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FORTBILDUNG
Aortenklappenstenose – im Alter mal dran denken!
Therapieoptionen von medikamentös bis chirurgisch individuell abstimmen
Die Aortenklappenstenose ist die dritthäufigste kardiovaskuläre Erkrankung und das am häufigsten operierte Vitium. Die Prävalenz der degenerativ kalzifizierenden Aortenklappenstenose steigt mit zunehmendem Alter, und damit wird die Notwendigkeit grösser, individuelle Lösungen für diese Patientengruppe zu finden. Die Herausforderung besteht zudem darin, im Praxisalltag Patienten mit einer Aortenklappenstenose zu identifizieren. Der Allgemeinarzt, der die Patienten über Jahre begleitet und behandelt, ist hierfür prädestiniert.
Athena Assadi-Schmidt, Tobias Zeus und Malte Kelm
Fallbeispiel
Frau C. (73 Jahre alt) vereinbart einen Termin bei ihrem Hausarzt. Sie berichtet, vor drei Tagen das Bewusstsein verloren zu haben. Insgesamt habe die Leistungsfähigkeit abgenommen, auch bekomme sie schlechter Luft. Sie müsse jetzt, wenn sie in ihre Wohnung wolle, nach einem Treppenabsatz eine Pause machen, weil die Luft knapp werde. In der körperlichen Untersuchung zeigen sich Unterschenkelödeme beidseits. Weiterhin konnte auskultatorisch ein 3/6-Systolikum mit Ausstrahlung in die Karotiden festgestellt werden. Nach Rücksprache mit der kardiologischen Abteilung des nächstgelegenen Spitals wird Frau C. direkt in die Abteilung für Kardiologie eingewiesen und stationär aufgenommen.
Die degenerativ kalzifizierende Aortenklappenstenose (AKS) ist eine Erkrankung des fortgeschrittenen Alters. Die Prävalenz in Nordeuropa und den USA wird bei Patienten über 65 Jahre mit 2 bis 7 Prozent angesetzt (3, 9). Bei den über 75-Jährigen ist bei 30 Prozent der Patienten eine Aortenklappenstenose bekannt und bei 84-Jährigen bei 50 Prozent (5, 7) (vgl. Abbildung 1). Additiv kann unabhängig von der Genese ein kombiniertes Vitium mit begleitender Insuffizienz vorliegen.
Ursachen Es sind drei Ursachen für die zunehmende Verringerung der Öffnungsfläche bekannt: O angeborene Anomalie der Aortenklappe (am häufigsten
bikuspide Klappe; das Fehlen des laminaren Flusses führt zu Verwirbelungen und Scherkräften am Klappenendothel, das fördert durch Fibrose und Verkalkung die frühe Stenosierung der Aortenklappe) O rheumatisches Fieber O degenerative Kalzifizierung.
MERKSÄTZE
O Mit zunehmendem Alter steigt die Prävalenz der degenerativen Aortenklappenstenose.
O Die unterschiedlichen Therapieoptionen ermöglichen eine individuelle Therapiewahl.
Die Stenosierung aufgrund von angeborenen Anomalien der Klappe oder rheumatischem Fieber wird früher klinisch auffällig als die degenerative AKS, nämlich mit etwa 40 Jahren (rheumatisches Fieber) beziehungsweise im fünften Lebensjahrzehnt (angeborene Anomalie) (2).
