Transkript
Asthmatherapie – ein Ausblick
Leichter, sicherer, personalisiert
FORTBILDUNG
Trotz ausgebauter Behandlungsmöglichkeiten bleibt der Anteil der Patienten mit unkontrolliertem Asthma leider stabil. Vielversprechende zukünftige Behandlungsansätze stützen sich auf eine bessere klinische (Phänotyp) oder biologische (Endotyp) Charakterisierung der Asthmapatienten, die gezielte Therapien im Sinne der personalisierten Medizin ermöglicht.
European Respiratory Review
Für die spezifische Immuntherapie konnte erfolgreich nachgewiesen werden, dass sie der Progression der Allergie entgegenwirkt. Ob sie jedoch auch das Risiko der Entwicklung
MERKSÄTZE
O Inhalierbare Kortikosteroide (ICS) sind während 40 Jahren bei Asthma eingesetzt worden und haben das Erscheinungsbild der Krankheit massgeblich verändert. Für die Verbesserung der Therapieadhärenz wären ICS mit längerer Halbwertszeit von Vorteil.
O Schon begonnen hat die Zukunft mit der Einführung neuer lang wirksamer Betaagonisten (LABA) und lang wirksamer Muskarinantagonisten (LAMA), die auch bei Asthma eingesetzt werden.
O Viele derzeit in Entwicklung stehende gezielte Therapien richten sich gegen Th2-assoziierte Interleukine.
O Gegen IL-5 gerichtete Therapien versprechen bei eosinophiler Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA) oder allergischer bronchopulmonaler Aspergillose (ABPA) Aussicht auf Erfolg.
O Mit Lipoxinen, Protektinen, Resolvinen und Maresinen sind neuartige Verbindungen gefunden worden, welche die Resolution der Entzündung vorantreiben und als «specialised pro-resolving mediators» (SPM) bezeichnet werden.
O Zurzeit laufen frühe klinische Studien mit Wirkstoffen, die das Konzept der endogenen SPM als Basis haben, auf verschiedenen medizinischen Gebieten, etwa bei Gingivitis, Asthma, entzündlichen Darmerkrankungen, rheumatoider Arthritis und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
von Asthma senkt, ist noch nicht belegt. Auch welche anderen Komponenten der Asthmaprävention (Hygienehypothese, Umweltverschmutzung, Allergene am Arbeitsplatz etc.) in Zukunft besonderes Gewicht erhalten werden, ist nicht ganz klar.
Bestehende Therapie verbessern
Inhalierbare Kortikosteroide (ICS) sind während 40 Jahren bei Asthma eingesetzt worden und haben das Erscheinungsbild der Krankheit massgeblich verändert. So reduzieren ICS das Risiko für Tod an Asthma, und auch Hospitalisationen wegen Asthmas sind heute seltener. Die bekannten Nebenwirkungen der ICS mögen zwar im Einzelnen selten sein, fallen angesichts der breiten ICS-Anwendung dennoch ins Gewicht. Vor allem begründen sie eine verbreitete Abneigung bei Eltern asthmatischer Kinder und auch bei manchen Ärzten. Die Zukunft könnte hier Fortschritte bringen mit der Entwicklung von ICS mit einem besseren pharmakokinetischen Profil. Für die Verbesserung der Therapieadhärenz wären ICS mit längerer Halbwertszeit von Vorteil. Auch das Konzept der «vereinigten Luftwege» verspricht über eine nasale Steroidapplikation eine bessere Beeinflussung der Entzündungsvorgänge. Schon begonnen hat die Zukunft mit der Einführung neuer lang wirksamer Betaagonisten (LABA), die zunächst bei chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) eingesetzt wurden, jetzt aber auch zunehmend bei Asthma Anwendung finden. Mit den unlängst entwickelten sehr lang wirkenden LABA Indacaterol (Onbrez®), Vilanterol (Relvar®, Ellipta®) und Olodaterol (Striverdi®) ist bei schwerem Asthma mit persistierender Atemwegsobstruktion eine potenziell bessere Bronchodilatation über 24 Stunden möglich. Auch die lang wirksamen Muskarinantagonisten (LAMA) wurden zuerst für COPD entwickelt, kommen aber zunehmend auch bei Asthma zum Einsatz. Zusätzliche Verbesserungen sind wie bei den ICS auch für die anderen Wirkstoffgruppen von Innovationen bei den Inhalatoren sowie bei pharmakologischen Entwicklungen mit dem Ziel einer verlängerten Wirkung und geringerer Nebenwirkungen zu erwarten.
Personalisierte Medizin
Immer wieder wird auf die Heterogenität des Krankheitsbilds Asthma hingewiesen. Obwohl sich eine klinische Heterogenität anhand von verschiedenen Triggern und auslösenden
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Faktoren charakterisieren lässt, mündet die Therapie nach den heutigen Empfehlungen in homogene pharmakologische Massnahmen, nämlich ICS und LABA. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen nicht ausreichender ICS-Therapie und ICS-Resistenz.
