Transkript
BERICHT
Bilharziose – ein vernachlässigtes, doch manchmal tödliches Reisesouvenir
Persistierende Infektion kann zu Blasenkrebs führen
Die Bilharziose (Schistosomiasis, Schneckenfieber) ist eine parasitische Infektionskrankheit der Tropen, die über infizierte Süsswasserschnecken als Zwischenwirte übertragen wird. Bei uns ist sie nur ein seltenes Reisemitbringsel, aber das Übersehen dieser Infektion kann problematisch sein.
Marcus Mau
Die Bilharziose ist nach der Malaria die zweithäufigste Parasitenerkrankung auf der Welt. In insgesamt 78 Ländern der Erde gibt es bis zu 240 Millionen Infizierte, mehr als 90 Prozent von ihnen leben in Afrika.
Epidemiologie einer Tropenkrankheit
Es gibt im Wesentlichen zwei unterschiedliche Formen der Schistosomiasis: eine urogenitale und eine intestinale Form (siehe Tabelle). Beide werden von insgesamt fünf verschiedenen Spezies hervorgerufen. Der Übertragungsmechanismus ist aber für alle Schistosomavarianten gleich: über direkten Hautkontakt mit verseuchtem Wasser
(siehe Abbildung). Aufgrund der notwendigen Nähe zum Wasser ist die Schistosomiasis eigentlich primär eine Infektionskrankheit der Bauern und Fischer in den ärmeren Regionen unserer Erde. Doch die sich immer weiter entwickelnden touristischen Möglichkeiten brächten mehr und mehr Menschen auch in diese ärmeren Regionen mit ihren starken Defiziten in der sanitären Infrastruktur, berichtete Lawrence Drudge-Coates aus London bei dem an den EAU-Kongress angegliederten Treffen der European Association of Urology Nurses (EAUN). Aus diesem Grund sehen Urologen und Kollegen
Tabelle:
Geografische Verbreitung der Bilharziose
Intestinale Bilharziose: Afrika, Mittlerer Osten, Karibik, Brasilien, Venezuela, Surinam, China, Indonesien, Philippinen, Kambodscha, Laos
Urogenitale Bilharziose Afrika und Mittlerer Osten
anderer Fachdisziplinen bei den Reiserückkehrern eine Zunahme der Bilharziose und der schweren Symptome in der Akutphase der Infektion.
Symptome abhängig von Wurmart Die Symptomatik hängt bei allen Ähnlichkeiten der fünf Schistosomaspezies («Pärchenegel») tatsächlich sehr stark davon ab, welche Art Wurm den Patienten befallen hat. Am häufigsten
MERKSÄTZE
O Die Bilharziose (Schistosomiasis) ist eine über infizierte Süsswasserschnecken und mit den Erregern kontaminierte Gewässer übertragene tropische Infektionskrankheit.
O Die urogenitale Bilharziose tritt bei uns als Reisemitbringsel mit akuter Symptomatik auf.
O Eine persistierende Bilharziose kann zu Blasenkrebs führen.
O Mittel der Wahl zur Therapie der Schistosomiasis ist Praziquantel (40 mg/kg KG).
Abbildung: Infektions- und Lebenszyklus von Schistosoma spec., den Erregern der Bilharziose (Quelle: Ikiwaner/wikimedia commons)
652
ARS MEDICI 14+15 I 2016
werden die folgenden Symptome beobachtet: O Pruritus und Rötungen an der
Eintrittsstelle O schmerzhafte Hämaturie O abdominale Symptome mit blutiger
Diarrhö O Anämie O Fieber, Kälteempfinden, Muskel-
schmerzen O Zystitis O Lymphknotenvergrösserung O Splenomegalie, Hepatomegalie O Blasenkrebs bei persistierender
Infektion.
Behandlung der Bilharziose
ist obligatorisch
Jede labordiagnostisch nachgewiesene
urogenitale Schistosomiasis sollte auch
therapiert werden. Die ausgewachsenen
«Pärchenegel» können mehrere Jahre
überleben und persistieren, was es für
den Behandler erschwert, eindeutig
zwischen einer aktiven und einer über-
standenen Infektion zu unterscheiden.
Generell sollte die Schistosomiasis-
therapie nicht allein an Symptomen
und medizinischen Notwendigkeiten
ausgerichtet werden. Das Mittel der
Wahl gegen die Parasiten ist Praziquan-
tel (Biltricide®). Als orales Medikament
ist es einfach zu dosieren und wirkt
effektiv gegen alle fünf Formen des
Erregers. Die Nebenwirkungsrate ist
dabei sehr niedrig. Praziquantel kann
neben Erwachsenen ebenso an Kinder
und Schwangere abgegeben werden, da
seine Anwendung als sicher gilt. Als
Standarddosierung werden 40 mg/kg
Körpergewicht angesetzt für die Be-
handlung der urogenitalen Schisto-
somiasis. Das Medikament löst die
Würmer aus ihrer Verankerung, zum
Beispiel im Gefässplexus der Harn-
blase, und verringert so auch die Mög-
lichkeit der Parasiten, neue Eier zu bil-
den und auszuschütten.
O
Marcus Mau
Quelle: Thematic Session «Rare cases and diseases in urology. State-of-the-Art: Schistosomiasis» beim 17th International EAUN Meeting, 13. März 2016 in München.