Transkript
Stellenwert der Mammasonografie in der Karzinomdiagnostik
FORTBILDUNG
Mit der Entwicklung der hochauflösenden Linearsonden wurde in den letzten Jahrzehnten die Sonografie der Mamma weiterentwickelt. Mammografie und Sonografie sind komplementäre Methoden mit einander ergänzenden Vor- und Nachteilen. Im Folgenden werden diese erläutert und die entsprechenden Indikationen vorgestellt.
Jan Tuma
Klinische Untersuchung
Die Basis der Untersuchung bilden Anamnese mit Befragung sämtlicher Risikofaktoren (Brustkrebs in der Familie, Menarche, Alter bei Geburten, Rauchen, frühere Brustbiopsien etc.) und klinische Untersuchung. Dabei werden die Brüste systematisch palpiert, es werden auch axilläre, infra- und supraklavikuläre Lymphknotenstationen untersucht. Die Sensitivität diese Untersuchung ist jedoch mit einer Sensitivität von 47 bis 54 Prozent niedrig, die Spezifität jedoch hoch mit 99 bis 94 Prozent (4, 5).
Die Mammakarzinome sind die häufigsten Malignome der Frau. Die Prognose der Erkrankung hängt mit dem Stadium zusammen. Die 5-Jahres-Überlebensquote liegt bei einem Tumor < 2 cm ohne Befall der Lymphknoten und/oder Metastasen bei etwa 80 Prozent, bei einem Tumor von 2 bis 5 cm, nicht palpablen LK und ohne Metastasen bei zirka 65 Prozent, bei einem Tumor > 5 cm oder Fixation an Brustwand oder Haut, mit palpablen LK und ohne Organmetastasen zirka 40 Prozent und schliesslich bei Fernmetastasen bei zirka 10 Prozent. Daher ist eine Diagnose in Frühstadium für die Prognose der Erkrankung wichtig. Im Jahre 1985 starben an Brustkrebs in der Schweiz 38 von 100 000 weiblichen Einwohnerinnen, 2013 waren es nur 20 (1). Diskutiert wird, ob dies das Resultat einer besseren Früherkennung oder besserer onkologischer Therapie ist (2, 3), doch alleine diese Tatsache ist sehr erfreulich.
MERKSÄTZE
O Mammasonografie und Mammografie sind komplementäre diagnostische Verfahren.
O Die Mammasonografie ist bei abnormem Tastbefund, abnormer Mammografie und bei röntgendichter Mamma ACR-Typ III bis IV mit vorwiegend fibroglandulärer Drüse indiziert. Sie ist auch zum Screening bei familiärem Hochrisiko für Mammakarzinome geeignet sowie in der Nachsorge nach einem Mammakarzinom.
O Die Mammografie ist indiziert zum systematischen Screening, zur Diagnostik bei einem hohen genetischen Risiko für ein Mammakarzinom sowie zur Kontrolle nach auffälligem Screeningbefund, einer auffälligen Sonografie und nach einem Mammakarzinom.
Selbstuntersuchung
Die Selbstuntersuchung wird immer wieder propagiert, doch die Wirksamkeit dieser Früherkennungsmethode ist fraglich. Die Sensitivität dieser Methode liegt um 26 Prozent und es gab in acht Studien keine statistischen Unterschiede zwischen Kontroll- und Interventionsgruppen bezüglich Mortalität, Tumorstadium, Tumorgrösse oder Diagnosehäufigkeit (6).
Mammografie
Die Mammografie ist eine ausgezeichnete Methode, die in früheren Screening-Studien zur Senkung der Mortalität der Frauen führte (7). Die hohe Mortalitätsreduktion in Studien liess sich jedoch im Screening der gesamten Bevölkerung nicht reproduzieren. Doch auch neue adjuvante Therapien führten zu Senkung der Mortalität, sodass in den USA die Mortalitätsreduktion von 30 Prozent nur zu etwa 10 Prozent der Screening-Mammografie, der Rest den neuen onkologischen Therapien zugerechnet werden kann (7). Die Darstellung einer unregelmässig abgegrenzten Verdichtung (Abbildung 1) und Darstellung von gruppiertem Mikrokalk (Abbildung 2) sind in der Mammografie die häufigsten Manifestationen des Mammakarzinoms (8). Der Nachweis des gruppierten Mikrokalks kann Ausdruck des duktalen Karzinoms in situ (DCIS) sein, das heisst: Nachweis eines Karzinoms in noch nicht invasivem Stadium. Neben diesem Vorteil hat die Mammografie auch eine hohe Sensitivität bei Frauen in höheren Alter beziehungsweise bei Frauen mit Brüsten in der Involution, mit hohem Anteil der Fettgewebe. In einer Studie betrug die Sensitivität in der Involutionsmamma 80 Prozent, in der dichten Mamma lediglich 30 Prozent (9). Neben der schlechten Sensitivität in der röntgendichten Brust mit hohem Anteil an fibroglandulärem Gewebe ist auch die summative Strahlendosis der wiederholten Mammografien ein Nachteil der Methode, obwohl mit neueren Techniken (Digitalmammografie) diese Dosis reduziert werden konnte (7).