Endotypbasierte Strategien Neben einer hoch dosierten ICS- und LABA-Therapie sind weitere therapeutische Ansätze über Asthmaendotypen möglich. Hier wird zwischen hohen und niedrigen Werten für die T-Helferzellen (Th2) differenziert. Viele derzeit in Entwicklung stehende gezielte Therapien richten sich gegen Th2-assoziierte Interleukine (IL). Gegen IL-5 gerichtete monoklonale Antikörper stehen in Erprobung, wobei die Höhe der Eosinophilenwerte Voraussagen über die therapeutische Wirksamkeit erlauben sollte. Gegen IL-5 gerichtete Therapien versprechen in allen Situationen, in denen Eosinophile eine zerstörerische Rolle spielen, einen interessanten Ansatz. Dazu gehören etwa die eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA), die allergische bronchopulmonale Aspergillose (ABPA) oder die nasale Polypose. Seit einem Jahrzehnt gilt auch IL-13 als ein in der Asthmapathophysiologie wichtiges Zytokin, zu dem auch viele Daten aus Mausmodellen vorliegen. Eine IL-13-Blockade ist mit verschiedenen monoklonalen Antikörpern möglich, von denen einige allerdings negative Studienergebnisse lieferten. IL-13 induziert auch das Protein Periostin. Ein gegen dieses gerichteter Antikörper (Lebrikizumab) bewirkte in einer klinischen Studie eine selektive Verbesserung der Lungenfunktion bei Asthmatikern mit hohen Spiegeln zirkulierenden Periostins. Ein anderer monoklonaler Antikörper, Dupilumab, der gegen IL-13 und IL-4 wirkt, erlaubte in klinischen Studien bei Patienten mit mittelschwerem Asthma eine deutliche Besserung der Symptomatik, die einen graduellen Entzug und schliesslich den Stopp von ICS ermöglichte. Dies könnte für die Zukunft ein Therapiekonzept erlauben, bei dem eine möglichst nebenwirkungsfreie, gezielte Therapie mit subkutanen Injektionen in möglichst langen Abständen die tägliche Asthmamedikation ersetzt. Der Asthmaendotyp mit niedrigen Th2-Werten wird viel weniger gut verstanden, und neue Therapiekonzepte sind hier rar. In dieser Gruppe finden sich Asthmapatienten mit hohen Neutrophilenzahlen im Sputum. Die Neutralisation von CXCR2, dem wichtigsten IL-8-Rezeptor auf Neutrophilen, war bei solchen Patienten sicher und zur Entzündungsdämpfung wirksam. In der Subgruppe von Patienten mit neutrophilem Asthma wird auch eine langfristige, niedrig dosierte Azithromycintherapie untersucht, die schon bei Patienten mit zystischer Fibrose oder Bronchiektasen erfolgreich war.
Phänotypbasierte Strategien Die Atopie ist das erste phänotypische Asthmamerkmal, das eine personalisierte Therapie auf Basis der individuell bestimmten Immunglobulin-E (IgE-)Spiegel ermöglicht hat. So kann bei Asthmatikern, deren Symptomatik unter Antiasthmatika nicht ausreichend kontrolliert ist, Omalizumab (Xolair®) eingesetzt werden, dessen Wirksamkeit in dieser Situation umfangreich dokumentiert ist. Weitere Antikörper, die zu einer IgE-Senkung führen, sind in Entwicklung.
Chronischer Husten und schleimiger Auswurf werden von Asthmapatienten häufig als stark belastende Beschwerden angegeben. Dahinter wird heute eine Becherzellhyperplasie als ein von IL-13 abhängiges Phänomen vermutet. Dies wurde aber in den bisherigen Anti-IL-13-Studien nicht direkt untersucht. Eine Becherzellhyperplasie kann durch Allergene ebenso wie durch das unspezifische und nicht entzündungsfördernde Methacholin ausgelöst werden. Die Entwicklung einer Becherzellhyperplasie kann gemäss derselben Studie durch inhalierbare Bronchodilatatoren verhindert werden. Die chronische Atemwegsobstruktion bei Asthma unterscheidet sich von derjenigen bei COPD und wird viel weniger gut verstanden. Autopsiestudien zeigten ein Remodelling der kleinen Atemwege durch Schleimpropfen und Hyperplasie der glatten Muskelzellen der Atemwege. Diese bietet die Grundlage für den Behandlungsansatz der bronchialen Thermoplastie bei schwerem Asthma. Bei einer Gruppe von Asthmapatienten sind Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin®) und andere nicht steroidale Antirheumatika wichtige Trigger. Leukotrienantagonisten (Montelukast [Singulair® oder Generika], Zafirlukast [Accolate®]) sind für diese Asthmatiker gute Kandidaten für die Behandlung. Derzeit laufen auch Studien zur Induktion einer ASSToleranz. Übergewicht und Adipositas können ein Asthma verstärken. Die chronische Kortikosteroidzufuhr kann zudem Gewichtsprobleme bei Patienten mit unkontrolliertem Asthma in einem Circulus vitiosus hochschaukeln. Kontroverse Studien haben über einen Nutzen der bariatrischen Chirugie bei adipösen Asthmatikern berichtet. Die allergische bronchopulmonale Aspergillose (ABPA) ist ein weiterer, nicht vollständig aufgeklärter Asthmaphänotyp, der bei leichten und allerschwersten Asthmaformen vorkommt. Je nach gewählter Definition ist die ABPA eine häufige oder sehr seltene Form. Künftige Entwicklungswege dürften Verbesserungen bei der inhalativen antimykotischen Therapie (liposomales Amphotericin B) und die IgE-Hemmung mit neutralisierenden Antikörpern sein. Die EGPA ist als Krankheitsbild präziser definiert worden, und es haben sich evidenzbasierte Therapieansätze etabliert. Die Bestimmung von antineutrophilen zytoplasmatischen Antikörpern (ANCA) ermöglicht eine höhere diagnostische Präzision; Rituximab (MabThera®) hat sich bei EGPA als sehr wirksam erwiesen. Omalizumab und neuerdings Mepolizumab (Nucala®) sind ausserdem erfolgreich zur Erhaltungstherapie mit Ausschleichen der oralen Steroide getestet worden.
