Transkript
STUDIE REFERIERT
Typ-2-Diabetes: Antidiabetika im Vergleich
Metformin kann trotz neuer Antidiabetika noch immer als «First-line»-Option zur Behandlung von Erwachsenen mit Diabetes Typ 2 empfohlen werden. Dies ergab ein systematischer Review mit Metaanalyse. Die ausgewerteten Studien waren jedoch meist nur von kurzer Dauer, sodass die langfristige Wirksamkeit und Sicherheit der Mono- und Kombinationstherapien nicht evaluiert werden konnten.
Annals of Internal Medicine
Zur «First-line»- und «Second-line»Behandlung von Diabetes Typ 2 werden mehr als sieben Medikamentenklassen mit unterschiedlicher Wirksamkeit bezüglich der Blutzuckersenkung, der Sicherheit und weiterer klinischer Ergebnisse empfohlen. In einem systematischen Review mit Metaanalyse evaluierten Nisa Maruthur vom Welsh Center for Prevention, Epidemiology & Clinical Research in Baltimore (USA) und ihre Arbeitsgruppe nun die relative Wirksamkeit und Sicherheit ausgewählter Metforminkombinationen und von Monotherapien mit Metformin (Glucophage®) und Antidiabetika folgender Klassen: O Sulfonylharnstoffe O Thiazolidindione
MERKSÄTZE
O Metformin ist mit einer geringeren kardiovaskulären Mortalität verbunden als Sulfonylharnstoffe.
O DPP-4-Inhibitoren senken den HbA1cWert weniger ausgeprägt als Metformin oder Sulfonylharnstoffe.
O Mit Metformin, DPP-4-Inhibitoren, GLP-1-Rezeptor-Agonisten und SGLT-2Inhibitoren kann das Körpergewicht gesenkt werden.
O Unter Sulfonylharnstoffen, Thiazolidindionen und Insulin ist eine Gewichtszunahme zu erwarten.
O Sulfonylharnstoffe sind allein und in Kombination mit Metformin mit einem erhöhten Risiko für Hypoglykämien verbunden.
O Dipeptidylpeptidase-(DDP)-4-Inhibitoren
O SGLT-(sodium-dependent-glucose transporter-)2-Hemmer
O GLP-(glucagon-like-peptide)-1-Rezeptor-Agonisten.
Im Rahmen ihrer Metaanalyse werteten die Wissenschaftler 179 randomisierte kontrollierte Studien und 25 Beobachtungsstudien mit einem Followup von mindestens 3 Monaten aus, die im Zeitraum von April 2009 bis Ende Dezember 2015 in englischer Sprache publiziert worden waren. Bei den Studienteilnehmern handelte es sich um übergewichtige oder adipöse Männer und Frauen, die bei Studienbeginn einen HbA1c-Wert von 7 bis 9 Prozent aufwiesen. Die Studiendauer variierte zwischen 3 Monaten und 8 Jahren. Allerdings betrug der Beobachtungszeitraum nur in 22 Studien mehr als 2 Jahre. Etwa zwei Drittel der Studien (67%) wurden von Pharmaunternehmen finanziert.
Gesamtsterblichkeit
und kardiovaskuläre Endpunkte
In zwei randomisierten, kontrollierten Studien (Beobachtungszeiträume ≥ 2 Jahre) zeigte sich unter Metformin eine geringere kardiovaskuläre Mortalität als unter Sulfonylharnstoffen. In den meisten Studien war die Evidenz bezüglich der Gesamtsterblichkeit, der makrovaskulären und der mikrovaskulären Komplikationen jedoch unzureichend oder von zu geringer Qualität, um einen Wirksamkeitsvergleich der Einzelsubstanzen und der Metforminkombinationen vornehmen zu können. Dies war darauf zurückzuführen, dass das Follow-up meist maximal 1 Jahr betrug und in dieser Zeit nur wenige oder gar keine Ereignisse eintraten.
Glykämische Kontrolle
Im Rahmen einer Monotherapie senkten Metformin, Thiazoledindione und Sulfonylharnstoffe den HbA1c-Wert in vergleichbarem Ausmass. Unter DPP4-Inhibitoren wurden geringere Effektstärken beobachtet als unter Metformin oder Sulfonylharnstoffen. Metforminkombinationen reduzierten den HbA1c-Wert stärker als Metformin allein, wobei mit Metformin/GLP-1Rezeptoragonist eine ausgeprägtere Senkung des HbA1c-Werts erzielt wurde als mit Metformin/DPP-4-Inhibitor. Zwischen anderen Kombinationen zeigten sich keine bedeutsamen Unterschiede.
