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BERICHT
Update Proteine, Vitamin D und Kalzium
Was sollte in welchen Mengen supplementiert werden?
Mit zunehmendem Alter lässt die Muskulatur nach, und die Sturzgefahr nimmt zu – und damit auch das Risiko osteoporotisch bedingter Frakturen. Einen Überblick darüber, was Vitamin D, Kalzium und Proteine zur Knochenund Muskelgesundheit beitragen können, gab es im Rahmen der NutriDays.
Christine Mücke
Rund 70 Prozent aller osteoporotisch bedingten Frakturen erleiden die über 70-Jährigen. Am häufigsten ist bei den über 75-Jährigen die Hüftfraktur; der grösste Risikofaktor sind Stürze. «Ohne Sturzprävention und ohne Stärkung der Muskulatur sehen wir keine effektive Frakturprävention», betonte folglich Prof. Dr. Heike Bischoff-Ferrari, Direktorin der Klinik für Geriatrie am Universitätsspital Zürich. Eine wichtige Rolle spielen hier Proteine, als Doppeltalent fördern sie sowohl die Knochen- als auch die Muskelgesundheit. Und durch die mit dem Altern abnehmende Zufuhr entstehe sowohl ein Handlungsbedarf als auch eine Handlungsmöglichkeit, unterstreicht die Expertin.
«Klauen» Proteine Kalzium? Anders als lange kolportiert «klauen» Proteine kein Kalzium aus dem Knochen. Die vermehrte Kalziumausscheidung unter hoher Proteinzufuhr lässt sich durch eine vermehrte Kalziumauf-
Im ersten Jahr nach der ersten Hüftfraktur …
… bricht sich jeder Zehnte die andere Hüfte;
… verlieren 30 Prozent ihre Selbstständigkeit;
… werden 50 Prozent akut wieder hospitalisiert, und die Hälfte erreicht nie wieder eine vergleichbare Mobilität wie zuvor.
nahme erklären. In der Tat haben Personen mit hoher Proteinzufuhr eine höhere Knochendichte und einen geringeren Knochenabbau, so Bischoff-Ferrari. Positiven Einfluss auf die knochenaufbauenden Zellen nimmt vor allem die Stimulation des Wachstumshormons, zudem fördern die Proteine in der Niere die Konversion des inaktiven ins aktive Vitamin D. In der Klinik bestätigt insbesondere eine Interventionsstudie aus Genf diese mechanistischen Überlegungen (1). Unter 82 Patienten mit Hüftfraktur zeigten diejenigen einen höheren Anstieg im Wachstumshormon, die mit Proteinen anstelle eines isokalorischen Plazebos behandelt wurden (alle erhielten zudem einmal 200 000 IE Vitamin D plus 550 mg Kalzium/Tag). Auch die Knochendichte an der Hüfte konnte im ersten Jahr nach der Fraktur – dem hochgefährlichen Jahr (siehe Kasten) – in der Proteingruppe besser erhalten werden. Einen ersten Hinweis auf einen zusätzlichen Effekt der Proteinsupplementation an der Muskulatur gab die Tatsache, dass die Tage in Rehabilitationseinheiten im Vergleich zu Plazebo um 40 Prozent gesenkt werden konnten (p = 0,02). Auch Resultate der Framingham-Studie zur Proteinzufuhr und Hüftbruchinzidenz bestätigten 2011, dass eine höhere Zufuhr von Proteinen die Inzidenz einer Hüftfraktur unabhängig von der Knochendichte am Schenkelhals senkte – ein weiterer Hinweis auf einen möglichen zusätzlichen
Mechanismus (2). Die Wirkung am Muskel ist heute für Molkeproteine sowohl mechanistisch als auch funktionell belegt. So wurden 2015 in einer Metaanalyse bei knapp 1000 Teilnehmern aus 16 randomisierten Studien unter leucinreicher Proteinergänzung im Vergleich zur Kontrolle günstige Wirkungen auf Gewicht und Muskelmasse gezeigt (3). Am stärksten profitierten Patienten mit einer Sarkopenie. Man dürfe bei den gebrechlichen Patienten also nicht aufgeben, betonte die Expertin.
Wie hoch ist der Bedarf?
