Transkript
POLITFORUM
Xundheit in Bärn
INTERPELLATION vom 17.6.2016
Tarmed: Wie weiter?
Pirmin Bischoff
Ständerat CVP Kanton Solothurn
digungen führt. Die Brisanz des Scheiterns ergibt sich schon daraus, dass es sich um einen Markt von etwa 11 Milliarden Franken handelt.
Gemäss Pressemeldungen ist Anfang Juni die Revision der medizinischen Einzelleistungstarifstruktur (Tarmed) trotz 5-jähriger intensiver Vorarbeit und minutiöser Überprüfung aller Tarifpositionen gescheitert. Der Handlungsbedarf ist unbestritten, da die Datengrundlage von 2004 klar veraltet ist und zu teilweise grob falschen (teils zu hohen, teils zu tiefen) Entschä-
Der Bundesrat wird um Beantwortung folgender Fragen gebeten: 1. Wie beurteilt er das vorläufige
Scheitern grundsätzlich? 2. Gedenkt er, die für die Tarifpart-
ner Ende Juni 2016 auslaufende Frist zur Einreichung einer einvernehmlichen Tarifstruktur zu verlängern? 3. Gedenkt er, von seiner seit 2013 existierenden subsidiären Kompetenz gemäss Artikel 43 Ab-
satz 5bis KVG Gebrauch zu machen, die ihn ermächtigt, eigenständig auf dem Verordnungsweg Anpassungen an einer Tarifstruktur vorzunehmen, falls diese «nicht mehr sachgerecht» ist und sich die Parteien nicht auf eine Revision einigen können? 4. Sind diese Voraussetzungen erfüllt? Allenfalls wann? 5. Falls ja: Welchen Umfang gedenkt er einer solchen verordneten Revision der Tarifstrukturen zu geben? Nur vereinzelte Positionen oder eine Totalrevision? Sind Fallpauschalierungen geplant?
6. Auf welcher Datenbasis würde die Revision vorgenommen?
7. Mit welchen Nebenwirkungen (z.B. Mengenausweitungen oder Qualitätsverschlechterungen) wäre zu rechnen? Wie sind diese vermeidbar?
8. Welchen Zeitrahmen setzt er sich?
9. Welche vorläufige Bilanz zieht er aus der bisher einzigen verordneten Anpassung der Tarifstrukturen vom 20. Juni 2014 betreffend Grundversorger mit einem Umverteilungspotenzial von 200 Millionen Franken? Sind die Ziele erreicht worden?
10. Wo steht das schweizerische Tariffestsetzungssystem und -verfahren im internationalen Vergleich?
INTERPELLATION vom 17.6.2016
Tarmed-Revision
Manfred Bühler Nationalrat SVP Kanton Bern
Die neue Tarifstruktur Tarmed bzw. ats-tms soll von den Tarifpartnern bis zum 30. Juni 2016 beim Bundesrat zur Genehmigung eingereicht werden. Heute beziffern sich die Kosten der Ärzteleistungen in der Praxis bzw. in den Spitalambulatorien auf rund 11 Milliarden Franken. Aufgrund der unterschiedlichen Positionierung sowohl seitens der Leistungserbringerverbände als auch der Kostenträger ist es bis heute ungewiss, ob überhaupt jemand und wer die Tarifstruktur schliess-
lich zur Genehmigung einreichen wird. Zudem war den Medien zu entnehmen, dass allein die Anpassung der Tarifstruktur zu Mehrkosten in der Grössenordnung von rund 4 Milliarden Franken zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) führt. Dies entspricht neben der bereits starken, vor allem mengenbedingten jährlichen Kostenerhöhung von durchschnittlich rund 5 Prozent im Bereich der Ärzteleistungen in der Praxis bzw. den Spitalambulatorien einer Prämienerhöhung von 500 Franken pro Versicherten und Jahr.
