Transkript
FORTBILDUNG
Urogenitale Chlamydia-Infektionen
Azithromycin ist nicht so wirksam wie Doxycyclin
Klinische Ergebnisse haben an der guten Wirksamkeit
von Azithromycin bei Behandlung der Nicht-Gonokok-
ken-Urethritis Zweifel aufkommen lassen, denn die
Wirksamkeit lag in einigen Studien unter 90 Prozent.
Jetzt wurde in einer Studie Azithromycin mit Doxy-
cyclin bei Chlamydia-Infektionen verglichen.
Der Arzneimittelbrief
Urogenitale Infektionen mit Chlamydia trachomatis sind die häufigsten sexuell übertragenen bakteriellen Infektionen in den Industrieländern (1–2). Besonders Frauen haben an den Komplikationen und Spätfolgen dieser Infektion zu leiden, wie zum Beispiel dem entzündlichen Beckensyndrom (pelvic inflammatory disease), das zu ektoper Schwangerschaft oder Infertilität führen kann. Neben der Behandlung der erkrankten Person ist auch die Therapie des Partners wichtig. Die meisten Fachgesellschaften empfehlen Azithromycin einmalig 1 g oder zweimal 100 mg/Tag Doxycyclin für eine Woche. Diese Empfehlungen gehen auf eine Metaanalyse von zwölf Studien zurück, wonach die Effektivität von Azithromycin bei 97 Prozent und für Doxycyclin bei 98 Prozent lag (3). Diese Studien hatten aber verschiedene Mängel, vor allem wegen des verwendeten Chlamydien-Testsystems. Chlamydien sind direkt nicht einfach nachzuweisen. Molekulare Untersuchungen sind hierbei sensitiver und werden neuerdings auch empfohlen (4). Klinische Ergebnisse haben an der guten Wirksamkeit von Azithromycin bei Behandlung der Nicht-Gonokokken-Urethritis Zweifel aufkommen lassen, denn die Wirksamkeit lag in einigen Studien unter 90 Prozent (5–7). Jetzt wurde in einer Studie der Frage nachgegangen, ob Azithromycin der Behandlung mit Doxycyclin nicht unterlegen ist (8). In die Studie wurden jugendliche Männer und Frauen zwischen 12 und 21 Jahren aufgenommen, die in einer Jugendvollzugsanstalt in Los Angeles, USA, für längere Zeit untergebracht waren. Bei diesem Personenkreis ist die Inzidenz von Chlamyda-Infektionen hoch und die Gefahr einer Neuansteckung durch einen infizierten Partner in der gegebenen Zeit gering. Die Jugendlichen stehen meist ganztägig unter Überwachung, und die Einnahme von Tabletten wird ebenfalls direkt kontrolliert. Die hier zusammengefasste Studie wurde von den National Institutes of Health der USA finanziert.
MERKSÄTZE
O Bei Patienten mit guter Adhärenz ist Doxycyclin bei Chlamydia-Infektionen Mittel der ersten Wahl.
O Bei Nichtadhärenz ist Azithromycin eine Alternative.
Bei Aufnahme in diese Einrichtung wurde bei allen Personen eine PCR auf Chlamydien im frischen Morgenurin durchgeführt. Bei positivem Test wurden sie gefragt, ob sie an dieser Studie teilnehmen wollen. In diese randomisierte, prospektive Studie zur Nichtunterlegenheit wurden 567 Jugendliche eingeschlossen. 284 erhielten Azithromycin (einmalig 1 g) und 283 Doxycyclin (zweimal 100 mg/Tag für 7 Tage). Der primäre Endpunkt der Studie war ein Therapieversagen 28 Tage nach Beginn der Behandlung. Der Erfolg der antibiotischen Therapie wurde anhand einer negativ gewordenen PCR für Chlamydien ermittelt. Darüber hinaus wurde eine Sexualanamnese erhoben, und die Chlamydien wurden zusätzlich genotypisiert (outer surface protein A-Gen). Per Protokoll konnten in jeder Gruppe 185 Personen (65% männlich) ausgewertet werden. Hauptgrund für diese deutlich geringere Zahl der Teilnehmer war die vorzeitige Entlassung aus der Einrichtung. Es gab kein Behandlungsversagen in der Doxycyclingruppe. In der Azithromycingruppe gab es dagegen 5 Personen, bei denen die PCR nicht negativ geworden war (3,2%; 95%-Konfidenzintervall: 0,4–7,4%). Der beobachtete Unterschied beim Therapieversagen in den beiden Gruppen betrug 3,2 Prozentpunkte mit einer Obergrenze im 90%-Konfidenzintervall von 5,9 Prozentpunkten. Damit wurde die vorher festgelegte Grenze von 5,0 Prozentpunkten für Nichtunterlegenheit überschritten. In der Azithromycingruppe hatten 2 Personen Erbrechen innerhalb einer Stunde nach der Einnahme. Bei diesen war eine zweite Einnahme erfolgreich. In der Doxycyclingruppe wurden alle geplanten 14 Dosen von 77 Prozent der Teilnehmer eingenommen. Wegen logistischer Probleme erhielten die anderen gering abweichende Dosierungen (11–16 Dosen). Nebenwirkungen traten bei 23 Prozent in der Azithromycin- und bei 27 Prozent der Probanden in der Doxycyclingruppe auf. Sie waren jedoch leicht (meist Übelkeit) und führten nicht zum Abbruch der Therapie.
Fazit
Bei urogenitaler Chlamydia-Infektion ist die Wirksamkeit einer
Behandlung mit Azithromycin (Einmaldosis von 1 g) der von
Doxycyclin (zweimal 100 mg/Tag für 7 Tage) bei korrekter
Tabletteneinnahme nicht gleichwertig. Bei Patienten mit guter
Adhärenz ist Doxycyclin Mittel der ersten Wahl. Bei Nichtadhärenz
ist Azithromycin eine Alternative.
O
Literatur: 1. Centers for Disease Control and Prevention, www.cdc.gov/std/stats13/surv2013-print.pdf 2. World Health Organisation (WHO), www.who.int/reproductivehealth/publications/rtis/
stisestimates/en 3. Lau CY, Qureshi AK: Sex Transm Dis 2002; 29: 497. 4. Centers for Disease Control and Prevention, www.cdc.gov/mmwr/preview/mmwrhtml/ rr5912a1.htm 5. Schwebke JR et al.: Clin Infect Dis 2011; 52: 163. 6. Manhart LE et al.: Clin Infect Dis 2013; 56: 934. 7. Takahashi S et al.: J Infect Chemother 2008; 14: 409. 8. Geisler WM et al.: N Engl J Med 2015; 373: 2512. 9. AMB 2014, 48, 40DB01.
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Arzneimittelbrief», Jahrgang 50, Nr. 3, März 2016. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Herausgeber D. von Herrath, W.-D. Ludwig und J. Schuler.
ARS MEDICI 14 +15 I 2016
677