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FORTBILDUNG
Abbildung 1: Eine fokale Verdichtung mit unscharfem, spikuliertem Rand ist für Mammakarzinome typisch; hier ein invasives duktales Karzinom.
Abbildung 4: In diesem invasiv-lobulären Karzinom sieht man sehr schön die sogenannten «Krebsfüsschen».
Abbildung 2: Eine Gruppe länglicher Mikroverkalkungen (0,1–1 mm) ist ein suspekter Befund; hier ein duktales Karzinom in situ (DCIS).
Abbildung 5: 67 Prozent der Mammakarzinome (4) haben dorsalen Schatten, so auch dieses sehr kleine invasiv-duktale Karzinom.
Abbildung 3: Dieser im Ultraschall sichtbare 3×4-mm-Herd eines invasiv-lobulären Karzinoms war mammografisch nicht sichtbar.
Abbildung 6: Grösseres invasiv-duktales Karzinom mit irregulärer Berandung, dorsalen Schallschatten und stark vermehrter Durchblutung in der farbkodierten Duplexsonografie.
Eine Besserung der Detektion wurde auch durch das sogenannte Double Reading erzielt, es wurden zusätzlich 15 Prozent Mammakarzinome entdeckt (10). Eine Computer-Detektion oder CAD verbessert ebenfalls die Detektionsrate (11).
Mammasonografie
Mit der Entwicklung der hoch auflösenden Linearsonden wurde in letzten Jahrzehnten die Sonografie der Mamma weiterentwickelt. Die Sensitivität wird mit 79 Prozent (53–99%) angegeben (12), in
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FORTBILDUNG
Abbildung 7: In 3D-Darstellung wird sehr gut das «Zusammenziehen» beziehungsweise die Retraktion der Umgebung zum Karzinom hin deutlich.
Abbildung 9: Elastografie, hier die sogenannte Strain-Elastografie, die farbig den Grad der Deformation durch äussere Einwirkung misst. Wenig deformierte Körper werden hier blau (hart) und weichere, stärker deformierbare grün, gelb und zuletzt rot dargestellt. Ein Vergleich mit Fettgewebe wird durchgeführt: Die sogenannte Strain Ratio zwischen Tumor und Fettgewebe zeigt, um wie viel Mal der Tumor härter als das Fettgewebe ist. Werte über 2,9 sind suspekt, obwohl auch hier benigne Veränderungen (Narben, sklerosierte Fibroadenome) vorkommen. In unserem Beispiel liegt die Strain Ratio bei 4,4 – und es war ein invasiv-duktales Karzinom.
Abbildung 8: Benigne Tumoren verursachen umgekehrte Umgebungsreaktion, sie drücken umliegende Strukturen auseinander, die sogenannte Kompression.
unserer Studie (4) mit insgesamt 71 Karzinomen wurden 47 Prozent klinisch, 67 Prozent mammografisch und 86 Prozent sonografisch entdeckt. In allen Fällen wurde zuerst die klinische Untersuchung, dann Sonografie und anschliessend Mammografie mit Angaben der klinischen Befunde, jedoch nicht der Sonografieresultate durchgeführt. Die Vorteile der Mammografie und die Vorteile der Sonografie ergänzen sich dabei komplementär. Während der Nachweis von Mikrokalk die Domäne der Mammografie ist, besteht eine viel höhere Sensitivität für Brustkrebsentdeckung in der röntgendichten Drüse in der Sonografie. In röntgendichten Drüsen (ACR 3–4) wurden mammografisch 56 Prozent der Krebse entdeckt, sonografisch 88 Prozent (13). Die Sonografie als Ergänzung der Mammografie ist ebenfalls gegeben für die invasiv-lobulären Karzinome (Abbildung 3), welche alle sonografisch sichtbar waren, aber in 56 Prozent der Fälle mit der Mammografie nicht gefunden wurden und so zu 44 Prozent aller falsch negativen Mammografiebefunde führten (4). Die Sonografie wird in röntgendichten Brüsten, bei allen mammografisch verdächtigen Fällen sowie bei Patientinnen mit familiärer Belastung als Ergänzungsmethode beigezogen. Die wichtigsten Merkmale der Krebse in der Sonografie sind unregelmässige Abgrenzung mit sogenannten «Krebsfüsschen» und dorsale Schatten (Abbildungen 4 und 5).