Körpergewicht
Mit Metformin, DPP-4-Inhibitoren, GLP-1-Rezeptor-Agonisten und SGLT-2Inhibitoren wurde das Körpergewicht gesenkt oder blieb zumindest gleich. Unter Metformin wurde eine ausgeprägtere Gewichtsreduzierung erreicht als mit DPP-4-Inhibitoren. SGLT-2Inhibitoren reduzierten das Gewicht wiederum stärker als Metformin. Bei einer Behandlung mit Sulfonylharnstoffen, Thiazolidindionen und Insulin wurde dagegen eine Gewichtzunahme beobachtet. Die Kombinationen Metformin/GLP1-Rezeptor-Agonist und Metformin/ SGLT-2-Inhibitor wirkten sich günstiger auf das Gewicht aus als Metformin/ DPP-4-Inhibitor. Metformin/GLP-1-Rezeptor-Agonist beeinflusste das Körpergewicht auch positiver als Metformin/ vorgemischtes Insulin. Mit Metformin/ Sulfonylharnstoff wurden bessere Ergebnisse erzielt als mit Metformin/ vorgemischtes Insulin oder Metformin/Basalinsulin.
Blutdruck und Herzrate
Die Wirksamkeit von Antidiabetika bezüglich des systolischen Blutdrucks und der Herzrate wurde nur im Zusammenhang mit SGLT-2-Inhibitoren und GLP-1-Rezeptor-Agonisten untersucht. SGLT-Inhibitoren senkten den systolischen Blutdruck im Vergleich zu anderen Einzelsubstanzen um 3 bis 5 mmHg. Die Kombinationen Metformin/SGLT-2-Inhibitor und Metformin/ GLP-1-Rezeptor-Agonist senkten den Blutdruck im Vergleich zur Metforminmonotherapie um 3 bis 5 mmHg. Die Kombination Metformin/SGLT-2Inhibitor senkte die Herzrate ausge-
620
ARS MEDICI 13 I 2016
STUDIE REFERIERT
prägter als Metformin/Sulfonylharnstoff. Die gepoolte Differenz betrug 1,5 Schläge/min (95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,6–2,3 Schläge/min). Zwischen GLP-1-Rezeptor-Agonisten und Metformin ermittelten die Autoren keinen Unterschied bezüglich der Herzrate.
Hypoglykämien
Sulfonylharnstoffe waren im Vergleich zu Metformin oder Thiazolidindionen mit einem erhöhten Risiko für schwere Hypoglykämien verbunden. Sulfonylharnstoffe erhöhten allein und in Kombination mit Metformin auch das Risiko für leichte und mittlere Hypoglykämien im Vergleich zu allen anderen Monotherapien und zu allen Metforminkombinationen. Die Kombinationen Metformin/Basalinsulin oder Metformin/vorgemischtes Insulin waren mit einem höheren Hypoglykämierisiko verbunden als Metformin/GLP-1-Rezeptor-Agonist. Unter Metformin/Basalinsulin war das Hypoglykämierisiko geringer als unter Metformin/vorgemischtes Insulin.
Nebenwirkungen
Gastrointestinale Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen oder Diarrhö wurden am häufigsten unter Metformin und den GLP-1-Rezeptor-Agonisten beobachtet.
Unter SGLT-2-Inhibitoren kam es am häufigsten zu Mykosen im Genitalbereich. Das Risiko der SGLT-2-Inhibitoren im Hinblick auf das Frakturrisiko, eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion oder auf Harnwegsinfekte konnte aufgrund unzureichender Evidenz nicht beurteilt werden.
Diskussion
Die Ergebnisse des Updates bestätigen Metformin als «First-line»-Option bei Diabetes Typ 2. In der Metaanalyse war Metformin mit einem geringeren Risiko für die kardiovaskuläre Mortalität verbunden als Sulfonylharnstoffe. Dieses Ergebnis stimmt mit den Resultaten der 10-jährigen United Kingdom Prospective Diabetes Study überein. Ob sich die Unterschiede zwischen den Medikamentenklassen und Metforminkombinationen bezüglich des Körpergewichts und des systolischen Blutdrucks auch in Unterschieden im Hinblick auf die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität fortsetzen, ist unklar. Als Limitation ihrer Untersuchung erachten die Autoren, dass die meisten Studien nur kurze Beobachtungszeiträume aufwiesen. Seltenere unerwünschte Ereignisse und langfristige klinische Ergebnisse konnten somit nicht evaluiert werden. Des Weiteren bemängeln sie, dass ältere Personen
oder Patienten mit Komorbiditäten aus
den meisten Studien ausgeschlossen
wurden und daher unterrepräsentiert
waren. Auch wurden nur die Unter-
schiede zwischen den genannten Medi-
kamentenklassen untersucht, während
die Unterschiede zwischen Medika-
menten innerhalb einer Substanzklasse
unberücksichtigt blieben.
O
Petra Stölting
Quelle: Maruthur NM et al.: Diabetes medications as monotherapy or metformin-based combination therapy for type 2 diabetes. Ann Intern Med 2016, Apr 19. doi: 10.7326/M15-2650.
Interessenlage: Die referierte Originalstudie wurde von der Agency of Health Care Research and Quality (AHRQ) finanziert. Während der Studiendurchführung standen 5 der 10 Autoren bei der AHRQ unter Vertrag. Bei den verbleibenden 5 Autoren lagen keine Interessenkonflikte vor.
ARS MEDICI 13 I 2016
621