Neue Konzepte
Resolution Unabhängig von der phänotypischen Definition ist schweres Asthma durch eine überschiessende chronische Atemwegsentzündung charakterisiert, die durch therapeutische Glukokortikosteroide in Imitation des körpereigenen antiinflammatorischen Mediators Kortisol eingedämmt wird. Der menschliche Körper verfügt jedoch auch über eine schützende Antwort auf akute Entzündungen, die eine Rückkehr zur Gewebshomöostase ermöglicht: die Auflösung der Entzündung (Resolution). Lipidmediatoren wie Prostaglandine und Leukotriene stimulieren Durchblutungsänderungen,
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Ödem und Neutrophileneinstrom zur Resolution der Inflammation. Darüber hinaus sind mit Lipoxinen, Protektinen, Resolvinen und Maresinen neuartige Verbindungen gefunden worden, welche die Resolution der Entzündung vorantreiben und als «specialised pro-resolving mediators» (SPM) bezeichnet werden. Bei schwerem, instabilem Asthma ist die Produktion von Lipoxin A4 vermindert. Gemäss neuen Forschungsergebnissen könnten lösliche Epoxidhydrolasehemmer einen interessanten Ansatz bieten, da sie endogene SPM wie Lipoxin A4 aktivieren und gleichzeitig proinflammatorische Signalwege hemmen. Protectin D1 ist in der Ausatmungsluft von Gesunden nachweisbar und stellt den wichtigsten in Eosinophilen synthetisierten SPM dar. Protectin D1 hemmt die Eosinophilen durch die Behinderung ihrer Chemotaxis und der Ausbildung von Adhäsionsmolekülen. Die Resolvine D1 und E1 fördern die Auflösung allergischer Atemwegsentzündungen. Sie beeinflussen das Verhalten von Neutrophilen und haben antiangiogene, antifibrotische und antiinfektiöse Eigenschaften. Zurzeit laufen frühe klinische Studien mit Wirkstoffen, die das Konzept der endogenen SPM als Basis haben, auf verschiedenen medizinischen Gebieten, etwa bei Gingivitis, Asthma, entzündlichen Darmerkrankungen, rheumatoider Arthritis und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Interferon-beta Ein weiterer Aspekt des zukünftigen Asthmamanagements könnte in der Erfassung von Asthmaexazerbationen liegen, die durch Viruserkrankungen getriggert sind. Rhinoviren sind bei Weitem die häufigsten Auslöser von Asthmaexazerbationen. Als Arbeitshypothese ist für die gesteigerte Asthmaempfindlichkeit eine beeinträchtigte Interferonantwort auf Infektionen postuliert worden. Die intranasale Zufuhr von Interferon bei Symptombeginn einer viralen Erkrankung bewirkte jedoch ausser bei Patienten mit schwerem Asthma keine signifikante Abnahme des Schweregrads der Asthmaexazerbation. Wahrscheinlich würden nicht alle der beschriebenen zukünftigen Asthmatherapien Eingang in die Praxis finden, schreiben die Autoren, die grundlegende Idee der personalisierten Medizin wird jedoch Bestand haben. Heute besteht die Herausforderung darin, sich nicht in der Vielzahl der klinischen Studien zu verlieren, sondern vielmehr eine Beziehung zwischen einem gegebenen Asthmapatienten und der für ihn angemessenen evidenzbasierten Therapie herzustellen. O
Halid Bas
Quelle: Charriot J et al.: Future treatment for asthma. Eur Respir Rev 2016; 25: 77–92.
Interessenlage: Die Autoren der referierten Originalpublikation haben keine Interessenkonflikte deklariert.
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