Abbildung 10: Die Echokontrastsonografie (CEUS = contrast enhanced ultrasound) ist eine weitere hilfreiche Technik zur Unterscheidung zwischen benignen und malignen fokalen Mammaveränderungen. Dargestellt ist hier ein invasiv-duktales Karzinom, rechts im Bild, die Kontrastierung links und die Zeit-Intensitäts-Kurve unten. Die rote Kurve zeigt die Perfusion des Tumors, die gelbe dessen Umgebung und die bläuliche diejenige der normalen fibroglandulären Gewebe. Eindrücklich ist hier, dass nicht nur das Karzinom, sondern auch dessen Umgebung schneller und stärker perfundiert ist (Neovaskularisation des Tumors). Solche verstärkte Perfusion wird bei benignen Tumoren nicht beobachtet.
Die FKDS (farbkodierte Dopplersonografie) kann oft bei Tumoren mehrere Gefässe, bei benignen Herden höchsten eines darstellen (Abbildung 6). Neue Techniken verbessern die Krebsdetektionsrate weiter. Die 3D-Sonografie ist hilfreich für die Beurteilung der Umgebungsreaktion: Retraktion ist für Karzinom, Kompression für benigne Herde typisch (Abbildungen 7 und 8). Die Elastografie kann härteres von weichem Gewebe unterscheiden. Die meisten Tumoren sind hart (jedoch, wie aus eigener
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FORTBILDUNG
Die Mammasonografie ist indiziert bei abnormem Tastbefund,
abnormer Mammografie, bei röntgendichter Mamma ACR-Typ III
bis IV mit vorwiegend fibroglandulärer Drüse, als Screening bei
familiärem Hochrisiko für Mammakarzinome sowie in der Nach-
sorge nach einem Mammakarzinom.
Bei suspekten Befunden erfolgt eine Biopsie unter Sonografiesicht
oder bei Mikrokalk manchmal auch unter Mammografiekontrolle.
Bleibt die Situation nach Sonografie und Mammografie unklar
sowie bei Verdacht auf Ruptur von Silikonprothesen wird ergän-
zend die MRT eingesetzt. Auch bei genetischer Disposition
(BRCA1 und BRCA2) wird in manchen Zentren ein MRT-Scree-
ning durchgeführt.
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Abbildung 11: Mithilfe der Sonografie können auch sehr kleine (hier 3 mm) Karzinome erfolgreich biopsiert werden.
Erfahrung bekannt, auch einige Narben, sklerosierte Fibroadenome oder fokale Fibrosen) und werden entsprechend dargestellt. Dabei wird die sogenannte Strain Ratio berechnet – ein Quotient aus der Härte des Tumors und der Fettgewebe als Vergleich. Bei Werten > 2,9 ist ein Malignom wahrscheinlich (Abbildung 9). Viele Tumoren entwickeln Neovaskularisation, die mithilfe der Echokontrastsonografie eindrücklich dargestellt werden kann: Nicht nur das Karzinom selbst, sondern auch dessen Umgebung weist eine gesteigerte Perfusion auf (Abbildung 10). Mithilfe der Sonografie wird auch die Biopsie der suspekten Befunde durchgeführt (Abbildung 11).
Mamma-MRT Die Magnetresonanztomografie (MRT) spielt eine noch nicht ganz klare Rolle. Sie ist sehr gut einsetzbar bei Silikonprothesen und Fragestellungen nach einer Protheseruptur sowie bei unklaren Fällen, wo weder die Sonografie noch die Mammografie eine sichere Antwort geben können, um eventuelle wiederholte Biopsien zu vermeiden (14). Die Sensitivität soll sehr hoch, die Spezifität jedoch schlechter sein. Bei hochgradigen Risiken der Patientinnen mit BRCA1- und BRCA2-Genen wird neben Sonografie und Mammografie in manchen Programmen auch die Mamma-MRT eingesetzt (15).
Indikationen Mammografie und Sonografie sind komplementäre Methoden mit einander ergänzenden Vor- und Nachteilen und sollten in diesem Sinne eingesetzt werden. Die Indikationen zur Mammografie sind ein systematisches Screening, eine diagnostische Mammografie bei familiärer Belastung, eine Nachkontrolle nach auffälligem Screeningbefund, eine auffällige Sonografie sowie eine Nachsorge nach Mammakarzinom.
PD Dr. med. Jan Tuma
Seilerweg 1
8610 Uster
und
Institut für Allgemeine Innere Medizin und Nephrologie
Klinik Hirslanden
Witellikerstrasse 40
8032 Zürich
E-Mail: jan.tuma@hin.ch
Interessenkonflikte: keine deklariert
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