Im Alter braucht die Muskulatur mehr Stimulation für die Proteinsynthese. Ab 70 Jahren wird daher für den Erhalt oder die Zunahme der Muskelmasse zum einen das Krafttraining immer relevanter, zum anderen sollten täglich 1,2 bis 1,5 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht aufgenommen werden. Gemäss amerikanischen Daten ist das jedoch nicht einfach, rund ein Drittel der gesunden älteren Erwachsenen erreichen nicht einmal eine Proteinzufuhr von 0,8 g/kg/Tag. Bezüglich des Muskelmassengewinns hat das Molkeprotein die beste Evidenz (3). Es ist gut säurelöslich und damit schnell verdaubar, reich an essenziellen Aminosäuren und vor allem an Leucin, das wichtig für die Proteinsynthesestimulation am Muskel ist. Seine schnelle Bioverfügbarkeit macht das Molkeprotein zusätzlich attraktiv (4). Für die Sorge, dass Proteine das Sättigungsgefühl erhöhen und die Qualität der sonstigen Ernährung beeinträchtigen, gebe es keinen wissenschaftlichen Beleg. Dies gilt auch für die immer wieder diskutierte Belastung der Nierenfunktion, so die Expertin. Um die Muskelsynthese zu erhöhen, sind minimal 20 g/Tag erforderlich, und 40 g/Tag brachten in Kombination
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mit Training den besten Effekt, wie sie zusammenfasst. Um die anabole Resistenz am Muskel zu überwinden, ist die Einnahme zu einer Mahlzeit (Pulsgabe) effizienter als die verteilte Gabe.
Kalzium plus Vitamin D richtig dosieren Kalzium sollte heute nicht mehr ohne Vitamin D gegeben werden, denn seine alleinige Gabe kann sogar mit einem Anstieg von Hüftfrakturen einhergehen, wie eine Metaanalyse gezeigt hat (5). «Dies könnte durch die Hemmung der Phosphataufnahme durch die Verwendung von Kalziumkarbonat und Kalziumzitrat zu erklären sein – und ist vor allem relevant bei älteren Patienten mit Hüftbruchrisiko», erläuterte BischoffFerrari. Zum anderen unterstützt Vitamin D die Aufnahme von Kalzium über den Darm und führt zu einer verminderten Kalziumausscheidung über die Niere. «Wir sollten vorher nachfragen, wie viel Kalzium tatsächlich erforderlich ist», so die Geriaterin. Denn bei bereits via Ernährung ausreichend Versorgten kann mit der Supplementation ein erhöhtes Myokardrisiko einhergehen (6). Für diejenigen, deren Einnahme unter dem Median von 805 mg/Tag lag, erhöhte sich das diesbezügliche Risiko jedoch nicht (HR: 0,98). Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Kalziumsupplemente heute gezielt gegeben werden sollten, und das nicht ohne Vitamin D. Inklusive Ernährung empfiehlt die Schweizerische Vereinigung gegen die Osteoporose (SVGO) ein Total von 1000 mg Kalzium. Um
Do-Health-Studie
Weitere Erkenntnisse zum gesunden Altern europäischer Senioren wird die Do-HealthStudie bringen, deren Rekrutierung mit 2158 Senioren im Alter von über 70 Jahren aus sieben europäischen Städten (darunter Zürich, Basel und Genf) abgeschlossen ist. Informationen zum derzeitigen Stand der Auswertung bekommen Sie unter
http://do-health.eu oder direkt via QR-Code:
einen Kalziumpeak im Serumspiegel zu vermeiden, sollten die Supplemente zum Essen genommen werden. Neben einer normalen Ernährung bedarf es selten mehr als 300 bis 500 mg, dem haben die Dosierungen bei den Kalziumpräparaten Rechnung getragen.
