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FORTBILDUNG
Topische Therapie bei Psoriasis der Kopfhaut
In einem Cochrane-Review zeigte sich, dass topische Kortikosteroide bei Psoriasisplaques auf der Kopfhaut wirksamer sind als topisches Vitamin D. Kombinationen beider Wirkstoffe waren nur wenig effektiver als die Steroidmonotherapie, jedoch deutlich wirksamer als Vitamin D allein. Weitere topische Optionen wie Teerpräparate, Salizylsäure, Tacrolimus oder Dithranol wurden meist nur in Einzelstudien untersucht, sodass die Evaluierung ihrer Wirksamkeit und Sicherheit nur begrenzt möglich war.
Cochrane Database of Systematic Reviews
In Westeuropa leiden etwa 2 Prozent der Bevölkerung unter Psoriasis. Bei bis zu 79 Prozent von ihnen ist auch die Kopfhaut betroffen. Häufig treten hier die ersten Symptome dieser chronischen Hauterkrankung auf. Bei den Kopfhautläsionen handelt es sich um verdickte, scharf begrenzte erythematöse Plaques, die mit silbrig weissen Schuppen bedeckt sind und oft auch jucken. In schweren Fällen kann es an den betroffenen Stellen zu Haarausfall kommen. Während Psoriasisplaques am Körper durch die Kleidung verdeckt werden können, sind die Läsionen im Gesicht oder auf der Kopfhaut deutlich erkennbar und stellen deshalb für viele Patienten eine grosse psychische Belastung dar. Aufgrund der Behaarung ist die Kopfhaut schwieriger topisch zu behandeln als andere Körperstellen. Mit den derzeit verfügbaren systemischen und lokalen Medikamenten können die Symptome der Psoriasis kontrolliert werden. Eine Heilung wird jedoch nicht erreicht. Bei moderater Psoriasis sind topische Präparate mit antiproliferativen, immunsuppressiven und antientzündlichen Eigenschaften die Mittel der ersten
MERKSÄTZE
O Mit topischen Kortikosteroiden wird bei Psoriasis der Kopfhaut eine bessere Hautklärung erreicht als mit topischem Vitamin D.
O Die Kombination Kortikosteroid/Vitamin D ist deutlich wirksamer als Vitamin D allein.
O Die Kombination Kortikosteroid/Vitamin D ist nur geringfügig wirksamer als eine Kortikosteroidmonotherapie.
Wahl. In einem Cochrane-Review untersuchten Justin Gabriel Schlager von der Charité in Berlin (Deutschland) und seine Arbeitsgruppe nun die Wirksamkeit und Sicherheit topischer Präparate zur Behandlung von Psoriasis der Kopfhaut.
Möglichkeiten topischer Behandlung
Kortikosteroide: Topische Kortikosteroide gehören zu den wichtigsten Medikamenten bei Psoriasis der Kopfhaut. Bei längerfristiger Anwendung kann es jedoch zu lokalen unerwünschten Wirkungen wie einer kutanen Atrophie und Teleangiektasien oder auch zu systemischen Effekten kommen, die zur Entwicklung von Diabetes, Bluthochdruck und einer Hemmung der Nebennierenrindenfunktion beitragen. Topische Kortikosteroide stehen als Cremes, Salben, Gels, Sprays, Lotionen, Lösungen oder Schaum zur Verfügung. Zu den Kortikosteroiden mittlerer Wirksamkeit (Klassifikation nach Niedner) gehören Fluocinolonacetonid 0,01% (Synalar®), Hydrocortison-17-Butyrat 0,1% (Locoid®), Desoximethason 0,05% (in der Schweiz nicht mehr im Handel) und Triamcinolonacetonid (Kenacort-A®) als Lösung in Konzentrationen von 0,1% und 0,2%. Kortikosteroide starker Wirksamkeit sind Amcinonid 0,1% (nicht im AK der Schweiz), Betamethasondipropionat und Betamethasonvalerat