Symptome
Die Beschwerden reichen von rascher Ermüdbarkeit, Abgeschlagenheit, Leistungsabfall bis zu Belastungsdyspnoe, Schwindel und Synkopen unter Belastung. Es ist im klinischen Alltag eine Herausforderung, aus diesen zum Teil unspezifischen Symptomen, die zu den meisten im Alter auftretenden Komorbiditäten passen könnten, die kritische AKS herauszufiltern. Mit zunehmender Stenosierung der Aortenklappe steigt die Belastung für das Myokard, das gegen die Stenose anpumpen muss. Der systolische Druckanstieg führt zu einer konzentrischen Hypertrophie mit Abnahme der Compliance und Zunahme des enddiastolischen Drucks. In diesem Stadium nimmt die Koronarperfusion ab. Das mündet in eine Herzinsuffizienz und eine Myokardischämie. Die typischen Symptome sind: O Belastungsdyspnoe O Angina pectoris O Schwindel/Belastungssynkope oder arrhythmogene Synkope O rasche Ermüdbarkeit, Abgeschlagenheit, Leistungsabfall. Bei symptomatischen Patienten mit einer hochgradigen Aortenklappenstenose ist nach dem Auftreten der ersten Symptome unbehandelt eine Überlebensrate von etwa 2 bis 3 Jahren zu erwarten. Verglichen mit der Normalbevölkerung, erhöht sich das Risiko für einen Herzinfarkt und einen kardiovas-
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Untersuchungsmethode Auskultation
Befund 3. ICR links parasternal (Erb-Punkt)
I = 1. Herzton II = 2. Herzton A = Aortenklappenschlusston P = Pulmonalklappenschlusston
I
II
PA
Weitere körperliche Untersuchung
EKG
Raues, spindelförmiges Systolikum mit ggf. Ausstrahlung in die Karotiden Zeichen der Herzinsuffizienz
Zeichen der Linksherzhypertrophie
Abbildung 1: Basisdiagnostik der Aortenklappenstenose (ICR: Interkostalraum)
kulär bedingten Tod um 50 Prozent (9). Bei Vorhandensein einer Aortenklappenstenose ist das Auftreten einer Synkope als dringlicher kardialer Notfall anzusehen.
Basisdiagnostik
Besteht der Verdacht auf eine Stenosierung der Aortenklappe, lässt sich mit nicht invasiven Untersuchungsmethoden rasch, mit geringem Aufwand und mit geringer Belastung für den Patienten, deren Vorliegen eruieren.
Prozedere
Besteht der Verdacht auf eine Aortenklappenstenose, sollte der Patient kardiologisch vorgestellt werden. Ob die weitere Abklärung ambulant oder stationär erfolgt, hängt vom Schweregrad der Beschwerden ab. Eine klinisch manifeste Herzinsuffizienz sowie Synkopen oder Schwindel bei Belastung sind deutliche Hinweise, die für eine rasche stationäre Abklärung und eine rasche Therapie sprechen. Die Diagnose kann durch Anamnese und Auskultation gestellt werden. Zur Bestätigung und Quantifizierung ist eine transthorakale Echokardiografie indiziert. Diese ermöglicht die Beurteilung der linksventrikulären Pumpfunktion, die Darstellung anderweitiger Vitien sowie die Darstellung der Morphologie der Aortenklappe. Die Dopplerechokardiografie ermöglicht anhand der Flussbeschleunigung über der Aortenklappe und im linksventrikulären Ausflusstrakt die Einstufung der Aortenklappenstenose und die Berechnung der Öffnungsfläche (4, 9). Bei einer normalen linksventrikulären Pumpfunktion sprechen eine maximale Geschwindigkeit (Vmax) von > 4 m/s und ein mittlerer Gradient von > 40 mmHg für eine hochgradige Stenose (1).
O konventioneller Aortenklappenersatz (Bio-, Kunststoffprothese)
O Ross-Operation (Ersatz der Aortenklappe durch die patienteneigene Pulmonalklappe) (6)
O Aortenklappenrekonstruktion. Um ein auf den Patienten und seine Bedürfnisse zugeschnittenes Konzept zu finden, hat sich die Entscheidung im Herzteam, welches sich aus Kardiologen und Kardiochirurgen zusammensetzt, als vorteilhaft erwiesen. Hierbei gibt es grundsätzlich drei Behandlungskorridore: O Lebenserwartung < 1 Jahr oder Multimorbidität (z.B. fort-
geschrittene Tumorerkrankung) ¨ Ballonvalvuloplastie oder medikamentös-konservative Behandlung O hohes Operationsrisiko (Risiko-Scores, Porzellanaorta etc.) ¨ TAVI O niedriges Operationsrisiko ¨ chirurgischer Aortenklappeneingriff.