Ausreichend Vitamin D
sicherstellen
Die Hauptquelle für eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung ist die Sonne, und deren Intensität ist von November bis Mai in den hiesigen Breitengraden ungenügend. Erst auf der Höhe von Marokko wären wir theoretisch ausreichend versorgt, so Bischoff-Ferrari. Erschwerend ist, dass im Alter bei Sonnenexposition etwa viermal weniger Vitamin D produziert wird und man sich zunehmend ungern und ungenügend exponiert; zudem wird ab einem Sonnenschutzfaktor von 6 sehr wenig Vitamin D produziert. Auch via Ernährung ist eine ausreichende Versorgung nur schwerlich sicherzustellen. Daher seien hier Supplemente ganz wichtig, betont die Expertin. Zum einen bei Kindern, bei denen nach dem ersten Lebensjahr etwa die Hälfte einen Vitamin-D-Mangel aufweist, definiert als < 20 ng/ml oder < 50 nmol/l 1,25-Dihydroxy-Vitamin-D3. Unter den Kindern mit Migrationshintergrund haben sogar etwa 70 Prozent einen Mangelzustand. Da bis zum 25. Lebensjahr die maximale Knochenmasse aufgebaut wird und diese Kinder ihr Potenzial nicht vollends ausschöpfen, besteht die Sorge, dass es in ihrer Generation im Alter früher zu Knochenbrüchen kommen wird. Ebenfalls wichtig sind die Supplemente für die Älteren, denn unter den Senioren mit Hüftbrüchen leiden 80 Prozent unter einem VitaminD-Mangel. Bei 40 Prozent davon liegt gar eine Osteomalazie vor, die die Fraktur direkt erklären kann. Auch Vitamin D hat eine Doppelfunktion, es unterstützt zum einen die Kalziumabsorption und ist wichtig für Knochenentwicklung und -erhalt. Zum anderen hat es eine direkte Wirkung auf die Muskulatur: Es reduziert als einzige Therapie das Sturzrisiko durch Stimulation der Typ-2-schnellen Muskelfasern – die wir im Alter vor allem verlieren und die wir brauchten, um einen Sturz zu vermeiden, wie Bischoff-Ferrari erklärt.
Aktuelle Daten aus grossen doppelblind randomisierten Studien mit mehr als 30 000 Senioren zeigten Evidenz für die Gabe von Vitamin D 800 IE/Tag zur Fraktur- und Sturzprävention: Hüftfrakturen konnten darunter um 30 und Stürze um 34 Prozent reduziert werden, nicht vertebrale Frakturen um 14 Prozent. Ausserdem wurde ein allfälliger Vitamin-D-Mangel in mehr als 97 Prozent der Fälle nach vier Halbwertszeiten (Monaten) behoben. Diese Dosis ist sicher in der täglichen Applikation oder als monatliche Gabe von 24 000 IE. Ein zusätzlicher Nutzen könnten positive kardiovaskuläre Wirkungen sein; es gibt Hinweise auf eine Senkung des kardiovaskulären Risikos unter Vitamin D.
Fazit
Für die Knochen- und Muskelgesund-
heit der Älteren sollte neben Bewegung
eine ausreichende Protein-, Kalzium-
und Vitamin-D-Versorgung sicherge-
stellt werden. Als Protein empfiehlt sich
Molkeprotein, die tägliche Kalziumzu-
fuhr sollte total 1000 mg umfassen
(falls erforderlich 300–500 mg aus
Supplementen), und Vitamin D sollte –
unabhängig von Blutspiegel und Saison
– mit umgerechnet 800 IE/Tag supple-
mentiert werden.
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Christine Mücke
Literatur: 1. Schürch MA et al.: Protein supplements increase
serum insulin-like growth factor-I levels and attenuate proximal femur bone loss in patients with recent hip fracture. A randomized, double-blind, placebocontrolled trial. Ann Intern Med 1998; 128 (10): 801–809. 2. Misra D et al.: Does dietary protein reduce hip fracture risk in elders? The Framingham Osteoporosis Study. Osteoporos Int 2011; 22 (1): 345–349. 3. Komar B et al.: Effects of leucine-rich protein supplements on anthropometric parameter and muscle strength in the elderly: a systematic review and metaanalysis. J Nutr Health Aging 2015; 19 (4): 437–446. 4. Devries M, Philips S: Supplemental protein in support of muscle mass and health: advantage whey. J Food Sci 2015; 80 Suppl 1: A8–A15. 5. Bischoff-Ferrari H et al.: Calcium intake and hip fracture risk in men and women: a meta-analysis of prospective cohort studies and randomized controlled trials 1, 2, 3. Am J Clin Nutr 2007; 86 (6): 1780–1790. 6. Bolland MJ et al.: Effect of calcium supplements on risk of myocardial infarction and cardiovascular events: meta-analysis. BMJ 2010; 341: c3691. doi: 10.1136/bmj.c3691.
Quelle: «Nahrungsergänzungen Vitamin D, Protein, Calcium – was sonst noch?», Vortrag mit Unterstützung von Nestlé Health Science im Rahmen der NutriDays, 8. April 2016 in Bern.
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