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POLITFORUM
Xundheit in Bärn
MOTION vom 15.6.2016
Anpassung der Generikapreise
Roberta Pantani Nationalrätin SVP Kanton Tessin
Der Bundesrat wird beauftragt, dem Parlament einen Gesetzesentwurf zu unterbreiten, mit dem die Preisunterschiede zwischen den Generika, die im Ausland verkauft werden, und den in der Schweiz verkauften Generika beseitigt werden sollen.
Begründung Mit dieser Motion wird der Bundesrat beauftragt, zum Schutz der Schweizer Bürgerinnen und Bürger und der in der Schweiz ansässigen Personen und zum Schutz ihrer Interessen dafür zu sorgen, dass die Preise der Generika angemessen sind. Die Konsumen-
tinnen und Konsumenten sowie die Wettbewerbsfähigkeit müssen geschützt werden. Die Preisunterschiede zwischen den Generika, die im Ausland verkauft werden, und den in unserem Land verkauften Generika betragen bis zu 50 Prozent; das ist unangemessen und ungerechtfertigt. Laut der Direktorin von Santésuisse, Verena Nold, könnte die Schweizer Bevölkerung beim Kauf von Generika jährlich bis zu einer Milliarde Franken einsparen. Es gibt jedoch keinerlei Anzeichen dafür, dass die Preise sinken, was allein den Interessen der Pharmaindustrie und der Ärzteschaft geschuldet sein soll. Die Interessen und die Gewinne, die auf dem Spiel stehen, sind einfach zu gross. Selbst in Norwegen, dem teuersten der Referenzländer, sind die Generika rund 30 Prozent günstiger. Berücksichtigt man ausser-
dem, dass ein Grossteil der Generika im Ausland hergestellt wird, so müssten die Preise aufgrund der Dollar- und Euroschwäche für die Schweizer Bevölkerung sinken – das jedoch ist noch nie passiert. Die Preise für Generika werden anders festgelegt als die Preise für Originalpräparate. Sie hängen von den Gewinnen ab, die mit den Wirkstoffen der Originalpräparate erzielt werden. Die Generikapreise werden vom Bundesrat und von Swissmedic festgelegt, gestützt auf Kriterien, die überarbeitet werden müssen, da sie die Interessen der Konsumentinnen und
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Konsumenten sowie den Grundsatz, dass die Preise wettbewerbsfähig sein müssen, nicht berücksichtigen. Die Schweizer Bevölkerung sieht sich ohnehin schon mit hohen und von Jahr zu Jahr steigenden Gesundheitskosten konfrontiert. Es ist nicht nachvollziehbar, warum sie auch für die Generika deutlich mehr bezahlen muss. In den Grenzregionen würde eine Anpassung der Generikapreise zudem die Wirtschaft und den lokalen Handel ankurbeln und so den Einkaufstourismus ins Ausland abschwächen.
110% 100%
90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10%
0%
100%
Durchschnitt Ausland: 41% 66%
61% 57% 56% 53% 47% 46% 44% 41% 32% 30% 28% 25% 22% 9%
SchweNizorwegTesnchechienSpaniÖesnterreich ItalienBelgieFninnlaFnradnkDreeicuhtschlandPortugal IrlaSncGdhrwoesdsbenritanniDeännemNairekderlande
Generika-Auslandpreisvergleich Generika sind in der Schweiz deutlich teurer als im Ausland. Dies bestätigt auch der jüngste Auslandpreisvergleich 2015 des Preisüberwachers. Der Preisüberwacher hat die Schweizer Publikumspreise von 20 umsatzstarken Wirkstoffen einer international tätigen Generikafirma mit den Preisen in 15 Vergleichsländern verglichen. Gemäss diesem Vergleich sind die Preise in der Schweiz im Durchschnitt doppelt so hoch wie im Ausland. Die Notwendigkeit eines Systemwechsels im patentabgelaufenen Bereich hin zu einem Festbetragssystem wird dadurch bestätigt.
Abbildung: Auslandpreisvergleich Generika eines Generikaherstellers mit 15 Vergleichsländern
Quelle: Wettbewerbskommission, 3003 Bern
ARS MEDICI 19 I 2016
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MOTION vom 16.6.2016
Vergütungspflicht der Krankenkassen für im Ausland eingekaufte medizinische Mittel und Gegenstände
Bea Heim Nationalrätin SP Kanton Solothurn
Der Bundesrat wird beauftragt, die Einführung einer Vergütungspflicht für von den Versicherten selber im Ausland bezogene Hilfsmittel vorzusehen, sofern ein entsprechendes Arztrezept für das benötigte Hilfsmittel vorliegt,
und die dafür nötigen Gesetzesanpassungen dem Parlament zu unterbreiten.
Begründung Die vergleichsweise hohen Preisunterschiede bei medizinischen Produkten, die in der Schweiz verkauft werden, aber auch im Ausland erhältlich sind, führen seit Langem immer wieder zu Kritik. Um zu erreichen, dass die zum Teil erheblich überhöhten Preise gesenkt werden, werden Produkte aus den umliegenden Ländern
importiert. Dieser Parallelimport ist legal und möglich. Aber offenbar werden diese Kosten rezeptierter medizinischer Mittel und Gegenstände, wenn sie von Versicherten im Ausland bezogen wurden, nicht unbedingt von den Krankenkassen vergütet. Der Bundesrat wird darum gebeten, sich dieses Themas anzunehmen und die nötigen Gesetzesanpassungen dem Parlament zu unterbreiten, damit von Versicherten im Ausland bezogene Hilfsmittel und medizinische Produkte, die günstiger
als in der Schweiz erworben wurden und für die ein Rezept vorliegt, von den Krankenkassen übernommen werden. Damit die Marktkräfte im Bereich der Migel eine für die Patientinnen und Patienten positive Preisdynamik entfalten können, ist es zudem unabdingbar, dass die OKP auch Migel-Produkte entschädigt, welche direkt im europäischen Ausland (z.B. online) erworben werden – allenfalls in Analogie zu den Hörgeräten im Bereich der Invalidenversicherung.