Deshalb bitte ich den Bundesrat, folgende Fragen zu beantworten: 1. Wird er die neue Tarifstruktur
Tarmed genehmigen, wenn
diese Mehrkosten zulasten der OKP verursacht? 2. Die Mehrkosten von rund 4 Milliarden Franken sind gemäss den Ausführungen von verschiedener Seite allein der Tarifstrukturrevision zuzuschreiben (Aktualisierung der Kostenmodelle). Mithilfe eines Normierungsfaktors soll die Tarifstruktur kostenneutral eingeführt werden können (statische Kostenneutralität). 2.1. Wie gedenkt er bei der Einführung der neuen Struktur und mittelfristig mit diesem Normierungsfaktor umzugehen? 2.2. Wie verhält es sich mit den Mehrkosten, welche sich aufgrund der in einem Einzelleistungstarif bestehenden Fehlanreize entstehen?
3. Ist ein Einzelleistungstarif aufgrund der Fehlanreize und unter Berücksichtigung der Kostenentwicklung im arztund spitalambulanten Bereich überhaupt noch zeitgemäss?
4. Gedenkt er, von seiner subsidiären Kompetenz (Art. 43 Abs. 5bis KVG) Gebrauch zu machen, und wenn ja, welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein?
5. Verfügt das BAG über das notwendige Know-how und die personellen Ressourcen, um eine eigene Tarifstruktur zu erarbeiten und dann zu verfügen?
6. Inwieweit haftet der Bund für Mehrkosten, welche sich aufgrund einer mit Mängeln in sachlich-medizinischer Hinsicht bzw. bezüglich Unwirtschaftlichkeit behafteten von ihm hoheitlich erlassenen Tarifstruktur ergeben?
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ARS MEDICI 18 I 2016
POLITFORUM
INTERPELLATION vom 16.6.2016
Tarmed: Wie weiter?
Ruth Humbel Nationalrätin CVP Kanton Aargau
Die Ärzte haben die Tarmed-Revision an einer Urabstimmung abgelehnt. Die Vertragspartner haben es damit versäumt, die Tarifautonomie gemäss KVG konstruktiv zu nutzen. Dass es bei den Tarifen für Arztpraxen eine Reform braucht, bestreitet indes niemand. Zahlreiche Tarifpositionen sind nicht mehr zeitgemäss, technische Leistungen teilweise massiv überhöht und die Minutagen un-
systematisch festgelegt. Zu diesem Schluss kam vor 6 Jahren auch die eidgenössische Finanzkontrolle in ihrem Bericht zu Tarmed. Die Finanzkontrolle hatte in ihrer Untersuchung auch festgehalten, dass die Einkommensunterschiede zwischen technischen Fachspezialisten und Grundversorgern grösser geworden sind. Die betriebswirtschaftliche Datenbasis von Tarmed ist denn auch 20 Jahre alt. Viele Eingriffe können heute deutlich schneller und mit günstigeren Infrastrukturkosten vorgenommen werden. Personalkosten sind hingegen gestiegen. Im Weiteren ist es der politische Wille, die Hausarztmedizin gegenüber den technischen Disziplinen besserzustellen.
Der Bundesrat wird einen Tarif verfügen müssen. In diesem Zusammenhang bitte ich den Bundesrat, folgende Fragen zu beantworten: 1. Wird er einen eigenen Tarif er-
lassen oder auf der Basis der vorliegenden gescheiterten Fassung der Tarmed-Revision entscheiden? 2. Wie hoch beurteilt er das Volumen der überhöhten technischen Leistungen des geltenden Tarifes? 3. Wird bezüglich Tarifierung der technischen Leistungen ein Auslandspreisvergleich in Erwägung gezogen? 4. Wie beurteilt er das Referenzeinkommen eines Arztes zulasten der obligatorischen Kran-
kenversicherung? Wie hoch soll es sein, und wie werden allfällige Einkommensunterschiede zwischen Facharztgruppen begründet? 5. Wie wird die gesetzlich vorgeschriebene Kostenneutralität des Tarifumbaus hinsichtlich Struktur und Anwendung garantiert und durchgesetzt? 6. Was unternimmt er, um gemäss Zielsetzungen der Strategie «Gesundheit 2020» Pauschalabgeltungen im ambulanten Bereich zu fördern? 7. Qualitätswettbewerb und Behandlungsqualität sind ebenfalls wichtige Ziele von «Gesundheit 2020». Wie gedenkt er, im Rahmen der Tarmed-Revision den Qualitätswettbewerb und die Behandlungsqualität zu fördern? 8. Wie sehen Prozess und Zeitplan im Tarifsetzungsverfahren Tarmed durch ihn aus?