TAVI-Prozedur
Nach ausführlicher Diagnostik mittels Echokardiografie, Herzkatheter und Kardio-CT werden im Vorfeld die Morphologie der Aortenklappe, die Weite des Aortenanulus und mögliche Stenosen der Leistenarterien bestimmt. Diese aufwendige Diagnostik ermöglicht die Auswahl der passenden Prothese und die Planung der TAVI-Prozedur insbesondere im Hinblick auf mögliche Risiken und Gefahrenquellen. Nach Valvuloplastie wird die Aortenklappenprothese via Katheter in Position gebracht. Je nach Hersteller findet eine selbstständige Entfaltung statt, oder die Prothese wird mittels Ballonkatheter dilatiert und passt sich der Wand der Aorta an (2). Es schliesst sich eine Überwachung auf der Intensivstation an. Ein Grossteil der Patienten kann vor einer Anschlussheilbehandlung nach Hause entlassen werden.
Zusammenfassung
Die degenerativ kalzifizierende Aortenklappenstenose ist eine Erkrankung des fortgeschrittenen Alters. Komorbiditäten sind in diesem Alter eher die Regel als die Ausnahme, sodass die Identifikation dieser Patienten im ambulanten klinischen Alltag und die Festlegung einer individuell angepassten Therapie eine Herausforderung darstellen. Patienten mit einer symptomatischen Aortenklappenstenose können durch eine gezielte Anamnese und eine Auskultation diagnostiziert werden. Patienten, deren Operationsrisiko aufgrund von Alter und Multimorbidität zu hoch ist, kommen für eine TAVI-Prozedur infrage. Durch den Aortenklappenersatz kann eine Verbesserung der Mortalität, der Morbidität und der Lebensqualität erreicht werden (6, 8).
Therapie
Der einzige kurative Ansatz zur Behandlung der hochgradigen Aortenklappenstenose ist der Klappenersatz. Hier gilt es, mit einer Risikostratifizierung (chirurgische Risikoscores und Expertenmeinung des Herzteams) und in Übereinkunft mit dem Patientenwillen die individuell passende Behandlungsmethode zu wählen. zurzeit stehen folgende Optionen zur Wahl: O medikamentös-konservative Methode O Ballonvalvuloplastie O kathetergestützte Aortenklappenimplantation (transcathe-
ter aortic valve implantation, TAVI)
Dr. med. Athena Assadi-Schmidt Dr. med. Tobias Zeus Univ.-Prof. Dr. med. Malte Kelm Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie Universitätsklinikum Düsseldorf, D-40225 Düsseldorf
Interessenkonflikte: Die Autoren haben keine deklariert.
Literatur unter www.arsmedici.ch
Diese Arbeit erschien zuerst in «Der Allgemeinarzt» 16/2015. Die Übernahme erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Verlag und Autoren. Anpassungen an Schweizer Verhältnisse erfolgten durch die Redaktion von ARS MEDICI.
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Literatur: 1. Baumgartner H et al.: Echocardiographic assessment of valve stenosis: EAE/ASE
recommendations for clinical practice. J Am Soc Echocardiogr 2009: 22(1):1–23. 2. Buser M et al.: Schwere symptomatische Aortenstenose: Therapiemöglichkeiten im
Zeitalter der interventionellen Klappenimplantation. Schweiz Med Forum 2012; 12(14–15): 304–309. 3. Otto CM et al.: (1999) Association of aortic-valve sclerosis with cardiovascular mortality and morbidity in the elderly. N Engl J Med 1999; 341(3): 142–147. 4. Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (Hrsg): Pocket-Leitlinien: Klappenvitien im Erwachsenenalter. 5. Hansen W: Medizin des Alterns und des alten Menschen. Schattauer, Stuttgart, 2007, S. 152–156. 6. Sievers HH: Ross procedure. HSR Proc Intensive Care Cardiovasc Anesth 2012; 4(2): 119–123. 7. Stewart BF et al.: Clinical factors associated with calcific aortic valve disease. Cardiovascular Health Study. J Am Coll Cardiol 1997; 29(3): 630–634. 8. Tully PJ et al.: Change in quality of life after transcatheter aortic valve implantation and aortic valve replacement surgery in Australian patients aged ≥ 75 years: the effects of EuroSCORE and patient operability. J Geriatr Cardiol 2015; 12(1): 30–36. 9. Vahanian A et al.: Guidelines of the management of valvular heart disease: The Task Force on the Management of Valvular Heart Disease of the European Society of Cardiology. Eur Heart J 2007; 28(2): 230–268.
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