Stellungnahme des Bundesrats vom 10.6.2016
Für Leistungen aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP), worunter auch die Mittel und Gegenstände fallen, gilt das Territorialitätsprinzip. Das bedeutet: Es werden grundsätzlich nur jene Leistungen übernommen, die in der Schweiz erbracht werden. Der Bundesrat kann bestimmen, dass die OKP die Kosten von Leistungen nach den Artikeln 25 Abs. 2 oder 29 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; SR 832.10) übernimmt, die aus medizinischen Gründen im Ausland erbracht werden (Art. 34 Abs. 2 KVG). Ausnahmen vom Territorialitätsprinzip bilden demnach nur Leistungen, die in der Schweiz nicht erbracht werden können, Notfallbehandlungen und spezielle Entbindungen (Art. 36 Abs. 1–3 der Verordnung über die Krankenversicherung, KVV; SR 832.102). Eine weitere Ausnahme ist in Artikel 36a KVV für die befristeten Pilotprojekte zur Kostenübernahme von Leistungen im Ausland vorgesehen. Solche Verträge dürfen nur mit Leistungserbringern aus den ausländischen Grenzgebieten abgeschlossen und müssen vom Eidgenössischen Departement des Innern bewilligt werden. Aktuell gibt es drei kantonale Pilotprojekte mit Kliniken in Deutschland und
dem Fürstentum Liechtenstein. Die Pilotprojekte sind befristet bis Ende 2018 respektive 2019. Diesbezüglich ist auf die Botschaft vom 18. November 2015 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung betreffend Anpassung von Bestimmungen mit internationalem Bezug (15.078; BBl 2016, 1 ff.) hinzuweisen. Unter anderem soll eine formell-gesetzliche Grundlage für grenzüberschreitende Kooperation in grenznahen Gebieten im KVG verankert werden (im Nachgang zu den vorerwähnten Pilotprojekten gemäss Art. 36a KVV). Trotzdem wird aber das Territorialitätsprinzip weiterhin als wichtiger Grundsatz in der schweizerischen Krankenversicherung bestätigt und auch weiterhin lediglich im Zusammenhang mit der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gelockert. In der Liste der Mittel und Gegenstände (Migel) werden ferner nur Produkte geführt, die von den Patienten selbst oder mithilfe von nicht beruflich an der Untersuchung oder Behandlung mitwirkenden Personen angewendet werden können. Die Migel führt generische Produktebeschreibungen, und in den diesbezüglich aufgeführten Höchstvergütungsbeträgen (HVB) sind auch Serviceleis-
tungen wie zum Beispiel Instruktion, Beratung, Anpassung und Notfallleistungen enthalten. Die Abgabestellen haben eine Verantwortung hinsichtlich Abgabe geeigneter Produkte, Gewährleistung der Qualität sowie Instruktion der Patienten. Bei einem Erwerb der Mittel und Gegenstände im Ausland können weder persönliche Anpassungen noch Anwendungsinstruktionen durch den Leistungserbringer sichergestellt werden. Auch deshalb gelten die Voraussetzungen, dass die Abgabestellen nach Artikel 55 KVV nach kantonalem Recht zugelassen sind und einen Vertrag mit den Versicherern haben. Dennoch gibt es in diesem Bereich auch Produkte, die ohne grössere Risiken betreffend Qualität und richtigen Einsatz im Ausland beziehbar sind. Jedoch muss bei neu aufgetretenen Krankheitssituationen auch bei diesen eine Beratung und rasche Versorgung innerhalb der Schweiz möglich sein. Wie der Bundesrat in seinen Stellungnahmen zu den Motionen 16.3069 und 16.3166 ausgeführt hat, liegen die Höchstvergütungsbeiträge (HVB) der auf der Migel aufgeführten Produkte nach einer vom Bundesamt für Gesundheit in Auftrag gegebenen Analyse bei seit Längerem nicht angepassten Positionen nicht systematisch höher
als die Auslandspreise (einbezogen die Preise von Dänemark, Grossbritannien, Deutschland, den Niederlanden, Österreich und Frankreich). Nur bei wenigen Produktegruppen überschreiten die HVB die Auslandpreise. Im Rahmen der Revision der Migel können auch die unterschiedlichen Situationen von international frei handelbaren Produkten mit wenig Instruktionsbedarf und solchen mit höherem Anteil an Beratung, Anpassung und Serviceleistungen berücksichtigt und dementsprechend die Auslandpreise in der Festlegung der HVB entsprechend gewichtet werden. Der Bundesrat lehnt daher die Einführung einer generellen Vergütungspflicht für von den Versicherten selbst im Ausland erworbene Mittel und Gegenstände ab. Der Bundesrat ist jedoch bereit, im Rahmen der Revision der Migel eine Differenzierung nach Produkten, die im Ausland bezogen werden können, und solchen, bei denen dies nicht möglich ist, zu prüfen, dem Parlament Bericht zu erstatten und allenfalls eine entsprechende Anpassung des KVG vorzuschlagen.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.
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