INTERPELLATION vom 17.6.2016
Ist die Gesundheit älterer Menschen in der Schweiz durch die zunehmende Klimaerwärmung gefährdet? Was unternimmt die Schweiz?
Rosmarie Quadranti
Nationalrätin BDP Kanton Zürich
Anlässlich der am 28. Mai 2016 zu Ende gegangenen WHO-Konferenz betonte die Generalsekretärin des Uno-Klimasekretariats die Bedeutung der Bekämpfung des Klimawandels für den Gesundheitssektor. Bereits im Jahr 2010 adressierten die Mitglieder der WHO Europa (auch die Schweiz) in der «Parma Declaration on Environment and Health» den Klimawandel als eine der grössten Herausforderungen des Gesundheitsschutzes und vereinbarten eine Reihe von Handlungsfeldern, etwa den Einbezug von Gesund-
heitsaspekten in die Klimaschutzstrategien. Zunehmende Hitzewellen mit Folgen für die Bevölkerung werden durch die fortschreitende Klimaerwärmung begünstigt. Gemäss Forschern der ETH Zürich kann man statistisch schon heute rund die Hälfte der Hitzewellen in Europa auf die menschgemachte Klimaerwärmung zurückführen. (Fischer EM, Knutti R: Anthropogenic contribution to global occurrence of heavy-precipitation and high-temperature extremes, Nature Climate Change, 27. April 2015). BAG und Bafu schreiben, dass «besonders bei älteren Personen Herz und Kreislauf und der Wasserhaushalt schnell überfordert sind». Mögliche Folgen: Dehydrierung, Hyperthermie, Ermattung, Bewusstlosigkeit, Hitze-
krämpfe und Hitzschlag. (BAG, Bafu, Schutz bei Hitze, 2007, S. 3) Nun gibt es gleichzeitig Untersuchungen, die zeigen, dass innerhalb der besonders stark betroffenen Risikogruppen der älteren Menschen Frauen empfindlicher auf Hitzeeinwirkungen reagieren als Männer. Ebenso hat eine Studie zu den Auswirkungen des Hitzesommers 2003 in Europa gezeigt, dass am heissesten Tag die Mortalität von Frauen gegenüber der von Männern deutlich erhöht war.
Ich bitte den Bundesrat um die Beantwortung folgender Fragen: 1.Wie beurteilt er die Evidenz
zwischen fortschreitender Klimaerwärmung und den gesundheitlichen Folgen für die Schweizer Bevölkerung?
2.Sieht er eine besondere Betroffenheit der älteren Bevölkerung, insbesondere der Frauen?
3.Gibt es die Möglichkeit, die Risiken regional genauer zu bestimmen?
4.Was unternimmt die Schweiz, um die Gesundheit der Bevölkerung, vor allem jene älterer Menschen, vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen?
5.Was unternimmt die Schweiz, um die Verpflichtungen der Parma Declaration der WHO Europa aus dem Jahr 2010 zu erfüllen?
6.Mit welchen Kostenfolgen rechnet er in Zusammenhang mit den gesundheitlichen Folgen der Klimaerwärmung?
ARS MEDICI 18 I 2016
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