als Lösungen in Konzentrationen von 0,1%, 0,12% und 1% (z.B. Betnovate®) sowie Halcinonid 0,1% (Betacorton®), Flucocinonid (Topsym®, Mycolog®), Desoximethason 0,25% und Mometasonfuroat (Elocom®). Als Kortikosteroid sehr starker Wirksamkeit gilt Clobetasolpropionat 0,05% (Dermovate®, Clobex®, Clarelux®). Vitamin D: Topisches Vitamin D (Calcitriol, (Silkis®) sowie die Vitamin-D-Analoga Calcipotriol (Xamiol®, Daivobet®) und Tacalcitol (Curatoderm®) sind wichtige Alternativen zur Langzeitbehandlung der Psoriasis. Allerdings treten zu Beginn meist Hautirritationen an der behandelten Stelle auf. In seltenen Fällen kann es auch zu einem Anstieg der Serumund Urinkalziumspiegel kommen. Die Gesamtkonzentration an Vitamin D sollte deshalb 100 g/Woche nicht überschreiten. Unter dem wichtigsten Vitamin-D-Derivat, Calcipotriol, wurde bis anhin jedoch noch keine Beeinträchtigung der Kalziumhomöostase beobachtet. Calcipotriol kann als Creme, Lotion, Lösung oder Shampoo appliziert werden. Der Wirkstoffgehalt beträgt meist 50 µg/g. Teerpräparate: Präparate auf der Basis von Kiefernteer (Nadelholzteer ist in der Schweiz nicht im Handel) oder Kohleteer (in der Schweiz als Bestandteil von Magistralrezepturen erhältlich) weisen antientzündliche, anitiproliferative und ausgeprägte juckreizlindernde Effekte auf. Aufgrund des un-
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FORTBILDUNG
angenehmen Geruchs, der kosmetischen Nachteile und des mutagenen Potenzials werden sie zur Behandlung der Kopfhautpsoriasis jedoch selten angewendet. Mittlerweile stehen aber auch auswaschbare Formen wie Shampoos sowie nicht färbende Kombinationen aus Teer und anderen Wirkstoffen zur Verfügung. Calcineurininhibitoren: Topisches Tacrolimus (Protopic®) und Pimecrolimus (Elidel®) haben sich in Studien bei verschiedenen Hauterkrankungen als wirksam und sicher erwiesen. Bei Psoriasis könnten sie eine Alternative zu topischen Kortikosteroiden darstellen. Dies gilt vor allem für die Anwendung im Gesicht, wo das Risiko für unerwünschte Wirkungen bei einer Langzeitbehandlung besonders hoch ist. Topisches Tacrolimus und Pimecrolimus wurden bis anhin jedoch nicht zur Behandlung der Psoriasis zugelassen, dies gilt auch für die Schweiz. Anthralin (Dithranol): In manchen Fällen wird Anthralin (Dithranol) in Konzentrationen von 0,1 bis 3 Prozent zur kurzfristigen Behandlung der Psoriasis der Kopfhaut angewendet. Zu den häufigen Nebenwirkungen gehören eine Entfärbung der Haare und Hautirritationen. In der Schweiz ist Dithranol nicht mehr im Handel. Salizylsäure: Salizylsäure ist aufgrund des ausgeprägten keratolytischen Effekts häufig die erste Wahl bei stark schuppenden Plaques. Meist werden Präparate mit 5 bis 10 Prozent Salizylsäure angewendet. Salizylsäure scheint die Durchlässigkeit der Haut für andere topische Wirkstoffe wie Kortikosteroide zu erhöhen, sodass eine Kombinationsbehandlung besonders wirksam sein könnte. Antimykotika: Bei Psoriasis der Kopfhaut kann es zu einem übermässigen Wachstum von Malassezia-Hefen kommen. In diesen Fällen sind Breitspektrumantimykotika wie Azolderivate (z.B. Ketoconazol; Nizoral® und Generika) oder Ciclopirox (z.B. Sebiprox®, Mycoster®) oft eine gute Option. Ciclopirox weist zusätzlich antimikrobielle Eigenschaften auf.
