen Personen, Patienten mit Malabsorp-
tionssyndrom oder unter Medikamenten mit ungünstigem
Einfluss auf den Vitamin-D-Metabolismus werden initial
Tagesdosen von mindestens 6000 bis 10 000 IE Vitamin D
empfohlen, danach folgt eine Erhaltungstherapie mit 3000
bis 6000 IE täglich.
Bei Patienten mit primärem Hyperparathyreoidismus und
Vitamin-D-Mangel wird eine Supplementation nach Bedarf
unter Kontrolle der Serumkalziumspiegel empfohlen.
Generell gilt die regelmässige (tägliche bis wöchentliche) Sub-
stitution als effektiver als die Hochdosis-Bolus-Substitution,
da der autokrine Syntheseweg auf eine permanente Vitamin-
D3-Zufuhr angewiesen ist (26).
Für die Substitutionstherapie stehen sowohl Präparate mit
Vitamin D2 als auch D3 in verschiedenen Darreichungs-
formen (Tropfen, Kapseln, Tabletten) zur Verfügung. Beide
Vitamin-D-Formen durchlaufen in unserem Körper die glei-
chen Aktivierungsschritte und sind vermutlich ebenbürtig.
Es gibt allerdings auch Hinweise, dass die biologische Wirk-
samkeit von Vitamin D2 geringer als die von Vitamin D3 sein
könnte (7). Sinnvoll können Kombinationspräparate von
Vitamin D mit weiteren Spurenelementen sein, insbesondere
mit Magnesium. Durch die kombinierte Gabe könnte der
Schutz von Herz und Gefässen optimiert werden.
O
Prof. Dr. med. Klaus Kisters Medizinische Klinik 1, St. Anna Hospital D-44649 Herne
Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.
Literatur unter www.arsmedici.ch
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 8/2016. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autor. Ergänzungen bezüglich der Schweizer Empfehlungen wurden von der Redaktion ARS MEDICI mit Einverständnis des Autors eingefügt.
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