Wirksamkeit und Sicherheit
Im Rahmen ihres Reviews werteten die Experten 59 randomisierte, kontrollierte Studien (RCT) mit insgesamt 11 561 Teilnehmern aus. Davon wurden 30 Studien (51%) von den Präparateherstellern durchgeführt oder finanziert. Die Finanzierungsquelle wurde nicht in allen Studien offengelegt. In fast allen Studien wurde das jeweilige Präparat im Rahmen einer kurzfristigen Anwendung von weniger als 6 Monaten untersucht. Nur in einer Studie betrug die Untersuchungsdauer mehr als 1 Jahr. Die Erfassung der Wirksamkeit erfolgte anhand der Anzahl der Patienten, bei denen mit dem jeweiligen Präparat eine Hautklärung erreicht wurde oder deren Psoriasisplaques auf die Behandlung ansprachen. Zur Evaluierung der drei am häufigsten angewendeten Interventionen – topische Kortikosteroide, topisches Vitamin D und Kombinationen beider Wirkstoffe – standen grosse multizentrische Studien mit moderater Evidenzqualität zur Verfügung. Bezüglich der Hautklärung waren Kortikosteroide wirksamer als Vitamin D (relatives Risiko [RR]: 1,82; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,52–2,18; NNTB [number needed to treat to benefit]: 8 [7–11]). Die Kombination beider Wirkstoffe war der Steroidmonotherapie überlegen, der zusätzliche Nutzen war jedoch gering (RR: 1,22; 95%-KI:
1,08–1,36; NNTB: 17 [11–41]). Die Kombination war jedoch bedeutend wirksamer als Vitamin D allein (RR: 2,28; 95%-KI: 1,87–2,78; NNTB: 6 [5–7]). Auch bezüglich des Behandlungsansprechens waren Steroide den Vitamin-D-Präparaten überlegen (RR: 2,09; 95%-KI: 1,80–2,41; NNTB: 4 [4–5]). Die Kombination beider Wirkstoffe war deutlich wirksamer als Vitamin D allein (RR: 2,31; 95%-KI: 1,75–3,04; NNTB: 3 [3–4]), jedoch nur unwesentlich wirksamer als die Steroidmonotherapie (RR: 1,15; 95%KI: 1,06–1,25; NNTB: 13 [9–24]). Kortikosteroide mit moderater, hoher und sehr hoher Potenz erwiesen sich als etwa gleich wirksam. Kortikosteroide mit niedriger Potenz wurden in keiner der ausgewerteten Studien untersucht. Unter Steroiden kam es zu weniger Therapieabbrüchen als unter Vitamin D (RR: 0,22; 95%-KI: 0,11–0,42). Die Anzahl unerwünschter Ereignisse, die zu Therapieabbrüchen führte, war unter der Kombinations- und der Steroidmonotherapie vergleichbar (RR: 0,88; 95%-KI: 0,42–1,88). Bei Anwendung der Kombination Steroid/Vitamin D kam es zu weniger Abbrüchen als unter Vitamin D allein (RR: 0,19; 95%-KI: 0,11– 0,36). Welche unerwünschten Ereignisse zum Therapieabbruch führten, wurde in keiner Studie dokumentiert. Im Zusammenhang mit allen drei Interventionen wurden lokale Irritationen, Hautschmerzen und Follikulitis beobachtet. Systemische unerwünschte Ereignisse waren selten und standen vermutlich nicht mit den Interventionen in Zusammenhang. Die Evaluierung der Wirksamkeit und Sicherheit von Teerpräparaten, Ciclopirox, Tacrolimus, Dithranol, Harnstoffkombinationen und Steroid-Salizylsäure-Kombinationen war im Rahmen dieses Reviews aufgrund unzureichender Evidenz nur eingeschränkt möglich.
Diskussion
Die Ergebnisse bezüglich der Wirksamkeit und Sicherheit von topischen Kortikosteroiden, topischem Vitamin D und Kombinationen beider Wirkstoffe stützt die aktuellen europäischen und amerikanischen Empfehlungen. Da sich Sicherheitsprofil und Nutzen der Steroidmonotherapie und der Kombination Steroid/Vitamin D nur geringfügig unterscheiden, erachten die Experten eine Monotherapie mit topischen Kortikosteroiden zur kurzfristigen Behandlung von Psoriasis der Kopfhaut als gut geeignete Option. Die Autoren bemängeln, dass sich die Evaluierung der Präparate in fast allen Studien auf einen kurzen Zeitraum beschränkte. Wie bei jeder chronischen Erkrankung ist bei Psoriasis jedoch eine langfristige Krankheitskontrolle ohne Gefährdung der Patientensicherheit von grosser Bedeutung. Zudem ist nicht bekannt, ob ein Rezidiv der Psoriasisläsionen mit einer Verschlechterung der Erkrankung verbunden ist. Diese Aspekte sollten nach Ansicht der Experten in weiteren randomisierten, kontrollierten Studien untersucht werden. O
Petra Stölting
Quelle: Schlager JG et al.: Topical treatments for scalp psoriasis. Cochrane Database Syst Rev 2016; 2: CD009687.
Interessenkonflikte: 5 der 6 Autoren des Cochrane-Reviews haben Gelder von verschiedenen Pharmaunternehmen erhalten.
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